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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Oef
feste Theile habe, damit nicht das Gebäude das An-
sehen der Festigkeit verliere, und wie eine Laterne
aussehe. Es fällt allemal besser ins Aug, wenn
man mehr Mauer, als Oefnungen sieht. Die
Austheilung der Oesnungen muß nach den Regeln
der Symmetrie geschehen; einzele, als Thüren, oder
Portale, kommen in die Mitte, die gleichen, auf
ähnliche Stellen. Nothwendig ist es, daß über-
einanderstehende Oefuungen, wie die Fenster mehrer
Geschosse, auf das genaueste über einander, und die
in einem Geschoß, genau in einer wagerechten Linie
neben einander, gestellt seyen.

Jhre Form ist am gefälligsten, wenn sie vierekigt,
und wenn die Höhe das doppelte Maaß der Breite
hat. Oefnungen mit Bogen geschlossen, sollten nir-
gend seyn, als wo sie der Wölbung halber nothwen-
dig sind. Ein feines Aug wird durch Fenster mit
rundem Sturz, zumal wenn er einen vollen Bogen
macht, allemal beleidiget, und diese Rundungen ver-
ursachen gegen die an einem Gebäude überall sich
durchkreuzenden geraden Linien allemal unangenehme
spize Winkel. Noch mehr wird das Aug beleidiget,
wenn mitten in einer Reyhe vierekichter Oefnungen
eine mit einem runden Sturz steht, wie in den mei-
sten neuern Wohnhäusern in Berlin, da die Haus-
thüren zwischen vierekichten Fenstern, rund sind.
Dadurch wird die Thür niedriger oder höher, als
die Fenster, welches ungemein beleidigend ist.

Höchst nothwendig ist es, daß jede Oefnung ihre
wol in die Augen fallende Einfassung habe, damit
sie als etwas überlegtes und richtig abgeinessenes er-
scheine. Denn ohne Einfassung ist sie wie ein Loch,
das grösser oder kleiner kann gemacht werden: die
Einfassung aber zeiget, daß die Oefnung etwas vol-
lendetes und Ganzes sey. (*) Von der Art der
Einfassung ist in andern Artikeln gesprochen wor-
den. (*) Ueberhaupt ist das Einfache hiebey dem
reichen und verziehrten vorzuziehen. Thüren und
Fenster mit Giebeln haben allemal etwas unange-
nehmes, und machen an den Außenseiten eine
Menge unangenehmer Winkel.

Oelfarben.
(Mahlerey.)

Farben zum Mahlen, die mit Oel vermischt, und
dadurch zum Auftragen mit dem Pensel tüchtig ge-
macht werden. Jn den ältern Zeiten wurden die
Farben zur Mahlerey mit Wasser angemacht; die
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Oel
Oelfarben sind im Anfang des XV Jahrhunderts
von van Eyk erfunden, und izt zu allen großen Ge-
mählden auf Leinwand oder Holz, beständig im Ge-
brauch.

Diese Farben haben vor den Wasserfarben be-
trächtliche Vortheile, sowol zur Bearbeitung des
Gemähldes, als zu seiner Würkung. Wenn die
Oelfarbe einmal angetruknet ist, so lößt sie sich nicht
leicht wieder auf, daher kann eine Stelle, so ofte
der Mahler will, übermahlt werden. Durch öfters
übermahlen aber kann die beste Harmonie und die
höchste Würkung der Farbe leichter erhalten werden,
als wenn man die Farben einmal muß stehen lassen,
wie sie zuerst aufgetragen worden sind. Auch kön-
nen Oelfarben über einander gesezt werden, daß die
untere durchscheinet, (*) ein wichtiger Vortheil den
die Wasserfarben nicht haben. Endlich, da die
Oelfarbe zähe ist, und nahe an einander gelegte Tin-
ten nicht in einander fließen, so kann der Mahler
sowol eine bessere Mischung, als eine bequämere
Nebeneinandersezung der Farben in Oelfarben er-
reichen, als in Wasserfarben. Da sich im Troknen
die Farbe nicht ändert, wie die Wasserfarben, so hat
der Mahler den Vortheil, daß er immer seine Farbe
währender Arbeit beurtheilen kann.

Die Würkung der Gemählde in Oelfarben hat
einige Vorzüge vor allen andern Arten. Die Far-
ben sind zwar etwas dunkler, aber glänzender, als
in Wasserfarben; man erreicht in Oelfarben den
Schmelz, womit die Natur viele Gegenstände be-
streut, das sanfte duftige Wesen, wodurch sie ihren
Landschaften den größten Reiz giebt; das Durch-
sichtige der Schatten, und das Jneinanderfließende
der Farben.

