Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Sol
doch unser b schon mitbegriffen war, ein, und theilte
es in sieben Hexachorde, oder Leitern von sechs auf
einander folgenden Tönen ab; drey davon enthielten
die Töne g a h c d e, zwey die Töne c d e f g a,
und zwey die Töne f g a b c d nach ihren verschie-
denen Octaven, denen er die erwähnten sechs Syl-
ben, die die Anfangssylben der ersten sechs Zeilen
eines damals gebräuchlichen Hymnus an den heili-
gen Johannes sind, unterlegte, so daß mi fa alle-
zeit unter dem halben Ton, der sich in jedem dieser
Hexachorde von der dritten zur vierten Stufe befin-
det, zu stehen kam. Die drey Hexachorde von g
bis e wurden in der Folge das harte, die zwey von
o bis a das natürliche und die zwey von f bis d
das weiche Hexachord genennet. So lange keines
dieser Hexachorde in der Melodie überschritten wur-
de, behielt jeder Ton seine ihm eigne Sylbe in der
Solmisation: stieg oder fiel der Gesang aber über
oder unter dem Umfang einer dieser Sexten, oder
welches einerley ist, gieng die Melodie in ein ande-
res Hexachord über, so mußten die Sylben mutirt
werden, damit das mi fa wieder an seinen Ort zu
stehen käme. Daher entstanden Regeln, wie die
Mutation der Sylben bey den Uebergängen der
Hexachorde geschehen müsse. Dem ohngeachtet konn-
ten bey der Mannichfaltigkeit der Fortschreitungen
des Gesanges, die Sylben mi fa nicht allezeit bey ei-
ner kleinen Secundenfortschreitung ohne den Schü-
ler zu verwirren, möglich gemacht werden; man
bewilligte daher unter gewissen Einschränkungen noch
die Sylben la fa zu der Fortschreitung in einen hal-
ben Ton. Durch diese Benennungen wurden dem
Schüler, wenn er erst die Regeln der Mutation
inne hatte, so wohl die Schwierigkeit, die halben
Töne in den alten Tonarten zu treffen, als auch
überhaupt alle Jntervallen, in sofern sie in jedem
Hexachord nach denselben Sylben gesungen wurden,
erleichtert.

Als aber nach der Zeit durch die Einführung des
chromatischen und enharmonischen zu dem diatoni-
schen Geschlecht das System der Musik um vieles
erweitert, und die alten diatonischen Tonarten um
einen oder mehrere Töne höher oder tiefer transpo-
nirt werden konnten, wurden dadurch, daß die Syl-
ben mit allen Mutationen mit jeder transponirten
Tonart zugleich transponirt werden mußten, die
[Spaltenumbruch]

Sol
Schwierigkeiten der Solmisation so sehr vergrößert,
und die Nothwendigkeit der Octavengattungen so
offenbar, daß ohngeachtet der eifrigen Solmisations-
verfechter dennoch der meiste Theil der Tonkünstler
davon abgieng, und entweder wie die Franzosen
den sechs Sylben noch die siebente zusezten, oder
wie die Holländer sieben neue Sylben erfanden, oder
wie die Deutschen bey der natürlichen Benennung
der Töne stehen blieben, und danach ohne Muta-
tion solfeggirten (*).

Die Solmisation hat sich noch in Jtalien, und
in einigen Gegenden Deutschlands erhalten, aber,
wie man leicht denken kann, mit vielen Abände-
rungen. Selbst Buttstett, der ein eifriger Versech-
ter derselben war, und es dem Mattheson gar nicht
vergessen konnte, daß er die ganze Solmisation, mit
der man doch einst im Himmel musiciren werde, zu
Grabe gebracht (*), muß doch in seiner Vertheidi-
digung derselben (+) zugeben, daß bey den chroma-
tischen Tönen cis, dis, sis, gis in C dur die Stim-
me erhoben werden müsse, weil sie keine eigene Be-
nennung haben; auch erlaubt er statt fa, ni zu sin-
gen, wenn vor f ein x steht (*). Er hat aber
vollkommen Recht, wenn er behauptet, daß die
Solmisation die leichteste Methode sey, den Sing-
schülern Stüke und Choräle aus den alten Tonarten
wo die chromatischen Töne nicht vorkommen, tref-
fen zu lernen.

