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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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den Ton , der in unserm System zwischen A und B
fallen würde, wie auch Tartini will, anzunehmen. (*)

Ueber die Bedeutung des Worts Klang, merken
wir noch an, daß der Schall, in so fern er anhal-
tend und wolklingend ist, mit dem Worte Klang,
der Klang aber, in so fern er hoch oder tief ist, mit
dem Worte Ton bezeichnet wird. Man sagt nie,
ein hoher oder tiefer Klang, sondern Ton. Jn An-
sehung der Reinigkeit, sagt man zwar von einer ein-
zelen Sayte, sie habe einen reinen Ton (besser Klang)
aber von einem Jnstrument überhaupt, einer Vio-
lin oder einen Clavier, sie habe einen guten Klang.

Klang.
(Redende Künste.)

Das menschliche Genie hat zwey Mittel erfunden
den Gedanken ein körperliches Wesen zu geben, wo-
durch sie den äussern Sinnen empfindbar werden;
eines für das Gehör, das andere für das Gesicht.
Jenes ist weit kräftiger als dieses, weil das Gehör
stärker empfindet, als das Aug. (*) Wir betrach-
ten hier den Klang, oder Schall blos in so fern er
ein Mittel ist einzele Begriffe, oder zusammenge-
setzte Vorstellungen, andern vermitttlst des Gehö-
res mitzutheilen. Es ließe sich zeigen, daß zu die-
sem Behuf von unsern Sinnen keiner so tauglich
sey, als das Gehör; wir wollen es aber, um uns
nicht in allzutiefe Betrachtungen einzulassen, hier
als bekannt annehmen. (+) Hier zeiget sich also
gleich die Wichtigkeit der Betrachtung der Sprache,
in so fern sie Klang ist. Wir wollen uns aber hier
blos auf das Aesthetische einschränken.

Man bedenke, wie schwach uns die Sprach rüh-
ren würde, wenn wir sie blos in der Schrift, ohne
Klang hätten. Schon finden wir einen sehr großen
Unterschied zwischen dem stummen Lesen und dem
lauten Vortrag einer Sache; und doch wird auch
dem stummen Lesen einigermaaßen durch den Klang
aufgeholfen, der sich wenigstens in der Einbildungs-
kraft immer dabey hören läßt. Für die redenden
Künste ist der Klang der Rede von großer Wichtig-
[Spaltenumbruch]

Kla
keit. Seine ästhetische Kraft kann sich auf dreyerley
Art äussern. Je vollkommener er ist, je stärker und
lebhafter präget er einzele Begriffe in die Vor-
stellungskraft; zusammengesetzte Vorstellungen, hilft
er in eine leicht faßliche und angenehme Form zu-
bringen; endlich kann er auch das Leidenschaftliche
der Vorstellungen verstärken.

Die Theorie der redenden Künste betrachtet dem-
nach den Klang, in Absicht auf einzele Wörter --
auf Redensarten und Perioden -- und auf das
Leidenschaftliche der Töne. Hier schränken wir uns
auf den ersten Punkt ein; der andere ist in die Ar-
kel Wolklang und Perioden vertheilt, und der dritte
kommt in der Betrachtung des lebendigen oder des
leidenschaftlichen Ausdruks vor.

Der Endzwek der Beredsamkeit und Dichtkunst
erfordert, daß jedes einzele Wort, wenn man auch
nicht auf das Leidenschaftliche sieht, das Gehör mit
hinlänglicher Stärke und Klarheit rühre, daß es
schnell begriffen, und leicht behalten werde. Das
erstere erwekt Aufmerksamkeit und zwinget uns An-
theil an der Sache zu nehmen; das andre erleichtert
die Vorstellung, und das dritte den fortdauernden
Besitz derselben. Hieraus läßt sich leicht bestim-
men, wie die Wörter der Sprache in Ansehung
des Klanges müssen beschaffen seyn, wenn sie den
redenden Künsten diese drey Vortheile verschaffen
sollen. Jhre erste Eigenschaft ist, daß sie laut und
volltönend seyen, und mit gehöriger Stärke gleichsam
anpochen, um auch bey mittelmäßiger Aufmerksam-
keit ihre Würkung zu thun. Was dazu gehöre ist
leicht zu sehen; viel und volltönende Selbstlauter,
Töne die einen offenen Mund erfordern, die mitten
im Munde, weder zu tief in der Kehle, noch zu weit
vor zwischen den Zähnen, oder blos auf den Lippen
gebildet werden. Dazu müssen noch starke Accente
kommen, und mehr lange, als kurze Selbstlauter.
Je näher überhaupt die Aussprach einzeler Worte
dem Gesange kommt, je stärker sind sie.

