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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Man stelle sich vor, der Grundriß liege hier auf
diesem Blatte
[Abbildung] über der Linie H O, die Tafel aber, auf welche
man zeichnen soll, sey die Fläche D O H F, so daß
O H der Horizont, O der Augenpunkt sey. O D
sey auf O H perpendicular und der Entfernung des
Auges von der Tafel gleich: durch D ziehe man D F
mit O H parallel; gerad in der Mitte von D O merke
man sich den Punkt B. Dieses vorausgesezt, kann
jeder Punkt des Grundrisses, als C, auf folgende
Weise in seinen perspektivischen Ort auf die Tafel
gezeichnet werden.

Man ziehe die geraden Linien C F und C D; her-
nach aus F durch den Punkt B die Linie F c; so
wird der Punkt c, wo diese Linie A D C durchschnei-
det, der perspektivische Ort des Punks C seyn. Auf
diese Weise wird jeder andere Punkt des Grundrisses
gezeichnet; folglich auch ganze Figuren. (*)

Um nun die Anwendung der oben entwikelten
Grundsäze zu Beurtheilung perspektivischer Zeich-
nungen zu zeigen, nehme man die hier befindliche
von Hrn. Lambert auf mein Ersuchen verfertigte
in Kupfer geäzte, Zeichnung vor sich.

Das erste, worauf man bey jeder perspektivischen
Zeichnung zu sehen hat, ist der Horizont. Wenn
das Gemähld eine offene Landschaft ist, in welcher
Stellen vorkommen, da die Luft, oder der Himmel,
bis an den flachen Boden herunter geht, wie hier
bey dem Punkt O, bey B und bey D, so weiß man
gewiß, daß dieser Punkt in dem Horizont liegt, weil
der horizontale Grund, worauf alles steht, so weit
man sehen kann, verlängert, an den Horizont stößt.

Giebt das Gemähld keine Gelegenheit, den Hori-
zont auf diese Weise zu entdeken; so sind andere
Mittel dazu vorhanden. Man weiß aus dem vor-
hergehenden, daß alle Linien, die auf der Grundflä-
che untereinander parallel sind, wenn sie nur nicht
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mit der Grundlinie oder dem untern Rand des Ge-
mähldes selbst parallel laufen, nothwendig in der
Zeichnung auf dem Horizont zusammen treffen.
Darum sucht man in dem Gemählde Gegenstände
auf, an denen solche Paralellinien anzutreffen sind,
z. E. Gebäude, gerade Alleen u. d. gl. Jn unse-
rer Zeichnung finden sich verschiedene Gegenstände,
die gewiß Parallellinien zeigen, als der Garten, der
verschiedene Gänge hat, davon einige, wie man mit
ziemlicher Gewißheit sehen kann, parallel neben ein
ander laufen. Sezet man ein Lineal nach der Rich-
tung zwey solcher Gänge an, so findet man, daß
diese Richtungen in einen Punkt zusammen laufen.
Auf diese Weise wären hier, wenn auch die Luft nir-
gend bis an den Horizont gienge, die zwey Punkte
des Horizonts B und D folglich die gerade Linie B D,
oder der Horizont selbst zu finden.

Nun ist auch nöthig, daß man den Augenpunkt
in dem Horizont entdeke. Gemeiniglich wird er
mitten in dem Horizont, von beyden Seiten des
Gemähldes gleich weit entfernt genommen. (*) Doch
ist er in unserer Zeichnung nicht in der Mitte zwi-
schen A und B den äußersten Enden der Zeichnung.
Um ihn zu entdeken, bedenke man, daß, nach den
obigen Regeln, jede Linie, die die Grundlinie des
Gemähldes im rechten Winkel durchschneidet, wenn
sie unendlich verlängert wird, in den Augenpunkt
trift. Es kommt also darauf an, daß man in dem
Gemähld eine solche Linie entdeke. Jn unsrer Zeich-
nung giebt der Thurm E sie an. Es ist leicht zu
sehen, daß seine vodere Seite der Grundlinie paral-
lel laufe. Da er nun vierekigt ist, und ohne Beden-
ken angenommen werden kann, daß die Seitenmauern
mit der Voderseite rechte Winkel machen; so wird
die Richtung der schattirten Seite des Thurmes auf
der Grundlinie perpendicular stehen; folglich, wenn
man sie verlängert in den Augenpunkt treffen, der
also hier im Punkt O ist.