Jn Fugen hat die Solmisation auch den Nuzen,
daß sie lehret, wie der Gefährte dem Führer durch
die Anbringung des Mi sa zu antworten hat, doch
nur in der Jonischen Tonart; in den andern Ton-
arten bestimmt das mi sa die Antwort nicht allezeit,
wie an einem andern Ort gezeiget worden (*).

Solo.
(Musik.)

Man bedient sich dieses italiänischen Wortes, um
ein Stük, oder solche Theile eines Stüks, wo ein
Hauptinstrument mit oder ohne Begleitung sich al-
lein hören läßt, zu bezeichnen. Jm ersten Ver-
stande sagt man: ein Violin- ein Flötensolo; und
von demjenigen, der ein solches Solo vorträgt, sagt
man: er sey ein Solospieler.

Ein solches Solo, welches auch oft Sonate ge-
nennet wird, besteht wie diese insgemein aus drey

Stü-
(*) S den
vorhergeh.
Artikel.
(*) S des-
sen neuer-
öffnetes
Orchestre,
2. Th.
(+) [Spaltenumbruch]
Unter dem Titel: Ut, re, mi, sa, sol, la, tota
[Spaltenumbruch] Musica & Harmonia aeterna.
(*) S. 226.
(*) S Fu-
ge.
U u u u u u 2

[Spaltenumbruch]

Sol
doch unſer b ſchon mitbegriffen war, ein, und theilte
es in ſieben Hexachorde, oder Leitern von ſechs auf
einander folgenden Toͤnen ab; drey davon enthielten
die Toͤne g a h c d e, zwey die Toͤne c d e f g a,
und zwey die Toͤne f g a b c d nach ihren verſchie-
denen Octaven, denen er die erwaͤhnten ſechs Syl-
ben, die die Anfangsſylben der erſten ſechs Zeilen
eines damals gebraͤuchlichen Hymnus an den heili-
gen Johannes ſind, unterlegte, ſo daß mi fa alle-
zeit unter dem halben Ton, der ſich in jedem dieſer
Hexachorde von der dritten zur vierten Stufe befin-
det, zu ſtehen kam. Die drey Hexachorde von g
bis e wurden in der Folge das harte, die zwey von
o bis a das natuͤrliche und die zwey von f bis d
das weiche Hexachord genennet. So lange keines
dieſer Hexachorde in der Melodie uͤberſchritten wur-
de, behielt jeder Ton ſeine ihm eigne Sylbe in der
Solmiſation: ſtieg oder fiel der Geſang aber uͤber
oder unter dem Umfang einer dieſer Sexten, oder
welches einerley iſt, gieng die Melodie in ein ande-
res Hexachord uͤber, ſo mußten die Sylben mutirt
werden, damit das mi fa wieder an ſeinen Ort zu
ſtehen kaͤme. Daher entſtanden Regeln, wie die
Mutation der Sylben bey den Uebergaͤngen der
Hexachorde geſchehen muͤſſe. Dem ohngeachtet konn-
ten bey der Mannichfaltigkeit der Fortſchreitungen
des Geſanges, die Sylben mi fa nicht allezeit bey ei-
ner kleinen Secundenfortſchreitung ohne den Schuͤ-
ler zu verwirren, moͤglich gemacht werden; man
bewilligte daher unter gewiſſen Einſchraͤnkungen noch
die Sylben la fa zu der Fortſchreitung in einen hal-
ben Ton. Durch dieſe Benennungen wurden dem
Schuͤler, wenn er erſt die Regeln der Mutation
inne hatte, ſo wohl die Schwierigkeit, die halben
Toͤne in den alten Tonarten zu treffen, als auch
uͤberhaupt alle Jntervallen, in ſofern ſie in jedem
Hexachord nach denſelben Sylben geſungen wurden,
erleichtert.

