Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Galinda stand am Fenster und trommelte mit den Fingern ungeduldig an den Spiegelscheiben. Nachdem der Baas vom Hause diese Tafelrunde überschaut hatte und Alles gut conditionirt fand, öffnete er den empfangenen Brief, las bedachtsam und sprach dann mit fest betonten Worten: In diesem Briefe avisirt uns Mynheer Verkolyn, daß der wohlhabende Freimeister Jan in geziemender Art angehalten hat, ihm unsere Pflegetochter Galinda Floor als eheliche Hausfrau zukommen zu lassen. Obzwar nun eigentlich Mynheer Verkolyn über dieses Findelkind allein zu disponiren hat, weil Mynheer es uns zur Pflege anvertraut und dafür eine gute Pension stets pünktlich bezahlt -- die ich aber nicht angenommen, sondern für das Kind zur Ausstattung ausgethan und Zins auf Zins gespart habe, -- so will Mynheer Verkolyn diese Negotie doch nicht anders als mit unserem Zuschlag abschließen, angesehen, daß die Galinda in meinem Hause aufgewachsen und unseren Herzen so lieb und werth wie das eigene Kind ist. Also, Mutter Sara, sprich du zuerst, ob du deine Pflegetochter Linda dem scharfen Meister Jan hier geben willst? Geben? Ich soll mein liebes Herzenspflegekind dem Scharfrichter geben? rief Sara mit mütterlicher Entrüstung; nun und nimmermehr! Aber zugeben wirst du doch, fuhr der Baas ruhig rauchend fort, daß deine wilde Linda einen Mann, und einen statthaft tüchtigen Mann, haben muß, der Galinda stand am Fenster und trommelte mit den Fingern ungeduldig an den Spiegelscheiben. Nachdem der Baas vom Hause diese Tafelrunde überschaut hatte und Alles gut conditionirt fand, öffnete er den empfangenen Brief, las bedachtsam und sprach dann mit fest betonten Worten: In diesem Briefe avisirt uns Mynheer Verkolyn, daß der wohlhabende Freimeister Jan in geziemender Art angehalten hat, ihm unsere Pflegetochter Galinda Floor als eheliche Hausfrau zukommen zu lassen. Obzwar nun eigentlich Mynheer Verkolyn über dieses Findelkind allein zu disponiren hat, weil Mynheer es uns zur Pflege anvertraut und dafür eine gute Pension stets pünktlich bezahlt — die ich aber nicht angenommen, sondern für das Kind zur Ausstattung ausgethan und Zins auf Zins gespart habe, — so will Mynheer Verkolyn diese Negotie doch nicht anders als mit unserem Zuschlag abschließen, angesehen, daß die Galinda in meinem Hause aufgewachsen und unseren Herzen so lieb und werth wie das eigene Kind ist. Also, Mutter Sara, sprich du zuerst, ob du deine Pflegetochter Linda dem scharfen Meister Jan hier geben willst? Geben? Ich soll mein liebes Herzenspflegekind dem Scharfrichter geben? rief Sara mit mütterlicher Entrüstung; nun und nimmermehr! Aber zugeben wirst du doch, fuhr der Baas ruhig rauchend fort, daß deine wilde Linda einen Mann, und einen statthaft tüchtigen Mann, haben muß, der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0039"/> <p>Galinda stand am Fenster und trommelte mit den Fingern ungeduldig an den Spiegelscheiben.</p><lb/> <p>Nachdem der Baas vom Hause diese Tafelrunde überschaut hatte und Alles gut conditionirt fand, öffnete er den empfangenen Brief, las bedachtsam und sprach dann mit fest betonten Worten:</p><lb/> <p>In diesem Briefe avisirt uns Mynheer Verkolyn, daß der wohlhabende Freimeister Jan in geziemender Art angehalten hat, ihm unsere Pflegetochter Galinda Floor als eheliche Hausfrau zukommen zu lassen. Obzwar nun eigentlich Mynheer Verkolyn über dieses Findelkind allein zu disponiren hat, weil Mynheer es uns zur Pflege anvertraut und dafür eine gute Pension stets pünktlich bezahlt — die ich aber nicht angenommen, sondern für das Kind zur Ausstattung ausgethan und Zins auf Zins gespart habe, — so will Mynheer Verkolyn diese Negotie doch nicht anders als mit unserem Zuschlag abschließen, angesehen, daß die Galinda in meinem Hause aufgewachsen und unseren Herzen so lieb und werth wie das eigene Kind ist. Also, Mutter Sara, sprich du zuerst, ob du deine Pflegetochter Linda dem scharfen Meister Jan hier geben willst?</p><lb/> <p>Geben? Ich soll mein liebes Herzenspflegekind dem Scharfrichter geben? rief Sara mit mütterlicher Entrüstung; nun und nimmermehr!</p><lb/> <p>Aber zugeben wirst du doch, fuhr der Baas ruhig rauchend fort, daß deine wilde Linda einen Mann, und einen statthaft tüchtigen Mann, haben muß, der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Galinda stand am Fenster und trommelte mit den Fingern ungeduldig an den Spiegelscheiben.
Nachdem der Baas vom Hause diese Tafelrunde überschaut hatte und Alles gut conditionirt fand, öffnete er den empfangenen Brief, las bedachtsam und sprach dann mit fest betonten Worten:
In diesem Briefe avisirt uns Mynheer Verkolyn, daß der wohlhabende Freimeister Jan in geziemender Art angehalten hat, ihm unsere Pflegetochter Galinda Floor als eheliche Hausfrau zukommen zu lassen. Obzwar nun eigentlich Mynheer Verkolyn über dieses Findelkind allein zu disponiren hat, weil Mynheer es uns zur Pflege anvertraut und dafür eine gute Pension stets pünktlich bezahlt — die ich aber nicht angenommen, sondern für das Kind zur Ausstattung ausgethan und Zins auf Zins gespart habe, — so will Mynheer Verkolyn diese Negotie doch nicht anders als mit unserem Zuschlag abschließen, angesehen, daß die Galinda in meinem Hause aufgewachsen und unseren Herzen so lieb und werth wie das eigene Kind ist. Also, Mutter Sara, sprich du zuerst, ob du deine Pflegetochter Linda dem scharfen Meister Jan hier geben willst?
Geben? Ich soll mein liebes Herzenspflegekind dem Scharfrichter geben? rief Sara mit mütterlicher Entrüstung; nun und nimmermehr!
Aber zugeben wirst du doch, fuhr der Baas ruhig rauchend fort, daß deine wilde Linda einen Mann, und einen statthaft tüchtigen Mann, haben muß, der
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/39>, abgerufen am 26.07.2024. |