Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.chinesischen Atlasdecken und mit allerlei indischen Nippsachen, Muscheln, Porzellanfiguren, Theebüchsen, Perlmutterkästchen und dergleichen beladen. Schwere Vorhänge von Purpuratlas und gleich prächtige Lehnstühle von Acajou, ringsum an der Wand stehend, und, wie das breite Kanapee, mit rothserdenen Damastpolstern belegt, vollendeten das Bauernprunkzimmer, wie sie in Holland zu den Merkwürdigkeiten gehören, die kein aufmerksamer Reisender unbesucht läßt. Wir müssen hier die Umständlichkeit unserer Erzählung mit deren Schauplatz entschuldigen; denn in Holland können wir schicklicherweise nicht umhin, der etwas breiten und gemessenen Landessitte zu folgen, welche alle hastige Redweise oder gar einen leidenschaftlichen Aufschwung des Gefühls mit ernsthaftem Phlegma zügelt und in wohlanständigen Schranken hält. -- In dieser Stimmung sehen wir die Gesellschaft in der Mitte des Staatszimmers an dem großen runden Acajoutisch auf Sesseln ringsum Platz nehmen; der Entenpeter verzog keine Miene, als er im Spiegelglanz der rund polirten Tischplatte sein breit verzogenes Antlitz betrachtete. Drudje präsentirte den Männern zuerst lange weiße Thonpfeifen aus Gouda's bester Fabrik, setzte das Quispeldortje (vasenförmiger Spuckbecher) mitten auf den Tisch und nahm erst neben ihrer Mutter Platz, als die duftenden Kanasterwölkchen aus den ernsten Männergesichtern dampften. chinesischen Atlasdecken und mit allerlei indischen Nippsachen, Muscheln, Porzellanfiguren, Theebüchsen, Perlmutterkästchen und dergleichen beladen. Schwere Vorhänge von Purpuratlas und gleich prächtige Lehnstühle von Acajou, ringsum an der Wand stehend, und, wie das breite Kanapee, mit rothserdenen Damastpolstern belegt, vollendeten das Bauernprunkzimmer, wie sie in Holland zu den Merkwürdigkeiten gehören, die kein aufmerksamer Reisender unbesucht läßt. Wir müssen hier die Umständlichkeit unserer Erzählung mit deren Schauplatz entschuldigen; denn in Holland können wir schicklicherweise nicht umhin, der etwas breiten und gemessenen Landessitte zu folgen, welche alle hastige Redweise oder gar einen leidenschaftlichen Aufschwung des Gefühls mit ernsthaftem Phlegma zügelt und in wohlanständigen Schranken hält. — In dieser Stimmung sehen wir die Gesellschaft in der Mitte des Staatszimmers an dem großen runden Acajoutisch auf Sesseln ringsum Platz nehmen; der Entenpeter verzog keine Miene, als er im Spiegelglanz der rund polirten Tischplatte sein breit verzogenes Antlitz betrachtete. Drudje präsentirte den Männern zuerst lange weiße Thonpfeifen aus Gouda's bester Fabrik, setzte das Quispeldortje (vasenförmiger Spuckbecher) mitten auf den Tisch und nahm erst neben ihrer Mutter Platz, als die duftenden Kanasterwölkchen aus den ernsten Männergesichtern dampften. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0038"/> chinesischen Atlasdecken und mit allerlei indischen Nippsachen, Muscheln, Porzellanfiguren, Theebüchsen, Perlmutterkästchen und dergleichen beladen. Schwere Vorhänge von Purpuratlas und gleich prächtige Lehnstühle von Acajou, ringsum an der Wand stehend, und, wie das breite Kanapee, mit rothserdenen Damastpolstern belegt, vollendeten das Bauernprunkzimmer, wie sie in Holland zu den Merkwürdigkeiten gehören, die kein aufmerksamer Reisender unbesucht läßt.</p><lb/> <p>Wir müssen hier die Umständlichkeit unserer Erzählung mit deren Schauplatz entschuldigen; denn in Holland können wir schicklicherweise nicht umhin, der etwas breiten und gemessenen Landessitte zu folgen, welche alle hastige Redweise oder gar einen leidenschaftlichen Aufschwung des Gefühls mit ernsthaftem Phlegma zügelt und in wohlanständigen Schranken hält. — In dieser Stimmung sehen wir die Gesellschaft in der Mitte des Staatszimmers an dem großen runden Acajoutisch auf Sesseln ringsum Platz nehmen; der Entenpeter verzog keine Miene, als er im Spiegelglanz der rund polirten Tischplatte sein breit verzogenes Antlitz betrachtete. Drudje präsentirte den Männern zuerst lange weiße Thonpfeifen aus Gouda's bester Fabrik, setzte das Quispeldortje (vasenförmiger Spuckbecher) mitten auf den Tisch und nahm erst neben ihrer Mutter Platz, als die duftenden Kanasterwölkchen aus den ernsten Männergesichtern dampften.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
chinesischen Atlasdecken und mit allerlei indischen Nippsachen, Muscheln, Porzellanfiguren, Theebüchsen, Perlmutterkästchen und dergleichen beladen. Schwere Vorhänge von Purpuratlas und gleich prächtige Lehnstühle von Acajou, ringsum an der Wand stehend, und, wie das breite Kanapee, mit rothserdenen Damastpolstern belegt, vollendeten das Bauernprunkzimmer, wie sie in Holland zu den Merkwürdigkeiten gehören, die kein aufmerksamer Reisender unbesucht läßt.
Wir müssen hier die Umständlichkeit unserer Erzählung mit deren Schauplatz entschuldigen; denn in Holland können wir schicklicherweise nicht umhin, der etwas breiten und gemessenen Landessitte zu folgen, welche alle hastige Redweise oder gar einen leidenschaftlichen Aufschwung des Gefühls mit ernsthaftem Phlegma zügelt und in wohlanständigen Schranken hält. — In dieser Stimmung sehen wir die Gesellschaft in der Mitte des Staatszimmers an dem großen runden Acajoutisch auf Sesseln ringsum Platz nehmen; der Entenpeter verzog keine Miene, als er im Spiegelglanz der rund polirten Tischplatte sein breit verzogenes Antlitz betrachtete. Drudje präsentirte den Männern zuerst lange weiße Thonpfeifen aus Gouda's bester Fabrik, setzte das Quispeldortje (vasenförmiger Spuckbecher) mitten auf den Tisch und nahm erst neben ihrer Mutter Platz, als die duftenden Kanasterwölkchen aus den ernsten Männergesichtern dampften.
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/38>, abgerufen am 16.07.2024. |