Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ein Besansegel aufhißt und bei diesen Windstößen damit in See steuert. Er scheint uns einholen zu wollen, sagte der alte Buchhalter, besorgt hinschauend; zieht das Segel ein und legt bei. Das geht nicht an, widersprach der Steuermann; ohne Segel ist das Boot auf diesen Schlagwellen nicht zu regieren; es möchte leicht kentern. -- Reff' das Segel auf drei Viertel. Dieser Befehl wurde rasch ausgeführt; das Segel zog weniger Wind, und das Boot mäßigte seinen fliegenden Lauf. Jetzt schoß der kleine Nachen windschnell heran; unter seinem großen Segel saß ein Mann mit tief ins Gesicht gedrücktem Hut. Ehe man sich's versah, fuhr der kühne Segler windwärts an das große Boot, und mit einem Hakenruder sich Bord an Bord ziehend, rief Bertold im Moment offenbarer Todesgefahr: Zu mir, Galinda, rasch! Und das kühne Mädchen war mit einem Sprunge bei dem Geliebten. -- Der kleine Nachen schwankte, Wasser schöpfend, -- doch Bertold stieß mit dem Hakenruder kräftig ab -- und -- davon flog er mit seiner köstlichen Beute auf Sturmesflügeln. Das Alles war das Werk weniger Augenblicke; dem alten Herrn Baldus schauerte das Herz in starrem Schrecken. Das ist ein waghalsiger Teufelskerl! meinte der verblüffte Steuermann. ein Besansegel aufhißt und bei diesen Windstößen damit in See steuert. Er scheint uns einholen zu wollen, sagte der alte Buchhalter, besorgt hinschauend; zieht das Segel ein und legt bei. Das geht nicht an, widersprach der Steuermann; ohne Segel ist das Boot auf diesen Schlagwellen nicht zu regieren; es möchte leicht kentern. — Reff' das Segel auf drei Viertel. Dieser Befehl wurde rasch ausgeführt; das Segel zog weniger Wind, und das Boot mäßigte seinen fliegenden Lauf. Jetzt schoß der kleine Nachen windschnell heran; unter seinem großen Segel saß ein Mann mit tief ins Gesicht gedrücktem Hut. Ehe man sich's versah, fuhr der kühne Segler windwärts an das große Boot, und mit einem Hakenruder sich Bord an Bord ziehend, rief Bertold im Moment offenbarer Todesgefahr: Zu mir, Galinda, rasch! Und das kühne Mädchen war mit einem Sprunge bei dem Geliebten. — Der kleine Nachen schwankte, Wasser schöpfend, — doch Bertold stieß mit dem Hakenruder kräftig ab — und — davon flog er mit seiner köstlichen Beute auf Sturmesflügeln. Das Alles war das Werk weniger Augenblicke; dem alten Herrn Baldus schauerte das Herz in starrem Schrecken. Das ist ein waghalsiger Teufelskerl! meinte der verblüffte Steuermann. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0077"/> ein Besansegel aufhißt und bei diesen Windstößen damit in See steuert.</p><lb/> <p>Er scheint uns einholen zu wollen, sagte der alte Buchhalter, besorgt hinschauend; zieht das Segel ein und legt bei.</p><lb/> <p>Das geht nicht an, widersprach der Steuermann; ohne Segel ist das Boot auf diesen Schlagwellen nicht zu regieren; es möchte leicht kentern. — Reff' das Segel auf drei Viertel.</p><lb/> <p>Dieser Befehl wurde rasch ausgeführt; das Segel zog weniger Wind, und das Boot mäßigte seinen fliegenden Lauf. Jetzt schoß der kleine Nachen windschnell heran; unter seinem großen Segel saß ein Mann mit tief ins Gesicht gedrücktem Hut. Ehe man sich's versah, fuhr der kühne Segler windwärts an das große Boot, und mit einem Hakenruder sich Bord an Bord ziehend, rief Bertold im Moment offenbarer Todesgefahr:</p><lb/> <p>Zu mir, Galinda, rasch!</p><lb/> <p>Und das kühne Mädchen war mit einem Sprunge bei dem Geliebten. — Der kleine Nachen schwankte, Wasser schöpfend, — doch Bertold stieß mit dem Hakenruder kräftig ab — und — davon flog er mit seiner köstlichen Beute auf Sturmesflügeln.</p><lb/> <p>Das Alles war das Werk weniger Augenblicke; dem alten Herrn Baldus schauerte das Herz in starrem Schrecken.</p><lb/> <p>Das ist ein waghalsiger Teufelskerl! meinte der verblüffte Steuermann.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
ein Besansegel aufhißt und bei diesen Windstößen damit in See steuert.
Er scheint uns einholen zu wollen, sagte der alte Buchhalter, besorgt hinschauend; zieht das Segel ein und legt bei.
Das geht nicht an, widersprach der Steuermann; ohne Segel ist das Boot auf diesen Schlagwellen nicht zu regieren; es möchte leicht kentern. — Reff' das Segel auf drei Viertel.
Dieser Befehl wurde rasch ausgeführt; das Segel zog weniger Wind, und das Boot mäßigte seinen fliegenden Lauf. Jetzt schoß der kleine Nachen windschnell heran; unter seinem großen Segel saß ein Mann mit tief ins Gesicht gedrücktem Hut. Ehe man sich's versah, fuhr der kühne Segler windwärts an das große Boot, und mit einem Hakenruder sich Bord an Bord ziehend, rief Bertold im Moment offenbarer Todesgefahr:
Zu mir, Galinda, rasch!
Und das kühne Mädchen war mit einem Sprunge bei dem Geliebten. — Der kleine Nachen schwankte, Wasser schöpfend, — doch Bertold stieß mit dem Hakenruder kräftig ab — und — davon flog er mit seiner köstlichen Beute auf Sturmesflügeln.
Das Alles war das Werk weniger Augenblicke; dem alten Herrn Baldus schauerte das Herz in starrem Schrecken.
Das ist ein waghalsiger Teufelskerl! meinte der verblüffte Steuermann.
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/77>, abgerufen am 22.07.2024. |