Die zweyte Eigenschaft der Wörter ist ein deut-
licher Klang. Den haben sie, wenn die verschiedenen

Syl-
(*) S.
System.
(*) S.
Art. Ge-
sang. S.
461.
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Wem daran gelegen ist, alles, was hier und da,
von der östhetischen Kraft der Töne augemerkt wird, aus
richtigen Gründen zu beurtheilen, den verweise ich auf die
Vergleichunng unserer Sinne, die ich in dem vierten Ab-
schnitt der Theorie der angenehmen und unangenehmen
[Spaltenumbruch] Empfindungen, gegen das Ende angestellt habe. Auch
wird man in Hrn. Herders Untersuchung über den Ur-
sprung der Sprache, welche den Preiß bey der Berlini-
schen Academie der Wissenschaften erhalten hat, einige
ganz wichtige Bemerkungen hierüber finden.
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den Ton ⅐, der in unſerm Syſtem zwiſchen A und B
fallen wuͤrde, wie auch Tartini will, anzunehmen. (*)

Ueber die Bedeutung des Worts Klang, merken
wir noch an, daß der Schall, in ſo fern er anhal-
tend und wolklingend iſt, mit dem Worte Klang,
der Klang aber, in ſo fern er hoch oder tief iſt, mit
dem Worte Ton bezeichnet wird. Man ſagt nie,
ein hoher oder tiefer Klang, ſondern Ton. Jn An-
ſehung der Reinigkeit, ſagt man zwar von einer ein-
zelen Sayte, ſie habe einen reinen Ton (beſſer Klang)
aber von einem Jnſtrument uͤberhaupt, einer Vio-
lin oder einen Clavier, ſie habe einen guten Klang.

Klang.
(Redende Kuͤnſte.)

Das menſchliche Genie hat zwey Mittel erfunden
den Gedanken ein koͤrperliches Weſen zu geben, wo-
durch ſie den aͤuſſern Sinnen empfindbar werden;
eines fuͤr das Gehoͤr, das andere fuͤr das Geſicht.
Jenes iſt weit kraͤftiger als dieſes, weil das Gehoͤr
ſtaͤrker empfindet, als das Aug. (*) Wir betrach-
ten hier den Klang, oder Schall blos in ſo fern er
ein Mittel iſt einzele Begriffe, oder zuſammenge-
ſetzte Vorſtellungen, andern vermitttlſt des Gehoͤ-
res mitzutheilen. Es ließe ſich zeigen, daß zu die-
ſem Behuf von unſern Sinnen keiner ſo tauglich
ſey, als das Gehoͤr; wir wollen es aber, um uns
nicht in allzutiefe Betrachtungen einzulaſſen, hier
als bekannt annehmen. (†) Hier zeiget ſich alſo
gleich die Wichtigkeit der Betrachtung der Sprache,
in ſo fern ſie Klang iſt. Wir wollen uns aber hier
blos auf das Aeſthetiſche einſchraͤnken.

Man bedenke, wie ſchwach uns die Sprach ruͤh-
ren wuͤrde, wenn wir ſie blos in der Schrift, ohne
Klang haͤtten. Schon finden wir einen ſehr großen
Unterſchied zwiſchen dem ſtummen Leſen und dem
lauten Vortrag einer Sache; und doch wird auch
dem ſtummen Leſen einigermaaßen durch den Klang
aufgeholfen, der ſich wenigſtens in der Einbildungs-
kraft immer dabey hoͤren laͤßt. Fuͤr die redenden
Kuͤnſte iſt der Klang der Rede von großer Wichtig-
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Kla
keit. Seine aͤſthetiſche Kraft kann ſich auf dreyerley
Art aͤuſſern. Je vollkommener er iſt, je ſtaͤrker und
lebhafter praͤget er einzele Begriffe in die Vor-
ſtellungskraft; zuſammengeſetzte Vorſtellungen, hilft
er in eine leicht faßliche und angenehme Form zu-
bringen; endlich kann er auch das Leidenſchaftliche
der Vorſtellungen verſtaͤrken.

Die Theorie der redenden Kuͤnſte betrachtet dem-
nach den Klang, in Abſicht auf einzele Woͤrter —
auf Redensarten und Perioden — und auf das
Leidenſchaftliche der Toͤne. Hier ſchraͤnken wir uns
auf den erſten Punkt ein; der andere iſt in die Ar-
kel Wolklang und Perioden vertheilt, und der dritte
kommt in der Betrachtung des lebendigen oder des
leidenſchaftlichen Ausdruks vor.

