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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Kla
uns der Ton zu seyn. Es läßt sich mathematisch
beweisen, daß zwey Töne um das Jntervall einer
Octave von einander abstehen, wenn die Schläge,
des einen noch einmal so geschwind auf einander
folgen, als die Schläge des andern; und so
kann jedes Jntervall durch das Verhältnis der
Geschwindigkeit der Schläge in Zahlen ausgedruckt
werden.

Man hat auf diese Art gefunden, daß der Tiefste
in der Musik noch brauchbare Ton, der noch um
zwey Octaven tiefer ist, als das sogenannte große C,
in einer Secunde 30 Schläge an das Ohr thut,
der höchste brauchbare Ton aber, oder das vierge-
strichene c, in gleicher Zeit 3760. (*) Wenn
das erwähnte unterste C. 30 Schläge in einer
Secunde thut, so thut seine Octave, 60 Schläge in
derselben Zeit. Darum kann man sagen, der Uni-
sonus verhalte sich zur Octave, wie 30 zu 60 oder
wie 1 zu 2. Also drukt das Verhältnis 1 : 2 die
Octaven aus; und auf eine ähnliche Art das Ver-
hältniß 2 : 3. die Quinte; weil von zwey Tönen,
deren Jntervall eine reine Quinte macht, der tie-
fere zwey Schläge thut, da der höhere drey macht.

Dadurch wird nun der Ausdruk aller Jntervalle
durch Zahlen, so wie er durch dieses Werk überall
gebraucht worden ist, (*) verständlich. Einige Ton-
lehrer drüken die Verhältnisse durch die Länge der
Sayten aus. Beydes kommt auf dieselben Zahlen
heraus. Denn es ist erwiesen, daß bey klingenden
Sayten die Anzahl der Schläge in dem umgekehrten
Verhältnis der Länge der Sayten erfolget; (*)
(wenn nämlich die Sayten sonst gleich und gleich
stark gespannt sind,) so daß eine noch einmal so
viel Schläge thut, als eine andere, wenn diese noch
einmal so lang ist. Daher kann man die Jntervalle
auch durch die Länge der Sayten ausdrüken; in
welchem Fall dieselben Zahlen nur umgekehrt wer-
den. Also müßte nach dieser Art das Verhältnis
der Octave durch 2 : 1, der Quinte durch 3 : 2 aus-
gedrückt werden. Dieses sey von der Höhe und
und Tiefe des Klanges gesagt.

Aus der wahren Beschaffenheit des Klanges hat
man auch entdeket, woher die Reinigkeit eines To-
nes entsteht; man hat gefunden, daß der Ton rein
ist, dessen Schläge durchaus gleich geschwind sind,
und sich durch Punkte vorstellen lassen, die alle gleich
weit von einander abstehen ....., da der un-
reine, unmusikalische Ton aus Schlägen besteht,
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Kla
die unordentlich auf einander folgen, wie Punkte
die bald weiter bald enger stünden. Auch hat
man gefunden, daß dieses Unreine des Tones,
bey Sayten daher kommt, daß die Sayten biswei-
len an einigen Stellen diker, oder dünner sind, als
an andern.

Noch wichtiger als dieses, ist die Entdekung der wah-
ren Ursache der Annehmlichkeit eines reinen Klanges,
auf welche die angezeigte Theorie des Klanges geführt
hat. Wir wollen diese wichtige Sache so genau, als
möglich ist, entwikeln. Wenn wir, wie in den vor-
hergehenden Anmerkungen geschehen ist, jeden ste-
ten, aus nicht zuunterscheidenden Schlägen beste-
henden Schall, einen Klang nennen wollen, so giebt
es unangenehme, und zur Musik völlig unbrauch-
bare Klänge, die mehr schnatternde, oder klappernde,
als singende Töne bilden. So ist das Rasseln der
Räder an einem sehr schnell gehenden Wagen. Es
besteht auch aus einzeln Schlägen, die in einander
fliessen; aber es verdienet den Namen des Klanges
nicht; ist auch dem Gehör nicht angenehm. Aber
jeder Klang einer reinen Sayte, einer reinen Gloke,
er falle auf welche Höhe er wolle, wenn er nur nicht
ganz über, oder unter unsern Gehörkreis liegt, ist
angenehm: dessen wird kein Mensch in Abrede seyn.
Da nun beydes, das Rasseln eines Rads, und das
Klingen einer reinen Sayte, aus schnell und allen-
falls in gleichen Zeitpunkten wiederhohlten, in ein-
ander fliessenden einzeln Schlägen besteht, woher
kommt es, daß dieser angenehm ist?

