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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Rich Rie

Das Vergnügen, das von der Richtigkeit her-
kommt, genießen eigentlich nur die Künstler und
die Kenner, weil nur diese sich der Regeln deutlich
bewußt sind, für andre ist die höchste Richtigkeit
blos etwas verneinendes; sie verwahret nur vor
Anstoß.

Wer also nicht blos Liebhabern sondern auch Ken-
nern gefallen will; wem daran gelegen ist, daß sein
Werk nicht blos bey dem Liebhaber das bewürke,
was es bewürken soll, sondern sich auch zugleich dem
Verstand als ein vollkommen bearbeitetes Werk
zeige, der muß sich der höchsten Richtigkeit und der
Reinlichkeit (*) befleißen. Dieses aber wird da-
durch erleichtert, daß man sich aller mechanischen
Regeln, denen ein Werk unterworfen ist, auf das
Deutlichste bewußt ist. Ein sorgfältiger Künstler
verläßt sich nicht allein auf sein Genie, sondern stu-
dirt auf das genaueste, das mechanische seiner Kunst.
So haben Klopstok und Ramler in Absicht auf
den Bau der Verse, sich gewiß nicht blos auf ihr
feines Gehör verlassen, sondern alle Regeln der Ver-
sification und des Wolklanges auf das genaueste er-
forschet. Ein Werk kann bey viel kleinen Unrichtig-
keiten höchst schäzbar seyn. Hallers Gedichte wur-
den auch bey allen Unrichtigkeiten der ersten Aus-
gaben, sehr hoch geschäzt, und verdienten es auch.
Viel Gemählde sind bey mancherley Unrichtigkeit
in Zeichnung, Perspektiv und Haltung, von großem
Werth. Bey dem allem, sind die Unrichtigkeiten
Kennern anstößig.

Riem. Riemlein.
(Baukunst.)

Ein kleines Glied in den Verziehrungen der Bau-
kunst (*) Es ist platt, und dienet vornehmlich
zwey größere Glieder von einander abzusondern, und
durch das glatte, das runde und geschweifte zu un-
terbrechen, und etwas zu erheben. Man sehe die
Figuren im Art. Glieder.

Riesengebälk.
(Baukunst.)

Ein Gebälk welches durch die Stärke der Glieder,
besonders durch große Balkenköpfe oder Kragsteine,
eine außerordentliche Stärke an den Tag leget. Es
gehört also nur zu außerordentlich maßiven Ge-
bäuden, so wie das Colisäum in Rom, an welchem
ein solches Riesengebälke ist. Jn Gebäuden, wo
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Rig Rin Rip
mehr Säulenordnungen übereinander stehen, und
die dabey sehr maßiv sind, ist das Riesengebälk noth-
wendig; weil ein Gebälke, das blos nach den Ver-
hältnissen der obersten Ordnung gemacht wäre, zu
unansehnlich seyn würde. Es steht aber auch in Ge-
bäuden, die blos die Höhe einer einzigen Ordnung
haben, sehr gut, wenn diese Gebäude außerordent-
lich maßiv sind.

Rigaudon.
(Musik. Tanz.)

Ein kleines Tonstük zum Tanzen. Es wird in alla
Brevetakt
gesezt, und fängt mit dem vierten Vier-
tel an. @ @ @ @ @ @ @ @ Die Be-
wegung ist lebhaft und fröhlich. Es besteht in zwey
Theilen, jeder von acht Takten; die Einschnitte sind
von vier Takten; die kleinesten Noten sind Achtel.

Jn Balletten wird das Rigaudon sowol zum ernst-
haften, als zum scherzhaften und niedrigen Charak-
ter gebraucht.

Rinneleiste.
(Baukunst.)

Ein Hauptglied an dem obern Theil eines Kran-
zes. (*) Seine obere Hälfte ist herein, und die un-
tere herausgebogen, so daß die Vorstechung der Höhe
gleich ist. Die Abzeichnung dieses Glieds, das im-
mer zu oberst an Gesimsen zum Abtropfen des Re-
gens angebracht wird, und auch daher seinen Na-
men hat, ist im Artikel Glieder zu sehen.

Ripienstimmen.
(Musik.)

Vom italiänischen Worte Ripieno, welches in Ton-
stüken bisweilen an den Stellen geschrieben wird,
wo die begleitenden Stimmen, die eine Zeitlang
pausirt hatten, zum ausfüllen wieder eintreten sollen.
Man nennt also in einem Tonstük, das nur eine
einzige Hauptstimme, einen Hauptgesang hat, alle
übrigen Stimmen, Ripienstimmen. Sie sind da, um
die Würkung der Hauptstimme entweder durch har-
monischen, oder durch melodischen Ausdruk zu un-
terstüzen, und den Gesang, oder die Hauptstimme
zu heben. Daher fließen natürlicher Weise folgende
Regeln, die der Tonsezer in Absicht auf diese Stim-
men zu beobachten hat.

Wo
(*) S.
Reinlich-
keit.
(*) Lat.
Regula.
Franz.
Reglet; fi-
let, listeau.
(*) Lat.
Sima;
Franz. Do-
ucine,
auch
grande Cy-
maise.
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Rich Rie

Das Vergnuͤgen, das von der Richtigkeit her-
kommt, genießen eigentlich nur die Kuͤnſtler und
die Kenner, weil nur dieſe ſich der Regeln deutlich
bewußt ſind, fuͤr andre iſt die hoͤchſte Richtigkeit
blos etwas verneinendes; ſie verwahret nur vor
Anſtoß.