Als aber nach der Zeit durch die Einfuͤhrung des
chromatiſchen und enharmoniſchen zu dem diatoni-
ſchen Geſchlecht das Syſtem der Muſik um vieles
erweitert, und die alten diatoniſchen Tonarten um
einen oder mehrere Toͤne hoͤher oder tiefer transpo-
nirt werden konnten, wurden dadurch, daß die Syl-
ben mit allen Mutationen mit jeder transponirten
Tonart zugleich transponirt werden mußten, die
[Spaltenumbruch]

Sol
Schwierigkeiten der Solmiſation ſo ſehr vergroͤßert,
und die Nothwendigkeit der Octavengattungen ſo
offenbar, daß ohngeachtet der eifrigen Solmiſations-
verfechter dennoch der meiſte Theil der Tonkuͤnſtler
davon abgieng, und entweder wie die Franzoſen
den ſechs Sylben noch die ſiebente zuſezten, oder
wie die Hollaͤnder ſieben neue Sylben erfanden, oder
wie die Deutſchen bey der natuͤrlichen Benennung
der Toͤne ſtehen blieben, und danach ohne Muta-
tion ſolfeggirten (*).

Die Solmiſation hat ſich noch in Jtalien, und
in einigen Gegenden Deutſchlands erhalten, aber,
wie man leicht denken kann, mit vielen Abaͤnde-
rungen. Selbſt Buttſtett, der ein eifriger Verſech-
ter derſelben war, und es dem Mattheſon gar nicht
vergeſſen konnte, daß er die ganze Solmiſation, mit
der man doch einſt im Himmel muſiciren werde, zu
Grabe gebracht (*), muß doch in ſeiner Vertheidi-
digung derſelben (†) zugeben, daß bey den chroma-
tiſchen Toͤnen cis, dis, ſis, gis in C dur die Stim-
me erhoben werden muͤſſe, weil ſie keine eigene Be-
nennung haben; auch erlaubt er ſtatt fa, ni zu ſin-
gen, wenn vor f ein x ſteht (*). Er hat aber
vollkommen Recht, wenn er behauptet, daß die
Solmiſation die leichteſte Methode ſey, den Sing-
ſchuͤlern Stuͤke und Choraͤle aus den alten Tonarten
wo die chromatiſchen Toͤne nicht vorkommen, tref-
fen zu lernen.

Jn Fugen hat die Solmiſation auch den Nuzen,
daß ſie lehret, wie der Gefaͤhrte dem Fuͤhrer durch
die Anbringung des Mi ſa zu antworten hat, doch
nur in der Joniſchen Tonart; in den andern Ton-
arten beſtimmt das mi ſa die Antwort nicht allezeit,
wie an einem andern Ort gezeiget worden (*).

Solo.
(Muſik.)

Man bedient ſich dieſes italiaͤniſchen Wortes, um
ein Stuͤk, oder ſolche Theile eines Stuͤks, wo ein
Hauptinſtrument mit oder ohne Begleitung ſich al-
lein hoͤren laͤßt, zu bezeichnen. Jm erſten Ver-
ſtande ſagt man: ein Violin- ein Floͤtenſolo; und
von demjenigen, der ein ſolches Solo vortraͤgt, ſagt
man: er ſey ein Soloſpieler.