Die Entdekungen, die man über die Beschaffen-
heit der klingenden Sayten gemacht hat, haben auch
die Auflösung dieser Frag an die Hand gegeben oder
doch bestätiget. Denn noch ehe man die Bewegun-
gen einer klingenden Sayte zu berechnen wußte,
und schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts,
ist die Beobachtung bekannt worden, daß ein reiner
etwas tiefer Ton einer Sayte, einem geübten Ge-
hör, außer dem Unisonus, oder Grundton, auch
dessen Octave, dessen Duodecime, auch wol gar
die zweyte Octave und deren große Terz hören lasse.
Eine wichtige Entdekung, wozu aber blos ein fei-
nes Gehör erfordert wurd. Um dieses jedem Leser
deutlich zu machen, wollen wir also setzen, man
schlage eine wol gespannte und reine Sayte an, die
den Ton C angebe; wer nun ein feines Gehör
hat, vernihmt diesen Ton C so, daß ihn dünkt er
höre zugleich, wiewol in geringer Stärke, die

Töne
(*) S. Eu-
leri Ten-
tamen No-
vae theo-
riae Musi-
cae c. I.

§. 13.
(*) Man
sehe beson-
ders die
Art Conso-
nanz; Dis-
sonanz; Jn-
tervall.
(*) S.
Art. Mo-
nochord.
Zweyter Theil. E e e e

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Kla
uns der Ton zu ſeyn. Es laͤßt ſich mathematiſch
beweiſen, daß zwey Toͤne um das Jntervall einer
Octave von einander abſtehen, wenn die Schlaͤge,
des einen noch einmal ſo geſchwind auf einander
folgen, als die Schlaͤge des andern; und ſo
kann jedes Jntervall durch das Verhaͤltnis der
Geſchwindigkeit der Schlaͤge in Zahlen ausgedruckt
werden.

Man hat auf dieſe Art gefunden, daß der Tiefſte
in der Muſik noch brauchbare Ton, der noch um
zwey Octaven tiefer iſt, als das ſogenannte große C,
in einer Secunde 30 Schlaͤge an das Ohr thut,
der hoͤchſte brauchbare Ton aber, oder das vierge-
ſtrichene c, in gleicher Zeit 3760. (*) Wenn
das erwaͤhnte unterſte C. 30 Schlaͤge in einer
Secunde thut, ſo thut ſeine Octave, 60 Schlaͤge in
derſelben Zeit. Darum kann man ſagen, der Uni-
ſonus verhalte ſich zur Octave, wie 30 zu 60 oder
wie 1 zu 2. Alſo drukt das Verhaͤltnis 1 : 2 die
Octaven aus; und auf eine aͤhnliche Art das Ver-
haͤltniß 2 : 3. die Quinte; weil von zwey Toͤnen,
deren Jntervall eine reine Quinte macht, der tie-
fere zwey Schlaͤge thut, da der hoͤhere drey macht.

Dadurch wird nun der Ausdruk aller Jntervalle
durch Zahlen, ſo wie er durch dieſes Werk uͤberall
gebraucht worden iſt, (*) verſtaͤndlich. Einige Ton-
lehrer druͤken die Verhaͤltniſſe durch die Laͤnge der
Sayten aus. Beydes kommt auf dieſelben Zahlen
heraus. Denn es iſt erwieſen, daß bey klingenden
Sayten die Anzahl der Schlaͤge in dem umgekehrten
Verhaͤltnis der Laͤnge der Sayten erfolget; (*)
(wenn naͤmlich die Sayten ſonſt gleich und gleich
ſtark geſpannt ſind,) ſo daß eine noch einmal ſo
viel Schlaͤge thut, als eine andere, wenn dieſe noch
einmal ſo lang iſt. Daher kann man die Jntervalle
auch durch die Laͤnge der Sayten ausdruͤken; in
welchem Fall dieſelben Zahlen nur umgekehrt wer-
den. Alſo muͤßte nach dieſer Art das Verhaͤltnis
der Octave durch 2 : 1, der Quinte durch 3 : 2 aus-
gedruͤckt werden. Dieſes ſey von der Hoͤhe und
und Tiefe des Klanges geſagt.

Aus der wahren Beſchaffenheit des Klanges hat
man auch entdeket, woher die Reinigkeit eines To-
nes entſteht; man hat gefunden, daß der Ton rein
iſt, deſſen Schlaͤge durchaus gleich geſchwind ſind,
und ſich durch Punkte vorſtellen laſſen, die alle gleich
weit von einander abſtehen ....., da der un-
reine, unmuſikaliſche Ton aus Schlaͤgen beſteht,
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Kla
die unordentlich auf einander folgen, wie Punkte
die bald weiter bald enger ſtuͤnden. Auch hat
man gefunden, daß dieſes Unreine des Tones,
bey Sayten daher kommt, daß die Sayten biswei-
len an einigen Stellen diker, oder duͤnner ſind, als
an andern.