Wer alſo nicht blos Liebhabern ſondern auch Ken-
nern gefallen will; wem daran gelegen iſt, daß ſein
Werk nicht blos bey dem Liebhaber das bewuͤrke,
was es bewuͤrken ſoll, ſondern ſich auch zugleich dem
Verſtand als ein vollkommen bearbeitetes Werk
zeige, der muß ſich der hoͤchſten Richtigkeit und der
Reinlichkeit (*) befleißen. Dieſes aber wird da-
durch erleichtert, daß man ſich aller mechaniſchen
Regeln, denen ein Werk unterworfen iſt, auf das
Deutlichſte bewußt iſt. Ein ſorgfaͤltiger Kuͤnſtler
verlaͤßt ſich nicht allein auf ſein Genie, ſondern ſtu-
dirt auf das genaueſte, das mechaniſche ſeiner Kunſt.
So haben Klopſtok und Ramler in Abſicht auf
den Bau der Verſe, ſich gewiß nicht blos auf ihr
feines Gehoͤr verlaſſen, ſondern alle Regeln der Ver-
ſification und des Wolklanges auf das genaueſte er-
forſchet. Ein Werk kann bey viel kleinen Unrichtig-
keiten hoͤchſt ſchaͤzbar ſeyn. Hallers Gedichte wur-
den auch bey allen Unrichtigkeiten der erſten Aus-
gaben, ſehr hoch geſchaͤzt, und verdienten es auch.
Viel Gemaͤhlde ſind bey mancherley Unrichtigkeit
in Zeichnung, Perſpektiv und Haltung, von großem
Werth. Bey dem allem, ſind die Unrichtigkeiten
Kennern anſtoͤßig.

Riem. Riemlein.
(Baukunſt.)

Ein kleines Glied in den Verziehrungen der Bau-
kunſt (*) Es iſt platt, und dienet vornehmlich
zwey groͤßere Glieder von einander abzuſondern, und
durch das glatte, das runde und geſchweifte zu un-
terbrechen, und etwas zu erheben. Man ſehe die
Figuren im Art. Glieder.

Rieſengebaͤlk.
(Baukunſt.)

Ein Gebaͤlk welches durch die Staͤrke der Glieder,
beſonders durch große Balkenkoͤpfe oder Kragſteine,
eine außerordentliche Staͤrke an den Tag leget. Es
gehoͤrt alſo nur zu außerordentlich maßiven Ge-
baͤuden, ſo wie das Coliſaͤum in Rom, an welchem
ein ſolches Rieſengebaͤlke iſt. Jn Gebaͤuden, wo
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Rig Rin Rip
mehr Saͤulenordnungen uͤbereinander ſtehen, und
die dabey ſehr maßiv ſind, iſt das Rieſengebaͤlk noth-
wendig; weil ein Gebaͤlke, das blos nach den Ver-
haͤltniſſen der oberſten Ordnung gemacht waͤre, zu
unanſehnlich ſeyn wuͤrde. Es ſteht aber auch in Ge-
baͤuden, die blos die Hoͤhe einer einzigen Ordnung
haben, ſehr gut, wenn dieſe Gebaͤude außerordent-
lich maßiv ſind.

Rigaudon.
(Muſik. Tanz.)

Ein kleines Tonſtuͤk zum Tanzen. Es wird in alla
Brevetakt
geſezt, und faͤngt mit dem vierten Vier-
tel an. 𝄵  𝄀     𝄀    𝄀 Die Be-
wegung iſt lebhaft und froͤhlich. Es beſteht in zwey
Theilen, jeder von acht Takten; die Einſchnitte ſind
von vier Takten; die kleineſten Noten ſind Achtel.

Jn Balletten wird das Rigaudon ſowol zum ernſt-
haften, als zum ſcherzhaften und niedrigen Charak-
ter gebraucht.

Rinneleiſte.
(Baukunſt.)

Ein Hauptglied an dem obern Theil eines Kran-
zes. (*) Seine obere Haͤlfte iſt herein, und die un-
tere herausgebogen, ſo daß die Vorſtechung der Hoͤhe
gleich iſt. Die Abzeichnung dieſes Glieds, das im-
mer zu oberſt an Geſimſen zum Abtropfen des Re-
gens angebracht wird, und auch daher ſeinen Na-
men hat, iſt im Artikel Glieder zu ſehen.

Ripienſtimmen.
(Muſik.)

Vom italiaͤniſchen Worte Ripieno, welches in Ton-
ſtuͤken bisweilen an den Stellen geſchrieben wird,
wo die begleitenden Stimmen, die eine Zeitlang
pauſirt hatten, zum ausfuͤllen wieder eintreten ſollen.
Man nennt alſo in einem Tonſtuͤk, das nur eine
einzige Hauptſtimme, einen Hauptgeſang hat, alle
uͤbrigen Stimmen, Ripienſtimmen. Sie ſind da, um
die Wuͤrkung der Hauptſtimme entweder durch har-
moniſchen, oder durch melodiſchen Ausdruk zu un-
terſtuͤzen, und den Geſang, oder die Hauptſtimme
zu heben. Daher fließen natuͤrlicher Weiſe folgende
Regeln, die der Tonſezer in Abſicht auf dieſe Stim-
men zu beobachten hat.

Wo
(*) S.
Reinlich-
keit.
(*) Lat.
Regula.
Franz.
Reglet; fi-
let, liſteau.
(*) Lat.
Sima;
Franz. Do-
ucine,
auch
grande Cy-
maiſe.
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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 986[968]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/415>, abgerufen am 25.11.2024.