Hingegen hat die Oelfarbe auch das Nachtheilige
des Schimmers vom auffallenden Licht, welcher
macht, daß man von gewissen Stellen das Ge-
mählde nicht gut sehen kann. Die hellesten Stellen
werden dunkler, als in der Natur, und alles geräth
durch die Länge der Zeit in eine verderbliche Gährung,
da das Oel gelb wird, und alle helle Tinten anste-
ket. Man meint, daß große Coloristen, durch eine
gute Bearbeitung diesem vorbeugen können. Aber
welches Oel wird nicht zulezt gelb? Endlich haben
die Oelfarben auch diesen Nachtheil, daß der Staub
sich fester an sie ansezet, und wenn er einmal auf
der Farbe eingetruknet ist, ohne Hofnung der Rei-
nigung darin bleibet. Wiewol man diesem zuvor-

kom-
(*) S.
Ganz.
(*) S.
Fensier,
Thüre.
(*) S.
Labiren.

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Oef
feſte Theile habe, damit nicht das Gebaͤude das An-
ſehen der Feſtigkeit verliere, und wie eine Laterne
ausſehe. Es faͤllt allemal beſſer ins Aug, wenn
man mehr Mauer, als Oefnungen ſieht. Die
Austheilung der Oeſnungen muß nach den Regeln
der Symmetrie geſchehen; einzele, als Thuͤren, oder
Portale, kommen in die Mitte, die gleichen, auf
aͤhnliche Stellen. Nothwendig iſt es, daß uͤber-
einanderſtehende Oefuungen, wie die Fenſter mehrer
Geſchoſſe, auf das genaueſte uͤber einander, und die
in einem Geſchoß, genau in einer wagerechten Linie
neben einander, geſtellt ſeyen.

Jhre Form iſt am gefaͤlligſten, wenn ſie vierekigt,
und wenn die Hoͤhe das doppelte Maaß der Breite
hat. Oefnungen mit Bogen geſchloſſen, ſollten nir-
gend ſeyn, als wo ſie der Woͤlbung halber nothwen-
dig ſind. Ein feines Aug wird durch Fenſter mit
rundem Sturz, zumal wenn er einen vollen Bogen
macht, allemal beleidiget, und dieſe Rundungen ver-
urſachen gegen die an einem Gebaͤude uͤberall ſich
durchkreuzenden geraden Linien allemal unangenehme
ſpize Winkel. Noch mehr wird das Aug beleidiget,
wenn mitten in einer Reyhe vierekichter Oefnungen
eine mit einem runden Sturz ſteht, wie in den mei-
ſten neuern Wohnhaͤuſern in Berlin, da die Haus-
thuͤren zwiſchen vierekichten Fenſtern, rund ſind.
Dadurch wird die Thuͤr niedriger oder hoͤher, als
die Fenſter, welches ungemein beleidigend iſt.

Hoͤchſt nothwendig iſt es, daß jede Oefnung ihre
wol in die Augen fallende Einfaſſung habe, damit
ſie als etwas uͤberlegtes und richtig abgeineſſenes er-
ſcheine. Denn ohne Einfaſſung iſt ſie wie ein Loch,
das groͤſſer oder kleiner kann gemacht werden: die
Einfaſſung aber zeiget, daß die Oefnung etwas vol-
lendetes und Ganzes ſey. (*) Von der Art der
Einfaſſung iſt in andern Artikeln geſprochen wor-
den. (*) Ueberhaupt iſt das Einfache hiebey dem
reichen und verziehrten vorzuziehen. Thuͤren und
Fenſter mit Giebeln haben allemal etwas unange-
nehmes, und machen an den Außenſeiten eine
Menge unangenehmer Winkel.

Oelfarben.
(Mahlerey.)

Farben zum Mahlen, die mit Oel vermiſcht, und
dadurch zum Auftragen mit dem Penſel tuͤchtig ge-
macht werden. Jn den aͤltern Zeiten wurden die
Farben zur Mahlerey mit Waſſer angemacht; die
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Oel
Oelfarben ſind im Anfang des XV Jahrhunderts
von van Eyk erfunden, und izt zu allen großen Ge-
maͤhlden auf Leinwand oder Holz, beſtaͤndig im Ge-
brauch.