Noch wichtiger als dieſes, iſt die Entdekung der wah-
ren Urſache der Annehmlichkeit eines reinen Klanges,
auf welche die angezeigte Theorie des Klanges gefuͤhrt
hat. Wir wollen dieſe wichtige Sache ſo genau, als
moͤglich iſt, entwikeln. Wenn wir, wie in den vor-
hergehenden Anmerkungen geſchehen iſt, jeden ſte-
ten, aus nicht zuunterſcheidenden Schlaͤgen beſte-
henden Schall, einen Klang nennen wollen, ſo giebt
es unangenehme, und zur Muſik voͤllig unbrauch-
bare Klaͤnge, die mehr ſchnatternde, oder klappernde,
als ſingende Toͤne bilden. So iſt das Raſſeln der
Raͤder an einem ſehr ſchnell gehenden Wagen. Es
beſteht auch aus einzeln Schlaͤgen, die in einander
flieſſen; aber es verdienet den Namen des Klanges
nicht; iſt auch dem Gehoͤr nicht angenehm. Aber
jeder Klang einer reinen Sayte, einer reinen Gloke,
er falle auf welche Hoͤhe er wolle, wenn er nur nicht
ganz uͤber, oder unter unſern Gehoͤrkreis liegt, iſt
angenehm: deſſen wird kein Menſch in Abrede ſeyn.
Da nun beydes, das Raſſeln eines Rads, und das
Klingen einer reinen Sayte, aus ſchnell und allen-
falls in gleichen Zeitpunkten wiederhohlten, in ein-
ander flieſſenden einzeln Schlaͤgen beſteht, woher
kommt es, daß dieſer angenehm iſt?

Die Entdekungen, die man uͤber die Beſchaffen-
heit der klingenden Sayten gemacht hat, haben auch
die Aufloͤſung dieſer Frag an die Hand gegeben oder
doch beſtaͤtiget. Denn noch ehe man die Bewegun-
gen einer klingenden Sayte zu berechnen wußte,
und ſchon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts,
iſt die Beobachtung bekannt worden, daß ein reiner
etwas tiefer Ton einer Sayte, einem geuͤbten Ge-
hoͤr, außer dem Uniſonus, oder Grundton, auch
deſſen Octave, deſſen Duodecime, auch wol gar
die zweyte Octave und deren große Terz hoͤren laſſe.
Eine wichtige Entdekung, wozu aber blos ein fei-
nes Gehoͤr erfordert wurd. Um dieſes jedem Leſer
deutlich zu machen, wollen wir alſo ſetzen, man
ſchlage eine wol geſpannte und reine Sayte an, die
den Ton C angebe; wer nun ein feines Gehoͤr
hat, vernihmt dieſen Ton C ſo, daß ihn duͤnkt er
hoͤre zugleich, wiewol in geringer Staͤrke, die

Toͤne
(*) S. Eu-
leri Ten-
tamen No-
vae theo-
riae Muſi-
cae c. I.