Hätte hier der Thurm zur Bestimmung des Au-
genpunkts gefehlt, so hätte man auch die hinter dem
Thurm in der Ferne stehenden Häuser zu demselben
Endzwek brauchen können.

Nachdem man den Horizont und den Augenpunkt
darin gefunden hat, ist nun drittens auch die Ent-
fernung des Auges von der Tafel ausfündig zu
machen. Das Aug steht dem Punkt O gegen über,
daß die aus dem Auge nach O gezogene gerade Linie
perpendicular auf der Fläche des Gemähldes steht;

wenn
(*) S.
Lamberts
Perspektiv
II Theil
S. 64.
(*) S.
Augen-
punkt.
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Man ſtelle ſich vor, der Grundriß liege hier auf
dieſem Blatte
[Abbildung] uͤber der Linie H O, die Tafel aber, auf welche
man zeichnen ſoll, ſey die Flaͤche D O H F, ſo daß
O H der Horizont, O der Augenpunkt ſey. O D
ſey auf O H perpendicular und der Entfernung des
Auges von der Tafel gleich: durch D ziehe man D F
mit O H parallel; gerad in der Mitte von D O merke
man ſich den Punkt B. Dieſes vorausgeſezt, kann
jeder Punkt des Grundriſſes, als C, auf folgende
Weiſe in ſeinen perſpektiviſchen Ort auf die Tafel
gezeichnet werden.

Man ziehe die geraden Linien C F und C D; her-
nach aus F durch den Punkt B die Linie F c; ſo
wird der Punkt c, wo dieſe Linie A D C durchſchnei-
det, der perſpektiviſche Ort des Punks C ſeyn. Auf
dieſe Weiſe wird jeder andere Punkt des Grundriſſes
gezeichnet; folglich auch ganze Figuren. (*)

Um nun die Anwendung der oben entwikelten
Grundſaͤze zu Beurtheilung perſpektiviſcher Zeich-
nungen zu zeigen, nehme man die hier befindliche
von Hrn. Lambert auf mein Erſuchen verfertigte
in Kupfer geaͤzte, Zeichnung vor ſich.

Das erſte, worauf man bey jeder perſpektiviſchen
Zeichnung zu ſehen hat, iſt der Horizont. Wenn
das Gemaͤhld eine offene Landſchaft iſt, in welcher
Stellen vorkommen, da die Luft, oder der Himmel,
bis an den flachen Boden herunter geht, wie hier
bey dem Punkt O, bey B und bey D, ſo weiß man
gewiß, daß dieſer Punkt in dem Horizont liegt, weil
der horizontale Grund, worauf alles ſteht, ſo weit
man ſehen kann, verlaͤngert, an den Horizont ſtoͤßt.

Giebt das Gemaͤhld keine Gelegenheit, den Hori-
zont auf dieſe Weiſe zu entdeken; ſo ſind andere
Mittel dazu vorhanden. Man weiß aus dem vor-
hergehenden, daß alle Linien, die auf der Grundflaͤ-
che untereinander parallel ſind, wenn ſie nur nicht
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mit der Grundlinie oder dem untern Rand des Ge-
maͤhldes ſelbſt parallel laufen, nothwendig in der
Zeichnung auf dem Horizont zuſammen treffen.
Darum ſucht man in dem Gemaͤhlde Gegenſtaͤnde
auf, an denen ſolche Paralellinien anzutreffen ſind,
z. E. Gebaͤude, gerade Alleen u. d. gl. Jn unſe-
rer Zeichnung finden ſich verſchiedene Gegenſtaͤnde,
die gewiß Parallellinien zeigen, als der Garten, der
verſchiedene Gaͤnge hat, davon einige, wie man mit
ziemlicher Gewißheit ſehen kann, parallel neben ein
ander laufen. Sezet man ein Lineal nach der Rich-
tung zwey ſolcher Gaͤnge an, ſo findet man, daß
dieſe Richtungen in einen Punkt zuſammen laufen.
Auf dieſe Weiſe waͤren hier, wenn auch die Luft nir-
gend bis an den Horizont gienge, die zwey Punkte
des Horizonts B und D folglich die gerade Linie B D,
oder der Horizont ſelbſt zu finden.