Ein ſolches Solo, welches auch oft Sonate ge-
nennet wird, beſteht wie dieſe insgemein aus drey

Stuͤ-
(*) S den
vorhergeh.
Artikel.
(*) S deſ-
ſen neuer-
oͤffnetes
Orcheſtre,
2. Th.
(†) [Spaltenumbruch]
Unter dem Titel: Ut, re, mi, ſa, ſol, la, tota
[Spaltenumbruch] Muſica & Harmonia æterna.
(*) S. 226.
(*) S Fu-
ge.
U u u u u u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0522" n="1093[1075]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sol</hi></fw><lb/>
doch un&#x017F;er <hi rendition="#fr">b</hi> &#x017F;chon mitbegriffen war, ein, und theilte<lb/>
es in &#x017F;ieben Hexachorde, oder Leitern von &#x017F;echs auf<lb/>
einander folgenden To&#x0364;nen ab; drey davon enthielten<lb/>
die To&#x0364;ne g a h c d e, zwey die To&#x0364;ne c d e f g a,<lb/>
und zwey die To&#x0364;ne f g a b c d nach ihren ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Octaven, denen er die erwa&#x0364;hnten &#x017F;echs Syl-<lb/>
ben, die die Anfangs&#x017F;ylben der er&#x017F;ten &#x017F;echs Zeilen<lb/>
eines damals gebra&#x0364;uchlichen Hymnus an den heili-<lb/>
gen Johannes &#x017F;ind, unterlegte, &#x017F;o daß <hi rendition="#aq">mi fa</hi> alle-<lb/>
zeit unter dem halben Ton, der &#x017F;ich in jedem die&#x017F;er<lb/>
Hexachorde von der dritten zur vierten Stufe befin-<lb/>
det, zu &#x017F;tehen kam. Die drey Hexachorde von g<lb/>
bis e wurden in der Folge das harte, die zwey von<lb/>
o bis a das natu&#x0364;rliche und die zwey von f bis d<lb/>
das weiche Hexachord genennet. So lange keines<lb/>
die&#x017F;er Hexachorde in der Melodie u&#x0364;ber&#x017F;chritten wur-<lb/>
de, behielt jeder Ton &#x017F;eine ihm eigne Sylbe in der<lb/>
Solmi&#x017F;ation: &#x017F;tieg oder fiel der Ge&#x017F;ang aber u&#x0364;ber<lb/>
oder unter dem Umfang einer die&#x017F;er Sexten, oder<lb/>
welches einerley i&#x017F;t, gieng die Melodie in ein ande-<lb/>
res Hexachord u&#x0364;ber, &#x017F;o mußten die Sylben mutirt<lb/>
werden, damit das <hi rendition="#aq">mi fa</hi> wieder an &#x017F;einen Ort zu<lb/>
&#x017F;tehen ka&#x0364;me. Daher ent&#x017F;tanden Regeln, wie die<lb/>
Mutation der Sylben bey den Ueberga&#x0364;ngen der<lb/>
Hexachorde ge&#x017F;chehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Dem ohngeachtet konn-<lb/>
ten bey der Mannichfaltigkeit der Fort&#x017F;chreitungen<lb/>
des Ge&#x017F;anges, die Sylben <hi rendition="#aq">mi fa</hi> nicht allezeit bey ei-<lb/>
ner kleinen Secundenfort&#x017F;chreitung ohne den Schu&#x0364;-<lb/>
ler zu verwirren, mo&#x0364;glich gemacht werden; man<lb/>
bewilligte daher unter gewi&#x017F;&#x017F;en Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen noch<lb/>
die Sylben <hi rendition="#aq">la fa</hi> zu der Fort&#x017F;chreitung in einen hal-<lb/>
ben Ton. Durch die&#x017F;e Benennungen wurden dem<lb/>
Schu&#x0364;ler, wenn er er&#x017F;t die Regeln der Mutation<lb/>
inne hatte, &#x017F;o wohl die Schwierigkeit, die halben<lb/>
To&#x0364;ne in den alten Tonarten zu treffen, als auch<lb/>
u&#x0364;berhaupt alle Jntervallen, in &#x017F;ofern &#x017F;ie in jedem<lb/>
Hexachord nach den&#x017F;elben Sylben ge&#x017F;ungen wurden,<lb/>