Dieſe Farben haben vor den Waſſerfarben be-
traͤchtliche Vortheile, ſowol zur Bearbeitung des
Gemaͤhldes, als zu ſeiner Wuͤrkung. Wenn die
Oelfarbe einmal angetruknet iſt, ſo loͤßt ſie ſich nicht
leicht wieder auf, daher kann eine Stelle, ſo ofte
der Mahler will, uͤbermahlt werden. Durch oͤfters
uͤbermahlen aber kann die beſte Harmonie und die
hoͤchſte Wuͤrkung der Farbe leichter erhalten werden,
als wenn man die Farben einmal muß ſtehen laſſen,
wie ſie zuerſt aufgetragen worden ſind. Auch koͤn-
nen Oelfarben uͤber einander geſezt werden, daß die
untere durchſcheinet, (*) ein wichtiger Vortheil den
die Waſſerfarben nicht haben. Endlich, da die
Oelfarbe zaͤhe iſt, und nahe an einander gelegte Tin-
ten nicht in einander fließen, ſo kann der Mahler
ſowol eine beſſere Miſchung, als eine bequaͤmere
Nebeneinanderſezung der Farben in Oelfarben er-
reichen, als in Waſſerfarben. Da ſich im Troknen
die Farbe nicht aͤndert, wie die Waſſerfarben, ſo hat
der Mahler den Vortheil, daß er immer ſeine Farbe
waͤhrender Arbeit beurtheilen kann.

Die Wuͤrkung der Gemaͤhlde in Oelfarben hat
einige Vorzuͤge vor allen andern Arten. Die Far-
ben ſind zwar etwas dunkler, aber glaͤnzender, als
in Waſſerfarben; man erreicht in Oelfarben den
Schmelz, womit die Natur viele Gegenſtaͤnde be-
ſtreut, das ſanfte duftige Weſen, wodurch ſie ihren
Landſchaften den groͤßten Reiz giebt; das Durch-
ſichtige der Schatten, und das Jneinanderfließende
der Farben.

Hingegen hat die Oelfarbe auch das Nachtheilige
des Schimmers vom auffallenden Licht, welcher
macht, daß man von gewiſſen Stellen das Ge-
maͤhlde nicht gut ſehen kann. Die helleſten Stellen
werden dunkler, als in der Natur, und alles geraͤth
durch die Laͤnge der Zeit in eine verderbliche Gaͤhrung,
da das Oel gelb wird, und alle helle Tinten anſte-
ket. Man meint, daß große Coloriſten, durch eine
gute Bearbeitung dieſem vorbeugen koͤnnen. Aber
welches Oel wird nicht zulezt gelb? Endlich haben
die Oelfarben auch dieſen Nachtheil, daß der Staub
ſich feſter an ſie anſezet, und wenn er einmal auf
der Farbe eingetruknet iſt, ohne Hofnung der Rei-
nigung darin bleibet. Wiewol man dieſem zuvor-