Nun iſt auch noͤthig, daß man den Augenpunkt
in dem Horizont entdeke. Gemeiniglich wird er
mitten in dem Horizont, von beyden Seiten des
Gemaͤhldes gleich weit entfernt genommen. (*) Doch
iſt er in unſerer Zeichnung nicht in der Mitte zwi-
ſchen A und B den aͤußerſten Enden der Zeichnung.
Um ihn zu entdeken, bedenke man, daß, nach den
obigen Regeln, jede Linie, die die Grundlinie des
Gemaͤhldes im rechten Winkel durchſchneidet, wenn
ſie unendlich verlaͤngert wird, in den Augenpunkt
trift. Es kommt alſo darauf an, daß man in dem
Gemaͤhld eine ſolche Linie entdeke. Jn unſrer Zeich-
nung giebt der Thurm E ſie an. Es iſt leicht zu
ſehen, daß ſeine vodere Seite der Grundlinie paral-
lel laufe. Da er nun vierekigt iſt, und ohne Beden-
ken angenommen werden kann, daß die Seitenmauern
mit der Voderſeite rechte Winkel machen; ſo wird
die Richtung der ſchattirten Seite des Thurmes auf
der Grundlinie perpendicular ſtehen; folglich, wenn
man ſie verlaͤngert in den Augenpunkt treffen, der
alſo hier im Punkt O iſt.

Haͤtte hier der Thurm zur Beſtimmung des Au-
genpunkts gefehlt, ſo haͤtte man auch die hinter dem
Thurm in der Ferne ſtehenden Haͤuſer zu demſelben
Endzwek brauchen koͤnnen.

Nachdem man den Horizont und den Augenpunkt
darin gefunden hat, iſt nun drittens auch die Ent-
fernung des Auges von der Tafel ausfuͤndig zu
machen. Das Aug ſteht dem Punkt O gegen uͤber,
daß die aus dem Auge nach O gezogene gerade Linie
perpendicular auf der Flaͤche des Gemaͤhldes ſteht;

