Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.unverhohlen unter tausend Neckereien, Scherzen und Tändeleien offenbarten. Aber an dem heitern Himmel dieses sorglosen Glückes zogen die Elemente eines zerstörenden Gewittersturmes herauf. Der strenge Hausvater beobachtete mit täglich finsterer werdender Miene seine fröhlichen Kinder. Der verständige, aber in althergebrachten Vorurtheilen starre Baas fand wenig Bedenken dabei, sein Pflegekind einem reichen Freimeister zu vermählen; -- aber mit diesem unehrlichen Kinde sein eigenes Haus -- den makellosen Ruf seines Namens zu beflecken? Nimmermehr! und wenn Galinda die natürliche Tochter des Statthalters von Holland wäre -- die untadelige Ehefrau eines rechtschaffenen Polderbauern konnte sie nicht werden. Lange ging der besorgte Vater mit sich zu Rathe, wie er am sichersten und schnellsten dieses Unheil von seinem Hause abwenden könne. Sein richtiges Gefühl sagte ihm, daß er nicht versuchen dürfe, mit Gewalt diese lodernde Leidenschaft zu ersticken; denn sie würde, unter dem Drucke fortglühend, endlich zum entschlossensten Widerstande gereizt, ihre Fesseln rücksichtslos zerbrechen. -- Den kürzesten und sichersten Weg zum Ziele glaubte der vorsichtige Baas in einer schnellen, unerwartet und für immer eintretenden Trennung zu finden. Dieses Mittel stand ihm leicht zu Gebot. Nachdem er noch einmal den wichtigen Schritt von allen Seiten überlegt, stopfte der verständige Mann sich eines Morgens eine Extrapfeife, ging in sein Arbeitsstübchen, wo ihn Nie- unverhohlen unter tausend Neckereien, Scherzen und Tändeleien offenbarten. Aber an dem heitern Himmel dieses sorglosen Glückes zogen die Elemente eines zerstörenden Gewittersturmes herauf. Der strenge Hausvater beobachtete mit täglich finsterer werdender Miene seine fröhlichen Kinder. Der verständige, aber in althergebrachten Vorurtheilen starre Baas fand wenig Bedenken dabei, sein Pflegekind einem reichen Freimeister zu vermählen; — aber mit diesem unehrlichen Kinde sein eigenes Haus — den makellosen Ruf seines Namens zu beflecken? Nimmermehr! und wenn Galinda die natürliche Tochter des Statthalters von Holland wäre — die untadelige Ehefrau eines rechtschaffenen Polderbauern konnte sie nicht werden. Lange ging der besorgte Vater mit sich zu Rathe, wie er am sichersten und schnellsten dieses Unheil von seinem Hause abwenden könne. Sein richtiges Gefühl sagte ihm, daß er nicht versuchen dürfe, mit Gewalt diese lodernde Leidenschaft zu ersticken; denn sie würde, unter dem Drucke fortglühend, endlich zum entschlossensten Widerstande gereizt, ihre Fesseln rücksichtslos zerbrechen. — Den kürzesten und sichersten Weg zum Ziele glaubte der vorsichtige Baas in einer schnellen, unerwartet und für immer eintretenden Trennung zu finden. Dieses Mittel stand ihm leicht zu Gebot. Nachdem er noch einmal den wichtigen Schritt von allen Seiten überlegt, stopfte der verständige Mann sich eines Morgens eine Extrapfeife, ging in sein Arbeitsstübchen, wo ihn Nie- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0063"/> unverhohlen unter tausend Neckereien, Scherzen und Tändeleien offenbarten. Aber an dem heitern Himmel dieses sorglosen Glückes zogen die Elemente eines zerstörenden Gewittersturmes herauf. Der strenge Hausvater beobachtete mit täglich finsterer werdender Miene seine fröhlichen Kinder. Der verständige, aber in althergebrachten Vorurtheilen starre Baas fand wenig Bedenken dabei, sein Pflegekind einem reichen Freimeister zu vermählen; — aber mit diesem unehrlichen Kinde sein eigenes Haus — den makellosen Ruf seines Namens zu beflecken? Nimmermehr! und wenn Galinda die natürliche Tochter des Statthalters von Holland wäre — die untadelige Ehefrau eines rechtschaffenen Polderbauern konnte sie nicht werden.</p><lb/> <p>Lange ging der besorgte Vater mit sich zu Rathe, wie er am sichersten und schnellsten dieses Unheil von seinem Hause abwenden könne. Sein richtiges Gefühl sagte ihm, daß er nicht versuchen dürfe, mit Gewalt diese lodernde Leidenschaft zu ersticken; denn sie würde, unter dem Drucke fortglühend, endlich zum entschlossensten Widerstande gereizt, ihre Fesseln rücksichtslos zerbrechen. — Den kürzesten und sichersten Weg zum Ziele glaubte der vorsichtige Baas in einer schnellen, unerwartet und für immer eintretenden Trennung zu finden. Dieses Mittel stand ihm leicht zu Gebot. Nachdem er noch einmal den wichtigen Schritt von allen Seiten überlegt, stopfte der verständige Mann sich eines Morgens eine Extrapfeife, ging in sein Arbeitsstübchen, wo ihn Nie-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
unverhohlen unter tausend Neckereien, Scherzen und Tändeleien offenbarten. Aber an dem heitern Himmel dieses sorglosen Glückes zogen die Elemente eines zerstörenden Gewittersturmes herauf. Der strenge Hausvater beobachtete mit täglich finsterer werdender Miene seine fröhlichen Kinder. Der verständige, aber in althergebrachten Vorurtheilen starre Baas fand wenig Bedenken dabei, sein Pflegekind einem reichen Freimeister zu vermählen; — aber mit diesem unehrlichen Kinde sein eigenes Haus — den makellosen Ruf seines Namens zu beflecken? Nimmermehr! und wenn Galinda die natürliche Tochter des Statthalters von Holland wäre — die untadelige Ehefrau eines rechtschaffenen Polderbauern konnte sie nicht werden.
Lange ging der besorgte Vater mit sich zu Rathe, wie er am sichersten und schnellsten dieses Unheil von seinem Hause abwenden könne. Sein richtiges Gefühl sagte ihm, daß er nicht versuchen dürfe, mit Gewalt diese lodernde Leidenschaft zu ersticken; denn sie würde, unter dem Drucke fortglühend, endlich zum entschlossensten Widerstande gereizt, ihre Fesseln rücksichtslos zerbrechen. — Den kürzesten und sichersten Weg zum Ziele glaubte der vorsichtige Baas in einer schnellen, unerwartet und für immer eintretenden Trennung zu finden. Dieses Mittel stand ihm leicht zu Gebot. Nachdem er noch einmal den wichtigen Schritt von allen Seiten überlegt, stopfte der verständige Mann sich eines Morgens eine Extrapfeife, ging in sein Arbeitsstübchen, wo ihn Nie-
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/63>, abgerufen am 22.07.2024. |