erleichtert.</p><lb/>
          <p>Als aber nach der Zeit durch die Einfu&#x0364;hrung des<lb/>
chromati&#x017F;chen und enharmoni&#x017F;chen zu dem diatoni-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;chlecht das Sy&#x017F;tem der Mu&#x017F;ik um vieles<lb/>
erweitert, und die alten diatoni&#x017F;chen Tonarten um<lb/>
einen oder mehrere To&#x0364;ne ho&#x0364;her oder tiefer transpo-<lb/>
nirt werden konnten, wurden dadurch, daß die Syl-<lb/>
ben mit allen Mutationen mit jeder transponirten<lb/>
Tonart zugleich transponirt werden mußten, die<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sol</hi></fw><lb/>
Schwierigkeiten der Solmi&#x017F;ation &#x017F;o &#x017F;ehr vergro&#x0364;ßert,<lb/>
und die Nothwendigkeit der Octavengattungen &#x017F;o<lb/>
offenbar, daß ohngeachtet der eifrigen Solmi&#x017F;ations-<lb/>
verfechter dennoch der mei&#x017F;te Theil der Tonku&#x0364;n&#x017F;tler<lb/>
davon abgieng, und entweder wie die Franzo&#x017F;en<lb/>
den &#x017F;echs Sylben noch die &#x017F;iebente zu&#x017F;ezten, oder<lb/>
wie die Holla&#x0364;nder &#x017F;ieben neue Sylben erfanden, oder<lb/>
wie die Deut&#x017F;chen bey der natu&#x0364;rlichen Benennung<lb/>
der To&#x0364;ne &#x017F;tehen blieben, und danach ohne Muta-<lb/>
tion &#x017F;olfeggirten <note place="foot" n="(*)">S den<lb/>
vorhergeh.<lb/>
Artikel.</note>.</p><lb/>
          <p>Die Solmi&#x017F;ation hat &#x017F;ich noch in Jtalien, und<lb/>
in einigen Gegenden Deut&#x017F;chlands erhalten, aber,<lb/>
wie man leicht denken kann, mit vielen Aba&#x0364;nde-<lb/>
rungen. Selb&#x017F;t <hi rendition="#fr">Butt&#x017F;tett,</hi> der ein eifriger Ver&#x017F;ech-<lb/>
ter der&#x017F;elben war, und es dem Matthe&#x017F;on gar nicht<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en konnte, daß er die ganze Solmi&#x017F;ation, mit<lb/>
der man doch ein&#x017F;t im Himmel mu&#x017F;iciren werde, zu<lb/>
Grabe gebracht <note place="foot" n="(*)">S de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en neuer-<lb/>
o&#x0364;ffnetes<lb/>
Orche&#x017F;tre,<lb/>
2. Th.</note>, muß doch in &#x017F;einer Vertheidi-<lb/>
digung der&#x017F;elben <note place="foot" n="(&#x2020;)"><cb/><lb/>
Unter dem Titel: <hi rendition="#aq">Ut, re, mi, &#x017F;a, &#x017F;ol, la, tota<lb/><cb/>
Mu&#x017F;ica &amp; Harmonia æterna.</hi></note> zugeben, daß bey den chroma-<lb/>
ti&#x017F;chen To&#x0364;nen cis, dis, &#x017F;is, gis in C dur die Stim-<lb/>
me erhoben werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, weil &#x017F;ie keine eigene Be-<lb/>
nennung haben; auch erlaubt er &#x017F;tatt <hi rendition="#aq">fa, ni</hi> zu &#x017F;in-<lb/>
gen, wenn vor f ein <hi rendition="#aq">x</hi> &#x017F;teht <note place="foot" n="(*)">S. 226.</note>. Er hat aber<lb/>
vollkommen Recht, wenn er behauptet, daß die<lb/>
Solmi&#x017F;ation die leichte&#x017F;te Methode &#x017F;ey, den Sing-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;lern Stu&#x0364;ke und Chora&#x0364;le aus den alten Tonarten<lb/>
wo die chromati&#x017F;chen To&#x0364;ne nicht vorkommen, tref-<lb/>
fen zu lernen.</p><lb/>