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(*) S.
Lamberts
Perſpektiv
II Theil
S. 64.
(*) S.
Augen-
punkt.
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[896[878]/0313] Per Per Man ſtelle ſich vor, der Grundriß liege hier auf dieſem Blatte [Abbildung] uͤber der Linie H O, die Tafel aber, auf welche man zeichnen ſoll, ſey die Flaͤche D O H F, ſo daß O H der Horizont, O der Augenpunkt ſey. O D ſey auf O H perpendicular und der Entfernung des Auges von der Tafel gleich: durch D ziehe man D F mit O H parallel; gerad in der Mitte von D O merke man ſich den Punkt B. Dieſes vorausgeſezt, kann jeder Punkt des Grundriſſes, als C, auf folgende Weiſe in ſeinen perſpektiviſchen Ort auf die Tafel gezeichnet werden. Man ziehe die geraden Linien C F und C D; her- nach aus F durch den Punkt B die Linie F c; ſo wird der Punkt c, wo dieſe Linie A D C durchſchnei- det, der perſpektiviſche Ort des Punks C ſeyn. Auf dieſe Weiſe wird jeder andere Punkt des Grundriſſes gezeichnet; folglich auch ganze Figuren. (*) Um nun die Anwendung der oben entwikelten Grundſaͤze zu Beurtheilung perſpektiviſcher Zeich- nungen zu zeigen, nehme man die hier befindliche von Hrn. Lambert auf mein Erſuchen verfertigte in Kupfer geaͤzte, Zeichnung vor ſich. Das erſte, worauf man bey jeder perſpektiviſchen Zeichnung zu ſehen hat, iſt der Horizont. Wenn das Gemaͤhld eine offene Landſchaft iſt, in welcher Stellen vorkommen, da die Luft, oder der Himmel, bis an den flachen Boden herunter geht, wie hier bey dem Punkt O, bey B und bey D, ſo weiß man gewiß, daß dieſer Punkt in dem Horizont liegt, weil der horizontale Grund, worauf alles ſteht, ſo weit man ſehen kann, verlaͤngert, an den Horizont ſtoͤßt. Giebt das Gemaͤhld keine Gelegenheit, den Hori- zont auf dieſe Weiſe zu entdeken; ſo ſind andere Mittel dazu vorhanden. Man weiß aus dem vor- hergehenden, daß alle Linien, die auf der Grundflaͤ- che untereinander parallel ſind, wenn ſie nur nicht mit der Grundlinie oder dem untern Rand des Ge- maͤhldes ſelbſt parallel laufen, nothwendig in der Zeichnung auf dem Horizont zuſammen treffen. Darum ſucht man in dem Gemaͤhlde Gegenſtaͤnde auf, an denen ſolche Paralellinien anzutreffen ſind, z. E. Gebaͤude, gerade Alleen u. d. gl. Jn unſe- rer Zeichnung finden ſich verſchiedene Gegenſtaͤnde, die gewiß Parallellinien zeigen, als der Garten, der verſchiedene Gaͤnge hat, davon einige, wie man mit ziemlicher Gewißheit ſehen kann, parallel neben ein ander laufen. Sezet man ein Lineal nach der Rich- tung zwey ſolcher Gaͤnge an, ſo findet man, daß dieſe Richtungen in einen Punkt zuſammen laufen. Auf dieſe Weiſe waͤren hier, wenn auch die Luft nir- gend bis an den Horizont gienge, die zwey Punkte des Horizonts B und D folglich die gerade Linie B D, oder der Horizont ſelbſt zu finden. Nun iſt auch noͤthig, daß man den Augenpunkt in dem Horizont entdeke. Gemeiniglich wird er mitten in dem Horizont, von beyden Seiten des Gemaͤhldes gleich weit entfernt genommen. (*) Doch iſt er in unſerer Zeichnung nicht in der Mitte zwi- ſchen A und B den aͤußerſten Enden der Zeichnung. Um ihn zu entdeken, bedenke man, daß, nach den obigen Regeln, jede Linie, die die Grundlinie des Gemaͤhldes im rechten Winkel durchſchneidet, wenn ſie unendlich verlaͤngert wird, in den Augenpunkt trift. Es kommt alſo darauf an, daß man in dem Gemaͤhld eine ſolche Linie entdeke. Jn unſrer Zeich- nung giebt der Thurm E ſie an. Es iſt leicht zu ſehen, daß ſeine vodere Seite der Grundlinie paral- lel laufe. Da er nun vierekigt iſt, und ohne Beden- ken angenommen werden kann, daß die Seitenmauern mit der Voderſeite rechte Winkel machen; ſo wird die Richtung der ſchattirten Seite des Thurmes auf der Grundlinie perpendicular ſtehen; folglich, wenn man ſie verlaͤngert in den Augenpunkt treffen, der alſo hier im Punkt O iſt. Haͤtte hier der Thurm zur Beſtimmung des Au- genpunkts gefehlt, ſo haͤtte man auch die hinter dem Thurm in der Ferne ſtehenden Haͤuſer zu demſelben Endzwek brauchen koͤnnen. Nachdem man den Horizont und den Augenpunkt darin gefunden hat, iſt nun drittens auch die Ent- fernung des Auges von der Tafel ausfuͤndig zu machen. Das Aug ſteht dem Punkt O gegen uͤber, daß die aus dem Auge nach O gezogene gerade Linie perpendicular auf der Flaͤche des Gemaͤhldes ſteht; wenn (*) S. Lamberts Perſpektiv II Theil S. 64. (*) S. Augen- punkt.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 896[878]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/313>, abgerufen am 18.05.2024.