kom-
(*) S.
Ganz.
(*) S.
Fenſier,
Thuͤre.
(*) S.
Labiren.
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[841[823]/0258] Oef Oel feſte Theile habe, damit nicht das Gebaͤude das An- ſehen der Feſtigkeit verliere, und wie eine Laterne ausſehe. Es faͤllt allemal beſſer ins Aug, wenn man mehr Mauer, als Oefnungen ſieht. Die Austheilung der Oeſnungen muß nach den Regeln der Symmetrie geſchehen; einzele, als Thuͤren, oder Portale, kommen in die Mitte, die gleichen, auf aͤhnliche Stellen. Nothwendig iſt es, daß uͤber- einanderſtehende Oefuungen, wie die Fenſter mehrer Geſchoſſe, auf das genaueſte uͤber einander, und die in einem Geſchoß, genau in einer wagerechten Linie neben einander, geſtellt ſeyen. Jhre Form iſt am gefaͤlligſten, wenn ſie vierekigt, und wenn die Hoͤhe das doppelte Maaß der Breite hat. Oefnungen mit Bogen geſchloſſen, ſollten nir- gend ſeyn, als wo ſie der Woͤlbung halber nothwen- dig ſind. Ein feines Aug wird durch Fenſter mit rundem Sturz, zumal wenn er einen vollen Bogen macht, allemal beleidiget, und dieſe Rundungen ver- urſachen gegen die an einem Gebaͤude uͤberall ſich durchkreuzenden geraden Linien allemal unangenehme ſpize Winkel. Noch mehr wird das Aug beleidiget, wenn mitten in einer Reyhe vierekichter Oefnungen eine mit einem runden Sturz ſteht, wie in den mei- ſten neuern Wohnhaͤuſern in Berlin, da die Haus- thuͤren zwiſchen vierekichten Fenſtern, rund ſind. Dadurch wird die Thuͤr niedriger oder hoͤher, als die Fenſter, welches ungemein beleidigend iſt. Hoͤchſt nothwendig iſt es, daß jede Oefnung ihre wol in die Augen fallende Einfaſſung habe, damit ſie als etwas uͤberlegtes und richtig abgeineſſenes er- ſcheine. Denn ohne Einfaſſung iſt ſie wie ein Loch, das groͤſſer oder kleiner kann gemacht werden: die Einfaſſung aber zeiget, daß die Oefnung etwas vol- lendetes und Ganzes ſey. (*) Von der Art der Einfaſſung iſt in andern Artikeln geſprochen wor- den. (*) Ueberhaupt iſt das Einfache hiebey dem reichen und verziehrten vorzuziehen. Thuͤren und Fenſter mit Giebeln haben allemal etwas unange- nehmes, und machen an den Außenſeiten eine Menge unangenehmer Winkel. Oelfarben. (Mahlerey.) Farben zum Mahlen, die mit Oel vermiſcht, und dadurch zum Auftragen mit dem Penſel tuͤchtig ge- macht werden. Jn den aͤltern Zeiten wurden die Farben zur Mahlerey mit Waſſer angemacht; die Oelfarben ſind im Anfang des XV Jahrhunderts von van Eyk erfunden, und izt zu allen großen Ge- maͤhlden auf Leinwand oder Holz, beſtaͤndig im Ge- brauch. Dieſe Farben haben vor den Waſſerfarben be- traͤchtliche Vortheile, ſowol zur Bearbeitung des Gemaͤhldes, als zu ſeiner Wuͤrkung. Wenn die Oelfarbe einmal angetruknet iſt, ſo loͤßt ſie ſich nicht leicht wieder auf, daher kann eine Stelle, ſo ofte der Mahler will, uͤbermahlt werden. Durch oͤfters uͤbermahlen aber kann die beſte Harmonie und die hoͤchſte Wuͤrkung der Farbe leichter erhalten werden, als wenn man die Farben einmal muß ſtehen laſſen, wie ſie zuerſt aufgetragen worden ſind. Auch koͤn- nen Oelfarben uͤber einander geſezt werden, daß die untere durchſcheinet, (*) ein wichtiger Vortheil den die Waſſerfarben nicht haben. Endlich, da die Oelfarbe zaͤhe iſt, und nahe an einander gelegte Tin- ten nicht in einander fließen, ſo kann der Mahler ſowol eine beſſere Miſchung, als eine bequaͤmere Nebeneinanderſezung der Farben in Oelfarben er- reichen, als in Waſſerfarben. Da ſich im Troknen die Farbe nicht aͤndert, wie die Waſſerfarben, ſo hat der Mahler den Vortheil, daß er immer ſeine Farbe waͤhrender Arbeit beurtheilen kann. Die Wuͤrkung der Gemaͤhlde in Oelfarben hat einige Vorzuͤge vor allen andern Arten. Die Far- ben ſind zwar etwas dunkler, aber glaͤnzender, als in Waſſerfarben; man erreicht in Oelfarben den Schmelz, womit die Natur viele Gegenſtaͤnde be- ſtreut, das ſanfte duftige Weſen, wodurch ſie ihren Landſchaften den groͤßten Reiz giebt; das Durch- ſichtige der Schatten, und das Jneinanderfließende der Farben. Hingegen hat die Oelfarbe auch das Nachtheilige des Schimmers vom auffallenden Licht, welcher macht, daß man von gewiſſen Stellen das Ge- maͤhlde nicht gut ſehen kann. Die helleſten Stellen werden dunkler, als in der Natur, und alles geraͤth durch die Laͤnge der Zeit in eine verderbliche Gaͤhrung, da das Oel gelb wird, und alle helle Tinten anſte- ket. Man meint, daß große Coloriſten, durch eine gute Bearbeitung dieſem vorbeugen koͤnnen. Aber welches Oel wird nicht zulezt gelb? Endlich haben die Oelfarben auch dieſen Nachtheil, daß der Staub ſich feſter an ſie anſezet, und wenn er einmal auf der Farbe eingetruknet iſt, ohne Hofnung der Rei- nigung darin bleibet. Wiewol man dieſem zuvor- kom- (*) S. Ganz. (*) S. Fenſier, Thuͤre. (*) S. Labiren.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 841[823]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/258>, abgerufen am 24.11.2024.