Der Endzwek der Beredſamkeit und Dichtkunſt
erfordert, daß jedes einzele Wort, wenn man auch
nicht auf das Leidenſchaftliche ſieht, das Gehoͤr mit
hinlaͤnglicher Staͤrke und Klarheit ruͤhre, daß es
ſchnell begriffen, und leicht behalten werde. Das
erſtere erwekt Aufmerkſamkeit und zwinget uns An-
theil an der Sache zu nehmen; das andre erleichtert
die Vorſtellung, und das dritte den fortdauernden
Beſitz derſelben. Hieraus laͤßt ſich leicht beſtim-
men, wie die Woͤrter der Sprache in Anſehung
des Klanges muͤſſen beſchaffen ſeyn, wenn ſie den
redenden Kuͤnſten dieſe drey Vortheile verſchaffen
ſollen. Jhre erſte Eigenſchaft iſt, daß ſie laut und
volltoͤnend ſeyen, und mit gehoͤriger Staͤrke gleichſam
anpochen, um auch bey mittelmaͤßiger Aufmerkſam-
keit ihre Wuͤrkung zu thun. Was dazu gehoͤre iſt
leicht zu ſehen; viel und volltoͤnende Selbſtlauter,
Toͤne die einen offenen Mund erfordern, die mitten
im Munde, weder zu tief in der Kehle, noch zu weit
vor zwiſchen den Zaͤhnen, oder blos auf den Lippen
gebildet werden. Dazu muͤſſen noch ſtarke Accente
kommen, und mehr lange, als kurze Selbſtlauter.
Je naͤher uͤberhaupt die Ausſprach einzeler Worte
dem Geſange kommt, je ſtaͤrker ſind ſie.

Die zweyte Eigenſchaft der Woͤrter iſt ein deut-
licher Klang. Den haben ſie, wenn die verſchiedenen

