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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nachdem er diesen wichtigen Brief mit schwerem Herzen vollendet, ergriff der Baas Hut und Stock und schritt in seiner gewöhnlichen, heute mühsam erzwungenen ruhigen Haltung hinaus nach Gouda, wo er den Brief selbst auf die Post gab. Der behutsame, entschlossene Mann wollte seinen unwiderruflichen Entschluß rasch und so sicher wie möglich ausgeführt wissen; deßhalb erfuhr auch die Mutter Sara nichts von seinem Vorhaben.

Und die Voraussetzung auf die Geschäftspünktlichkeit des reichen Handelsherrn Verkolyn täuschte nicht. Am frühen Morgen des Michaeltages steuerte ein schön gemaltes Segelboot mit flatterndem Wimpel, pfeilschnell vor dem Winde auf den Wellen tanzend, gerade über den See dem Zorgenhofe zu, schnitt mit einer scharfen Wendung in den schmalen Wiesenkanal und legte sogleich beim Hofe an. Zwei Matrosen sprangen ans Land und halfen einem alten, äußerst sauber im altmodischen Schnitt gekleideten Herrn aussteigen. -- Es war ein stürmischer, grauer Herbstmorgen, schwere Regenwolken hingen grau über der platten Landschaft, einige Möven zogen in ihrem schwanken Fluge kreischend über den Hof und schwebten gleich weißen Sturmvögeln über dem See. Der stoßweis wehende Wind drohte dem aussteigenden alten Herrn den kleinen dreieckigen Hut von der Zopfperrücke zu reißen; doch den Hut festhaltend, und mit im Winde flatternden breiten Rockschößen, ging

Nachdem er diesen wichtigen Brief mit schwerem Herzen vollendet, ergriff der Baas Hut und Stock und schritt in seiner gewöhnlichen, heute mühsam erzwungenen ruhigen Haltung hinaus nach Gouda, wo er den Brief selbst auf die Post gab. Der behutsame, entschlossene Mann wollte seinen unwiderruflichen Entschluß rasch und so sicher wie möglich ausgeführt wissen; deßhalb erfuhr auch die Mutter Sara nichts von seinem Vorhaben.

Und die Voraussetzung auf die Geschäftspünktlichkeit des reichen Handelsherrn Verkolyn täuschte nicht. Am frühen Morgen des Michaeltages steuerte ein schön gemaltes Segelboot mit flatterndem Wimpel, pfeilschnell vor dem Winde auf den Wellen tanzend, gerade über den See dem Zorgenhofe zu, schnitt mit einer scharfen Wendung in den schmalen Wiesenkanal und legte sogleich beim Hofe an. Zwei Matrosen sprangen ans Land und halfen einem alten, äußerst sauber im altmodischen Schnitt gekleideten Herrn aussteigen. — Es war ein stürmischer, grauer Herbstmorgen, schwere Regenwolken hingen grau über der platten Landschaft, einige Möven zogen in ihrem schwanken Fluge kreischend über den Hof und schwebten gleich weißen Sturmvögeln über dem See. Der stoßweis wehende Wind drohte dem aussteigenden alten Herrn den kleinen dreieckigen Hut von der Zopfperrücke zu reißen; doch den Hut festhaltend, und mit im Winde flatternden breiten Rockschößen, ging

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/65>, abgerufen am 21.05.2024.