          <p>Jn Fugen hat die Solmi&#x017F;ation auch den Nuzen,<lb/>
daß &#x017F;ie lehret, wie der Gefa&#x0364;hrte dem Fu&#x0364;hrer durch<lb/>
die Anbringung des <hi rendition="#aq">Mi &#x017F;a</hi> zu antworten hat, doch<lb/>
nur in der Joni&#x017F;chen Tonart; in den andern Ton-<lb/>
arten be&#x017F;timmt das <hi rendition="#aq">mi &#x017F;a</hi> die Antwort nicht allezeit,<lb/>
wie an einem andern Ort gezeiget worden <note place="foot" n="(*)">S Fu-<lb/>
ge.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Solo.</hi><lb/>
(Mu&#x017F;ik.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>an bedient &#x017F;ich die&#x017F;es italia&#x0364;ni&#x017F;chen Wortes, um<lb/>
ein Stu&#x0364;k, oder &#x017F;olche Theile eines Stu&#x0364;ks, wo ein<lb/>
Hauptin&#x017F;trument mit oder ohne Begleitung &#x017F;ich al-<lb/>
lein ho&#x0364;ren la&#x0364;ßt, zu bezeichnen. Jm er&#x017F;ten Ver-<lb/>
&#x017F;tande &#x017F;agt man: ein <hi rendition="#fr">Violin-</hi> ein <hi rendition="#fr">Flo&#x0364;ten&#x017F;olo;</hi> und<lb/>
von demjenigen, der ein &#x017F;olches Solo vortra&#x0364;gt, &#x017F;agt<lb/>
man: er &#x017F;ey ein <hi rendition="#fr">Solo&#x017F;pieler.</hi></p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;olches Solo, welches auch oft Sonate ge-<lb/>
nennet wird, be&#x017F;teht wie die&#x017F;e insgemein aus drey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u u u u u 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Stu&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1093[1075]/0522] Sol Sol doch unſer b ſchon mitbegriffen war, ein, und theilte es in ſieben Hexachorde, oder Leitern von ſechs auf einander folgenden Toͤnen ab; drey davon enthielten die Toͤne g a h c d e, zwey die Toͤne c d e f g a, und zwey die Toͤne f g a b c d nach ihren verſchie- denen Octaven, denen er die erwaͤhnten ſechs Syl- ben, die die Anfangsſylben der erſten ſechs Zeilen eines damals gebraͤuchlichen Hymnus an den heili- gen Johannes ſind, unterlegte, ſo daß mi fa alle- zeit unter dem halben Ton, der ſich in jedem dieſer Hexachorde von der dritten zur vierten Stufe befin- det, zu ſtehen kam. Die drey Hexachorde von g bis e wurden in der Folge das harte, die zwey von o bis a das natuͤrliche und die zwey von f bis d das weiche Hexachord genennet. So lange keines dieſer Hexachorde in der Melodie uͤberſchritten wur- de, behielt jeder Ton ſeine ihm eigne Sylbe in der Solmiſation: ſtieg oder fiel der Geſang aber uͤber oder unter dem Umfang einer dieſer Sexten, oder welches einerley iſt, gieng die Melodie in ein ande- res Hexachord uͤber, ſo mußten die Sylben mutirt werden, damit das mi fa wieder an ſeinen Ort zu ſtehen kaͤme. Daher entſtanden Regeln, wie die Mutation der Sylben bey den Uebergaͤngen der Hexachorde geſchehen muͤſſe. Dem ohngeachtet konn- ten bey der Mannichfaltigkeit der Fortſchreitungen des Geſanges, die Sylben mi fa nicht allezeit bey ei- ner kleinen Secundenfortſchreitung ohne den Schuͤ- ler zu verwirren, moͤglich gemacht werden; man bewilligte daher unter gewiſſen Einſchraͤnkungen noch die Sylben la fa zu der Fortſchreitung in einen hal- ben Ton. Durch dieſe Benennungen wurden