Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.liebenswürdige Fröhlichkeit das junge Volk angesteckt. Denn die hübschen holländischen Bürgertöchter liebäugelten und tanzten lieber mit den galanten, leichtfüßigen Winzersöhnen aus der Provence, als mit den derben Goudaer Käsemachern und Thonpfeifendrehern. Daher das junge holländische Geschlecht im Jahre 1809, zur Zeit, wo der Meister Jan von Amsterdam um die schöne Galinda Floor warb, schon viel von seiner Gravität abgelegt hatte. Vor der langen Fronte der schönsten Zeltlinie stand eine Reihe niedriger runder Holzblöcke, gleich Fleischhauerklötzen; jeden derselben umstand ein dicht gedrängter Kreis leidenschaftlicher Wettkämpfer, deren gespannte Aufmerksamkeit auf die Geschicklichkeit der Beilhauer gerichtet war. -- Jeder Haublock bildete nämlich einen Kampfplatz für zwei beilgeübte Männer, welche mit kleinen glänzenden Beilen, nicht drohend gegen einander, sondern auf dünne Lebkuchen haarscharf einhauten. Die auf dem Block liegenden braunen Kuchen hatten die Größe und Form von platten Dachziegeln, und die Geschicklichkeit der Kämpfer bestand darin, diese Kuchen im Zickzack mit drei, vier oder mehr Hieben, je nach den verschiedenen Wettaufgaben, so durchzuhacken, daß in dem Zickzackschnitt kein Fäserchen des zähen Kuchens mehr zusammen hing. -- Die Sieger gewannen entweder das gegen einander gesetzte Geld oder die Preise, welche der Eigenthümer der Kuchenblöcke, nach Verhältniß der Einsätze mehr oder weniger kostbar, bestimmt hatte. liebenswürdige Fröhlichkeit das junge Volk angesteckt. Denn die hübschen holländischen Bürgertöchter liebäugelten und tanzten lieber mit den galanten, leichtfüßigen Winzersöhnen aus der Provence, als mit den derben Goudaer Käsemachern und Thonpfeifendrehern. Daher das junge holländische Geschlecht im Jahre 1809, zur Zeit, wo der Meister Jan von Amsterdam um die schöne Galinda Floor warb, schon viel von seiner Gravität abgelegt hatte. Vor der langen Fronte der schönsten Zeltlinie stand eine Reihe niedriger runder Holzblöcke, gleich Fleischhauerklötzen; jeden derselben umstand ein dicht gedrängter Kreis leidenschaftlicher Wettkämpfer, deren gespannte Aufmerksamkeit auf die Geschicklichkeit der Beilhauer gerichtet war. — Jeder Haublock bildete nämlich einen Kampfplatz für zwei beilgeübte Männer, welche mit kleinen glänzenden Beilen, nicht drohend gegen einander, sondern auf dünne Lebkuchen haarscharf einhauten. Die auf dem Block liegenden braunen Kuchen hatten die Größe und Form von platten Dachziegeln, und die Geschicklichkeit der Kämpfer bestand darin, diese Kuchen im Zickzack mit drei, vier oder mehr Hieben, je nach den verschiedenen Wettaufgaben, so durchzuhacken, daß in dem Zickzackschnitt kein Fäserchen des zähen Kuchens mehr zusammen hing. — Die Sieger gewannen entweder das gegen einander gesetzte Geld oder die Preise, welche der Eigenthümer der Kuchenblöcke, nach Verhältniß der Einsätze mehr oder weniger kostbar, bestimmt hatte. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0053"/> liebenswürdige Fröhlichkeit das junge Volk angesteckt. Denn die hübschen holländischen Bürgertöchter liebäugelten und tanzten lieber mit den galanten, leichtfüßigen Winzersöhnen aus der Provence, als mit den derben Goudaer Käsemachern und Thonpfeifendrehern. Daher das junge holländische Geschlecht im Jahre 1809, zur Zeit, wo der Meister Jan von Amsterdam um die schöne Galinda Floor warb, schon viel von seiner Gravität abgelegt hatte.</p><lb/> <p>Vor der langen Fronte der schönsten Zeltlinie stand eine Reihe niedriger runder Holzblöcke, gleich Fleischhauerklötzen; jeden derselben umstand ein dicht gedrängter Kreis leidenschaftlicher Wettkämpfer, deren gespannte Aufmerksamkeit auf die Geschicklichkeit der Beilhauer gerichtet war. — Jeder Haublock bildete nämlich einen Kampfplatz für zwei beilgeübte Männer, welche mit kleinen glänzenden Beilen, nicht drohend gegen einander, sondern auf dünne Lebkuchen haarscharf einhauten. Die auf dem Block liegenden braunen Kuchen hatten die Größe und Form von platten Dachziegeln, und die Geschicklichkeit der Kämpfer bestand darin, diese Kuchen im Zickzack mit drei, vier oder mehr Hieben, je nach den verschiedenen Wettaufgaben, so durchzuhacken, daß in dem Zickzackschnitt kein Fäserchen des zähen Kuchens mehr zusammen hing. — Die Sieger gewannen entweder das gegen einander gesetzte Geld oder die Preise, welche der Eigenthümer der Kuchenblöcke, nach Verhältniß der Einsätze mehr oder weniger kostbar, bestimmt hatte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
liebenswürdige Fröhlichkeit das junge Volk angesteckt. Denn die hübschen holländischen Bürgertöchter liebäugelten und tanzten lieber mit den galanten, leichtfüßigen Winzersöhnen aus der Provence, als mit den derben Goudaer Käsemachern und Thonpfeifendrehern. Daher das junge holländische Geschlecht im Jahre 1809, zur Zeit, wo der Meister Jan von Amsterdam um die schöne Galinda Floor warb, schon viel von seiner Gravität abgelegt hatte.
Vor der langen Fronte der schönsten Zeltlinie stand eine Reihe niedriger runder Holzblöcke, gleich Fleischhauerklötzen; jeden derselben umstand ein dicht gedrängter Kreis leidenschaftlicher Wettkämpfer, deren gespannte Aufmerksamkeit auf die Geschicklichkeit der Beilhauer gerichtet war. — Jeder Haublock bildete nämlich einen Kampfplatz für zwei beilgeübte Männer, welche mit kleinen glänzenden Beilen, nicht drohend gegen einander, sondern auf dünne Lebkuchen haarscharf einhauten. Die auf dem Block liegenden braunen Kuchen hatten die Größe und Form von platten Dachziegeln, und die Geschicklichkeit der Kämpfer bestand darin, diese Kuchen im Zickzack mit drei, vier oder mehr Hieben, je nach den verschiedenen Wettaufgaben, so durchzuhacken, daß in dem Zickzackschnitt kein Fäserchen des zähen Kuchens mehr zusammen hing. — Die Sieger gewannen entweder das gegen einander gesetzte Geld oder die Preise, welche der Eigenthümer der Kuchenblöcke, nach Verhältniß der Einsätze mehr oder weniger kostbar, bestimmt hatte.
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/53>, abgerufen am 22.07.2024. |