§. 13.
(*) Man
ſehe beſon-
ders die
Art Conſo-
nanz; Diſ-
ſonanz; Jn-
tervall.
(*) S.
Art. Mo-
nochord.
Zweyter Theil. E e e e
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[585/0020] Kla Kla uns der Ton zu ſeyn. Es laͤßt ſich mathematiſch beweiſen, daß zwey Toͤne um das Jntervall einer Octave von einander abſtehen, wenn die Schlaͤge, des einen noch einmal ſo geſchwind auf einander folgen, als die Schlaͤge des andern; und ſo kann jedes Jntervall durch das Verhaͤltnis der Geſchwindigkeit der Schlaͤge in Zahlen ausgedruckt werden. Man hat auf dieſe Art gefunden, daß der Tiefſte in der Muſik noch brauchbare Ton, der noch um zwey Octaven tiefer iſt, als das ſogenannte große C, in einer Secunde 30 Schlaͤge an das Ohr thut, der hoͤchſte brauchbare Ton aber, oder das vierge- ſtrichene c, in gleicher Zeit 3760. (*) Wenn das erwaͤhnte unterſte C. 30 Schlaͤge in einer Secunde thut, ſo thut ſeine Octave, 60 Schlaͤge in derſelben Zeit. Darum kann man ſagen, der Uni- ſonus verhalte ſich zur Octave, wie 30 zu 60 oder wie 1 zu 2. Alſo drukt das Verhaͤltnis 1 : 2 die Octaven aus; und auf eine aͤhnliche Art das Ver- haͤltniß 2 : 3. die Quinte; weil von zwey Toͤnen, deren Jntervall eine reine Quinte macht, der tie- fere zwey Schlaͤge thut, da der hoͤhere drey macht. Dadurch wird nun der Ausdruk aller Jntervalle durch Zahlen, ſo wie er durch dieſes Werk uͤberall gebraucht worden iſt, (*) verſtaͤndlich. Einige Ton- lehrer druͤken die Verhaͤltniſſe durch die Laͤnge der Sayten aus. Beydes kommt auf dieſelben Zahlen heraus. Denn es iſt erwieſen, daß bey klingenden Sayten die Anzahl der Schlaͤge in dem umgekehrten Verhaͤltnis der Laͤnge der Sayten erfolget; (*) (wenn naͤmlich die Sayten ſonſt gleich und gleich ſtark geſpannt ſind,) ſo daß eine noch einmal ſo viel Schlaͤge thut, als eine andere, wenn dieſe noch einmal ſo lang iſt. Daher kann man die Jntervalle auch durch die Laͤnge der Sayten ausdruͤken; in welchem Fall dieſelben Zahlen nur umgekehrt wer- den. Alſo muͤßte nach dieſer Art das Verhaͤltnis der Octave durch 2 : 1, der Quinte durch 3 : 2 aus- gedruͤckt werden. Dieſes ſey von der Hoͤhe und und Tiefe des Klanges geſagt. Aus der wahren Beſchaffenheit des Klanges hat man auch entdeket, woher die Reinigkeit eines To- nes entſteht; man hat gefunden, daß der Ton rein iſt, deſſen Schlaͤge durchaus gleich geſchwind ſind, und ſich durch Punkte vorſtellen laſſen, die alle gleich weit von einander abſtehen ....., da der un- reine, unmuſikaliſche Ton aus Schlaͤgen beſteht, die unordentlich auf einander folgen, wie Punkte die bald weiter bald enger ſtuͤnden. Auch hat man gefunden, daß dieſes Unreine des Tones, bey Sayten daher kommt, daß die Sayten biswei- len an einigen Stellen diker, oder duͤnner ſind, als an andern. Noch wichtiger als dieſes, iſt die Entdekung der wah- ren Urſache der Annehmlichkeit eines reinen Klanges, auf welche die angezeigte Theorie des Klanges gefuͤhrt hat. Wir wollen dieſe wichtige Sache ſo genau, als moͤglich iſt, entwikeln. Wenn wir, wie in den vor- hergehenden Anmerkungen geſchehen iſt, jeden ſte- ten, aus nicht zuunterſcheidenden Schlaͤgen beſte- henden Schall, einen Klang nennen wollen, ſo giebt es unangenehme, und zur Muſik voͤllig unbrauch- bare Klaͤnge, die mehr ſchnatternde, oder klappernde, als ſingende Toͤne bilden. So iſt das Raſſeln der Raͤder an einem ſehr ſchnell gehenden Wagen. Es beſteht auch aus einzeln Schlaͤgen, die in einander flieſſen; aber es verdienet den Namen des Klanges nicht; iſt auch dem Gehoͤr nicht angenehm. Aber jeder Klang einer reinen Sayte, einer reinen Gloke, er falle auf welche Hoͤhe er wolle, wenn er nur nicht ganz uͤber, oder unter unſern Gehoͤrkreis liegt, iſt angenehm: deſſen wird kein Menſch in Abrede ſeyn. Da nun beydes, das Raſſeln eines Rads, und das Klingen einer reinen Sayte, aus ſchnell und allen- falls in gleichen Zeitpunkten wiederhohlten, in ein- ander flieſſenden einzeln Schlaͤgen beſteht, woher kommt es, daß dieſer angenehm iſt? Die Entdekungen, die man uͤber die Beſchaffen- heit der klingenden Sayten gemacht hat, haben auch die Aufloͤſung dieſer Frag an die Hand gegeben oder doch beſtaͤtiget. Denn noch ehe man die Bewegun- gen einer klingenden Sayte zu berechnen wußte, und ſchon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts, iſt die Beobachtung bekannt worden, daß ein reiner etwas tiefer Ton einer Sayte, einem geuͤbten Ge- hoͤr, außer dem Uniſonus, oder Grundton, auch deſſen Octave, deſſen Duodecime, auch wol gar die zweyte Octave und deren große Terz hoͤren laſſe. Eine wichtige Entdekung, wozu aber blos ein fei- nes Gehoͤr erfordert wurd. Um dieſes jedem Leſer deutlich zu machen, wollen wir alſo ſetzen, man ſchlage eine wol geſpannte und reine Sayte an, die den Ton C angebe; wer nun ein feines Gehoͤr hat, vernihmt dieſen Ton C ſo, daß ihn duͤnkt er hoͤre zugleich, wiewol in geringer Staͤrke, die Toͤne (*) S. Eu- leri Ten- tamen No- vae theo- riae Muſi- cae c. I. §. 13. (*) Man ſehe beſon- ders die Art Conſo- nanz; Diſ- ſonanz; Jn- tervall. (*) S. Art. Mo- nochord. Zweyter Theil. E e e e

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/20>, abgerufen am 28.04.2024.