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Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

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Freuden- und Trauer-Oden.

War klein, so zierlich abgemessen,
Daß, wenn sie solchen nur geregt,
Mein Herze sich zugleich bewegt.

Seht, welche wohlgezogne Minen,
Die immer in dem vollen Licht,
Dem Zorn und der Verstellung nicht
Zum Aufgebot verräthrisch dienen,
Sie sind sich immer einerley,
Entzückend, ungezwungen, frey.
O welche neuentdeckte Sprache!
Wie spielt sie so gedankenreich,
Der Götter Mundart ist sie gleich,
Die ich mir nur bekannter mache;
Ein einziger verliebter Zug
Jst mir schon sinn- und wortreich gnug.
Zwey Grübgen in den beyden Wangen,
Worinnen Anmuth sich versteckt,
Wenn sie ein Lächeln hat erweckt,
Die nehmen bald den Geist gefangen;
Jn dieser schön vertieften Spuhr
Steigt erst die bildende Natur.
Ein recht erhaben geistlich Wesen,
Das denkt und will, sich Seele nennt,
Und das allein sich selbsten kennt,
Hat solche Wohnung sich erlesen,
Wo die Natur mit ihrer Pracht
Sich immer viel zu thun gemacht.
Wie
S 2

Freuden- und Trauer-Oden.

War klein, ſo zierlich abgemeſſen,
Daß, wenn ſie ſolchen nur geregt,
Mein Herze ſich zugleich bewegt.

Seht, welche wohlgezogne Minen,
Die immer in dem vollen Licht,
Dem Zorn und der Verſtellung nicht
Zum Aufgebot verraͤthriſch dienen,
Sie ſind ſich immer einerley,
Entzuͤckend, ungezwungen, frey.
O welche neuentdeckte Sprache!
Wie ſpielt ſie ſo gedankenreich,
Der Goͤtter Mundart iſt ſie gleich,
Die ich mir nur bekannter mache;
Ein einziger verliebter Zug
Jſt mir ſchon ſinn- und wortreich gnug.
Zwey Gruͤbgen in den beyden Wangen,
Worinnen Anmuth ſich verſteckt,
Wenn ſie ein Laͤcheln hat erweckt,
Die nehmen bald den Geiſt gefangen;
Jn dieſer ſchoͤn vertieften Spuhr
Steigt erſt die bildende Natur.
Ein recht erhaben geiſtlich Weſen,
Das denkt und will, ſich Seele nennt,
Und das allein ſich ſelbſten kennt,
Hat ſolche Wohnung ſich erleſen,
Wo die Natur mit ihrer Pracht
Sich immer viel zu thun gemacht.
Wie
S 2
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[275/0295] Freuden- und Trauer-Oden. War klein, ſo zierlich abgemeſſen, Daß, wenn ſie ſolchen nur geregt, Mein Herze ſich zugleich bewegt. Seht, welche wohlgezogne Minen, Die immer in dem vollen Licht, Dem Zorn und der Verſtellung nicht Zum Aufgebot verraͤthriſch dienen, Sie ſind ſich immer einerley, Entzuͤckend, ungezwungen, frey. O welche neuentdeckte Sprache! Wie ſpielt ſie ſo gedankenreich, Der Goͤtter Mundart iſt ſie gleich, Die ich mir nur bekannter mache; Ein einziger verliebter Zug Jſt mir ſchon ſinn- und wortreich gnug. Zwey Gruͤbgen in den beyden Wangen, Worinnen Anmuth ſich verſteckt, Wenn ſie ein Laͤcheln hat erweckt, Die nehmen bald den Geiſt gefangen; Jn dieſer ſchoͤn vertieften Spuhr Steigt erſt die bildende Natur. Ein recht erhaben geiſtlich Weſen, Das denkt und will, ſich Seele nennt, Und das allein ſich ſelbſten kennt, Hat ſolche Wohnung ſich erleſen, Wo die Natur mit ihrer Pracht Sich immer viel zu thun gemacht. Wie S 2

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Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/295>, abgerufen am 24.11.2024.