Syl-
(*) S.
Syſtem.
(*) S.
Art. Ge-
ſang. S.
461.
(†) [Spaltenumbruch]
Wem daran gelegen iſt, alles, was hier und da,
von der oͤſthetiſchen Kraft der Toͤne augemerkt wird, aus
richtigen Gruͤnden zu beurtheilen, den verweiſe ich auf die
Vergleichunng unſerer Sinne, die ich in dem vierten Ab-
ſchnitt der Theorie der angenehmen und unangenehmen
[Spaltenumbruch] Empfindungen, gegen das Ende angeſtellt habe. Auch
wird man in Hrn. Herders Unterſuchung uͤber den Ur-
ſprung der Sprache, welche den Preiß bey der Berlini-
ſchen Academie der Wiſſenſchaften erhalten hat, einige
ganz wichtige Bemerkungen hieruͤber finden.
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[587/0022] Kla Kla den Ton ⅐, der in unſerm Syſtem zwiſchen A und B fallen wuͤrde, wie auch Tartini will, anzunehmen. (*) Ueber die Bedeutung des Worts Klang, merken wir noch an, daß der Schall, in ſo fern er anhal- tend und wolklingend iſt, mit dem Worte Klang, der Klang aber, in ſo fern er hoch oder tief iſt, mit dem Worte Ton bezeichnet wird. Man ſagt nie, ein hoher oder tiefer Klang, ſondern Ton. Jn An- ſehung der Reinigkeit, ſagt man zwar von einer ein- zelen Sayte, ſie habe einen reinen Ton (beſſer Klang) aber von einem Jnſtrument uͤberhaupt, einer Vio- lin oder einen Clavier, ſie habe einen guten Klang. Klang. (Redende Kuͤnſte.) Das menſchliche Genie hat zwey Mittel erfunden den Gedanken ein koͤrperliches Weſen zu geben, wo- durch ſie den aͤuſſern Sinnen empfindbar werden; eines fuͤr das Gehoͤr, das andere fuͤr das Geſicht. Jenes iſt weit kraͤftiger als dieſes, weil das Gehoͤr ſtaͤrker empfindet, als das Aug. (*) Wir betrach- ten hier den Klang, oder Schall blos in ſo fern er ein Mittel iſt einzele Begriffe, oder zuſammenge- ſetzte Vorſtellungen, andern vermitttlſt des Gehoͤ- res mitzutheilen. Es ließe ſich zeigen, daß zu die- ſem Behuf von unſern Sinnen keiner ſo tauglich ſey, als das Gehoͤr; wir wollen es aber, um uns nicht in allzutiefe Betrachtungen einzulaſſen, hier als bekannt annehmen. (†) Hier zeiget ſich alſo gleich die Wichtigkeit der Betrachtung der Sprache, in ſo fern ſie Klang iſt. Wir wollen uns aber hier blos auf das Aeſthetiſche einſchraͤnken. Man bedenke, wie ſchwach uns die Sprach ruͤh- ren wuͤrde, wenn wir ſie blos in der Schrift, ohne Klang haͤtten. Schon finden wir einen ſehr großen Unterſchied zwiſchen dem ſtummen Leſen und dem lauten Vortrag einer Sache; und doch wird auch dem ſtummen Leſen einigermaaßen durch den Klang aufgeholfen, der ſich wenigſtens in der Einbildungs- kraft immer dabey hoͤren laͤßt. Fuͤr die redenden Kuͤnſte iſt der Klang der Rede von großer Wichtig- keit. Seine aͤſthetiſche Kraft kann ſich auf dreyerley Art aͤuſſern. Je vollkommener er iſt, je ſtaͤrker und lebhafter praͤget er einzele Begriffe in die Vor- ſtellungskraft; zuſammengeſetzte Vorſtellungen, hilft er in eine leicht faßliche und angenehme Form zu- bringen; endlich kann er auch das Leidenſchaftliche der Vorſtellungen verſtaͤrken. Die Theorie der redenden Kuͤnſte betrachtet dem- nach den Klang, in Abſicht auf einzele Woͤrter — auf Redensarten und Perioden — und auf das Leidenſchaftliche der Toͤne. Hier ſchraͤnken wir uns auf den erſten Punkt ein; der andere iſt in die Ar- kel Wolklang und Perioden vertheilt, und der dritte kommt in der Betrachtung des lebendigen oder des leidenſchaftlichen Ausdruks vor. Der Endzwek der Beredſamkeit und Dichtkunſt erfordert, daß jedes einzele Wort, wenn man auch nicht auf das Leidenſchaftliche ſieht, das Gehoͤr mit hinlaͤnglicher Staͤrke und Klarheit ruͤhre, daß es ſchnell begriffen, und leicht behalten werde. Das erſtere erwekt Aufmerkſamkeit und zwinget uns An- theil an der Sache zu nehmen; das andre erleichtert die Vorſtellung, und das dritte den fortdauernden Beſitz derſelben. Hieraus laͤßt ſich leicht beſtim- men, wie die Woͤrter der Sprache in Anſehung des Klanges muͤſſen beſchaffen ſeyn, wenn ſie den redenden Kuͤnſten dieſe drey Vortheile verſchaffen ſollen. Jhre erſte Eigenſchaft iſt, daß ſie laut und volltoͤnend ſeyen, und mit gehoͤriger Staͤrke gleichſam anpochen, um auch bey mittelmaͤßiger Aufmerkſam- keit ihre Wuͤrkung zu thun. Was dazu gehoͤre iſt leicht zu ſehen; viel und volltoͤnende Selbſtlauter, Toͤne die einen offenen Mund erfordern, die mitten im Munde, weder zu tief in der Kehle, noch zu weit vor zwiſchen den Zaͤhnen, oder blos auf den Lippen gebildet werden. Dazu muͤſſen noch ſtarke Accente kommen, und mehr lange, als kurze Selbſtlauter. Je naͤher uͤberhaupt die Ausſprach einzeler Worte dem Geſange kommt, je ſtaͤrker ſind ſie. Die zweyte Eigenſchaft der Woͤrter iſt ein deut- licher Klang. Den haben ſie, wenn die verſchiedenen Syl- (*) S. Syſtem. (*) S. Art. Ge- ſang. S. 461. (†) Wem daran gelegen iſt, alles, was hier und da, von der oͤſthetiſchen Kraft der Toͤne augemerkt wird, aus richtigen Gruͤnden zu beurtheilen, den verweiſe ich auf die Vergleichunng unſerer Sinne, die ich in dem vierten Ab- ſchnitt der Theorie der angenehmen und unangenehmen Empfindungen, gegen das Ende angeſtellt habe. Auch wird man in Hrn. Herders Unterſuchung uͤber den Ur- ſprung der Sprache, welche den Preiß bey der Berlini- ſchen Academie der Wiſſenſchaften erhalten hat, einige ganz wichtige Bemerkungen hieruͤber finden. E e e e 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/22>, abgerufen am 22.11.2024.