dem Schuͤler, wenn er erſt die Regeln der Mutation inne hatte, ſo wohl die Schwierigkeit, die halben Toͤne in den alten Tonarten zu treffen, als auch uͤberhaupt alle Jntervallen, in ſofern ſie in jedem Hexachord nach denſelben Sylben geſungen wurden, erleichtert. Als aber nach der Zeit durch die Einfuͤhrung des chromatiſchen und enharmoniſchen zu dem diatoni- ſchen Geſchlecht das Syſtem der Muſik um vieles erweitert, und die alten diatoniſchen Tonarten um einen oder mehrere Toͤne hoͤher oder tiefer transpo- nirt werden konnten, wurden dadurch, daß die Syl- ben mit allen Mutationen mit jeder transponirten Tonart zugleich transponirt werden mußten, die Schwierigkeiten der Solmiſation ſo ſehr vergroͤßert, und die Nothwendigkeit der Octavengattungen ſo offenbar, daß ohngeachtet der eifrigen Solmiſations- verfechter dennoch der meiſte Theil der Tonkuͤnſtler davon abgieng, und entweder wie die Franzoſen den ſechs Sylben noch die ſiebente zuſezten, oder wie die Hollaͤnder ſieben neue Sylben erfanden, oder wie die Deutſchen bey der natuͤrlichen Benennung der Toͤne ſtehen blieben, und danach ohne Muta- tion ſolfeggirten (*). Die Solmiſation hat ſich noch in Jtalien, und in einigen Gegenden Deutſchlands erhalten, aber, wie man leicht denken kann, mit vielen Abaͤnde- rungen. Selbſt Buttſtett, der ein eifriger Verſech- ter derſelben war, und es dem Mattheſon gar nicht vergeſſen konnte, daß er die ganze Solmiſation, mit der man doch einſt im Himmel muſiciren werde, zu Grabe gebracht (*), muß doch in ſeiner Vertheidi- digung derſelben (†) zugeben, daß bey den chroma- tiſchen Toͤnen cis, dis, ſis, gis in C dur die Stim- me erhoben werden muͤſſe, weil ſie keine eigene Be- nennung haben; auch erlaubt er ſtatt fa, ni zu ſin- gen, wenn vor f ein x ſteht (*). Er hat aber vollkommen Recht, wenn er behauptet, daß die Solmiſation die leichteſte Methode ſey, den Sing- ſchuͤlern Stuͤke und Choraͤle aus den alten Tonarten wo die chromatiſchen Toͤne nicht vorkommen, tref- fen zu lernen. Jn Fugen hat die Solmiſation auch den Nuzen, daß ſie lehret, wie der Gefaͤhrte dem Fuͤhrer durch die Anbringung des Mi ſa zu antworten hat, doch nur in der Joniſchen Tonart; in den andern Ton- arten beſtimmt das mi ſa die Antwort nicht allezeit, wie an einem andern Ort gezeiget worden (*). Solo. (Muſik.) Man bedient ſich dieſes italiaͤniſchen Wortes, um ein Stuͤk, oder ſolche Theile eines Stuͤks, wo ein Hauptinſtrument mit oder ohne Begleitung ſich al- lein hoͤren laͤßt, zu bezeichnen. Jm erſten Ver- ſtande ſagt man: ein Violin- ein Floͤtenſolo; und von demjenigen, der ein ſolches Solo vortraͤgt, ſagt man: er ſey ein Soloſpieler. Ein ſolches Solo, welches auch oft Sonate ge- nennet wird, beſteht wie dieſe insgemein aus drey Stuͤ- (*) S den vorhergeh. Artikel. (*) S deſ- ſen neuer- oͤffnetes Orcheſtre, 2. Th. (†) Unter dem Titel: Ut, re, mi, ſa, ſol, la, tota Muſica & Harmonia æterna. (*) S. 226. (*) S Fu- ge. U u u u u u 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/522
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1093[1075]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/522>, abgerufen am 24.11.2024.