Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihnen vorlieb zu nehmen. -- Während Piet sich dieser Einladung mit ernstem Anstande und tüchtigem Zulangen würdig zu bezeigen suchte, nahm Drudje mit ehrbarer Geschäftsmiene neben ihrer Mutter Platz, und nun wurde das Frühmahl mit derselben gemessenen und aufmerksamen Beharrlichkeit eingenommen, als sei dieser Genuß eine der wichtigsten Tagesarbeiten. Noch war diese stärkende Arbeit nicht ganz vollendet, und die Frau Sara versuchte von neuem, die Frage über Bertold's Abwesenheit ins Gespräch zu bringen, als draußen Hufschlag ertönte. Dieses Geräusch war zur Sommerszeit im Zorgenhof so ungewohnt, daß Alle, erschrocken aufspringend, an die Fenster eilten. Seit der Zeit, daß die französischen Revolutionsheere Holland plündernd überschwärmten, verkündete solcher Hufschlag den Polderwirthen gewöhnlich die Ankunft habsüchtiger Marodeurs. Diesmal wurde jedoch diese bange Erwartung getäuscht; ein stattlicher Mann stieg von einem mächtigen schwarzen Hengst, dessen Sattel und Zaumzeug mit massivem Silber schwer verziert prunkte; sogar das Gebiß und die breiten Steigbügel waren aus diesem kostbaren Metall kunstreich geformt. Ungeachtet der vornehmen Erscheinung des Reiters, ging der Polderwirth doch nicht von der Stelle, ihn zu empfangen. Mit unbeweglichem Ernst sah er hinaus, wie der Fremde seinem wohlgekleideten Diener den Zügel überließ und der Bursche alsdann die Gäule nicht in den Stall, sondern vor dem Wohnhause auf- und ihnen vorlieb zu nehmen. — Während Piet sich dieser Einladung mit ernstem Anstande und tüchtigem Zulangen würdig zu bezeigen suchte, nahm Drudje mit ehrbarer Geschäftsmiene neben ihrer Mutter Platz, und nun wurde das Frühmahl mit derselben gemessenen und aufmerksamen Beharrlichkeit eingenommen, als sei dieser Genuß eine der wichtigsten Tagesarbeiten. Noch war diese stärkende Arbeit nicht ganz vollendet, und die Frau Sara versuchte von neuem, die Frage über Bertold's Abwesenheit ins Gespräch zu bringen, als draußen Hufschlag ertönte. Dieses Geräusch war zur Sommerszeit im Zorgenhof so ungewohnt, daß Alle, erschrocken aufspringend, an die Fenster eilten. Seit der Zeit, daß die französischen Revolutionsheere Holland plündernd überschwärmten, verkündete solcher Hufschlag den Polderwirthen gewöhnlich die Ankunft habsüchtiger Marodeurs. Diesmal wurde jedoch diese bange Erwartung getäuscht; ein stattlicher Mann stieg von einem mächtigen schwarzen Hengst, dessen Sattel und Zaumzeug mit massivem Silber schwer verziert prunkte; sogar das Gebiß und die breiten Steigbügel waren aus diesem kostbaren Metall kunstreich geformt. Ungeachtet der vornehmen Erscheinung des Reiters, ging der Polderwirth doch nicht von der Stelle, ihn zu empfangen. Mit unbeweglichem Ernst sah er hinaus, wie der Fremde seinem wohlgekleideten Diener den Zügel überließ und der Bursche alsdann die Gäule nicht in den Stall, sondern vor dem Wohnhause auf- und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0032"/> ihnen vorlieb zu nehmen. — Während Piet sich dieser Einladung mit ernstem Anstande und tüchtigem Zulangen würdig zu bezeigen suchte, nahm Drudje mit ehrbarer Geschäftsmiene neben ihrer Mutter Platz, und nun wurde das Frühmahl mit derselben gemessenen und aufmerksamen Beharrlichkeit eingenommen, als sei dieser Genuß eine der wichtigsten Tagesarbeiten.</p><lb/> <p>Noch war diese stärkende Arbeit nicht ganz vollendet, und die Frau Sara versuchte von neuem, die Frage über Bertold's Abwesenheit ins Gespräch zu bringen, als draußen Hufschlag ertönte. Dieses Geräusch war zur Sommerszeit im Zorgenhof so ungewohnt, daß Alle, erschrocken aufspringend, an die Fenster eilten. Seit der Zeit, daß die französischen Revolutionsheere Holland plündernd überschwärmten, verkündete solcher Hufschlag den Polderwirthen gewöhnlich die Ankunft habsüchtiger Marodeurs. Diesmal wurde jedoch diese bange Erwartung getäuscht; ein stattlicher Mann stieg von einem mächtigen schwarzen Hengst, dessen Sattel und Zaumzeug mit massivem Silber schwer verziert prunkte; sogar das Gebiß und die breiten Steigbügel waren aus diesem kostbaren Metall kunstreich geformt.</p><lb/> <p>Ungeachtet der vornehmen Erscheinung des Reiters, ging der Polderwirth doch nicht von der Stelle, ihn zu empfangen. Mit unbeweglichem Ernst sah er hinaus, wie der Fremde seinem wohlgekleideten Diener den Zügel überließ und der Bursche alsdann die Gäule nicht in den Stall, sondern vor dem Wohnhause auf- und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
ihnen vorlieb zu nehmen. — Während Piet sich dieser Einladung mit ernstem Anstande und tüchtigem Zulangen würdig zu bezeigen suchte, nahm Drudje mit ehrbarer Geschäftsmiene neben ihrer Mutter Platz, und nun wurde das Frühmahl mit derselben gemessenen und aufmerksamen Beharrlichkeit eingenommen, als sei dieser Genuß eine der wichtigsten Tagesarbeiten.
Noch war diese stärkende Arbeit nicht ganz vollendet, und die Frau Sara versuchte von neuem, die Frage über Bertold's Abwesenheit ins Gespräch zu bringen, als draußen Hufschlag ertönte. Dieses Geräusch war zur Sommerszeit im Zorgenhof so ungewohnt, daß Alle, erschrocken aufspringend, an die Fenster eilten. Seit der Zeit, daß die französischen Revolutionsheere Holland plündernd überschwärmten, verkündete solcher Hufschlag den Polderwirthen gewöhnlich die Ankunft habsüchtiger Marodeurs. Diesmal wurde jedoch diese bange Erwartung getäuscht; ein stattlicher Mann stieg von einem mächtigen schwarzen Hengst, dessen Sattel und Zaumzeug mit massivem Silber schwer verziert prunkte; sogar das Gebiß und die breiten Steigbügel waren aus diesem kostbaren Metall kunstreich geformt.
Ungeachtet der vornehmen Erscheinung des Reiters, ging der Polderwirth doch nicht von der Stelle, ihn zu empfangen. Mit unbeweglichem Ernst sah er hinaus, wie der Fremde seinem wohlgekleideten Diener den Zügel überließ und der Bursche alsdann die Gäule nicht in den Stall, sondern vor dem Wohnhause auf- und
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/32>, abgerufen am 16.07.2024. |