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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Mit
schen die nicht begreifen können, daß man unglük-
lich sey, so lange man Macht oder Reichthum besizt,
und dadurch in Stand gesezt wird, sich alles, was
zum Vergnügen der Sinnen gehört, zu verschaffen.
Wie die Menschen, nach einer gemeinen, oder feine-
ren Sinnesart, ihr Vergnügen an gröberen, oder
feineren Dingen finden, so urtheilen und empfinden
sie auch verschiedentlich bey dem Elend, und danach
richtet sich nothwendig das Mitleiden.

Die unmittelbare Würkung dieser Leidenschaft,
in so fern sie durch die Werke der schönen Künste
erregt wird, ist gar ofte nur vorübergehend; eine
bey dem Schmerz nicht unangenehme Empfindung,
weil der Mensch alles liebet, was sein Gemüth
ohne wiedrige daurende Folgen in Bewegung sezet. (*)
So ist das Mitleiden, das wir mit dem Oedipus
beym Sophokles haben. Es kann auf nichts ab-
zielen. Doch giebt es auch Gelegenheiten, wo mehr
damit ausgerichtet wird. Der Redner kann durch
Erwekung des Mitleidens für einen Beklagten, ihn
von der Strafe retten; oder wo das Mitleiden für
einen Beleidigten rege gemacht wird, dem Beleidi-
ger eine schwerere Strafe zu ziehen. Aber die gute
Würkung des Mitleidens kann sich, wenn nur die
Sachen recht behandelt werden, noch weiter erstre-
ken. Dieses verdienet eine nähere Betrachtung.

Wenn wir unter eigenem Schmerzen fremdes
Elend sehen, das aus Boßheit, Uebereilung, oder
blos unschiklichem Betragen andrer Menschen auf
die Leidenden gekommen ist; so werden wir dadurch
kräftig gewarnet, uns selbst vor solchem Betragen,
dadurch andre unglüklich werden, sorgfältig zu hü-
ten, und wir werden mit lebhaftem Unwillen die
Boßheit verabscheuhen, die andre elend gemacht
hat. So würkt das Mitleiden, das wir mit der
Jphigenia und ihrer Mutter haben, Abscheu gegen
die verdammte Ehr- und Herrschsucht des Agamem-
nons, der selbst das Leben einer liebenswürdigen
Tochter aufgeopfert worden. Wer wird nicht,
wenn ihn das Elend eines unterdrükten Volks bis
zu Thränen gerührt hat, die Tyranney und jeden
Unterdrüker auf ewig hassen? Wer kann, ohne dem
Geiz zu fluchen, die mitleidenswürdige Scene be-
trachten, die Horaz so rührend schildert. (*) Ueber-
haupt also kann das Mitleiden dienen, Haß und
Abscheu gegen solche Laster zu erweken, wodurch un-
schuldige Menschen unglüklich werden. Der Künst-
ler verdienet unsern Dank, der die Scenen des
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Mit
Elends, das Laster über unschuldige gebracht hat,
so schildert, daß wir lebhaftes Mitleiden fühlen.
Der gottlose boshafte Mensch wird freylich dadurch
nicht gebessert; aber die Menschlichkeit gewinnt doch
dabey, wennn er gehaßt und verabscheuhet wird.

Aber nicht nur ganz verworfene, sondern auch
sonst noch gute Menschen, können durch Leidenschaf-
ten verleitet, oder aus Uebereilung, aus Vorurtheil,
und mancherley Schwachheiten, andre Menschen
elend machen. Das Mitleiden, das wir dabey em-
pfinden, warnet uns ernstlich, daß wir gegen solche
Schwachheiten auf guter Hut seyen. Wird nicht
ein Vater sich hüten, einer sonst liebenswürdigen,
aber von Zärtlichkeit übereilten Tochter mit Härte
zu begegnen, wenn er das Mitleiden über so man-
cherley Jammer, das eine solche Härte über ganze
Familien gebracht hat, gefühlt, wenn er z. B. Sha-
kespears Romeo und Juliette vorstellen, gesehen?
Welcher Jüngling, wenn er nicht ganz des Gefühls
beraubet ist, wird sich nicht mit äußerster Sorgfalt
in Acht nehmen, ein zärtliches Mädchen, zu dessen
Besiz er nicht gelangen kann, zur Liebe gegen ihn
zu verleiten, wenn er das Mitleiden gefühlt hat,
das Clementinens Wahnwiz in jedem nicht ganz un-
empfindlichen Herzen auf das lebhafteste erweket?

Aus diesen und tausend andern Beyspielen erhel-
let, was für gute Würkungen aus dem Mitleiden
durch die Werke der schönen Künste erfolgen können.
Vielleicht wär es auch möglich harte und unem-
pfindliche Seelen, die durch fremde Noth noch nie
gerührt worden, durch solche Werke allmählig em-
pfindsam zu machen. Was sie bey den verschiede-
den mitleidenswürdigen Scenen des Lebens noch
nicht gefühlt haben, könnte ihnen vielleicht durch
recht lebhafte Schilderungen nach und nach fühlbar
werden.

Allein es verdienet auch angemerkt zu werden,
daß das Mitleiden, wie alle sonst unmittelbar gute
Leidenschaften, schädlich werden kann, wenn es zu
weit getrieben wird. Seiner Natur nach benihmt
es immer der Seele von ihrer Stärke. Der Mensch
aber bekommt seinen Werth mehr von den würken-
den, als von den leidenden Kräften; man kann
sehr mitleidig und im übrigen sehr wenig werth, und
keiner, nur ein wenig Anstrengung der Kräfte erfo-
dernden, guten Handlung fähig seyn. Also könnte
der übertriebene Hang zum Mitleiden in bloße Weich-
lichkeit ausarten. Alsdann würde es auch zu nichts

mehr
(*) Man
sehe, was
hievon im
Art Lei-
denschaf-
ten. S. 701
angemerkt
worden.
(*) Od. L.
II. Od. 18.
vs. 26 ß.

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Mit
ſchen die nicht begreifen koͤnnen, daß man ungluͤk-
lich ſey, ſo lange man Macht oder Reichthum beſizt,
und dadurch in Stand geſezt wird, ſich alles, was
zum Vergnuͤgen der Sinnen gehoͤrt, zu verſchaffen.
Wie die Menſchen, nach einer gemeinen, oder feine-
ren Sinnesart, ihr Vergnuͤgen an groͤberen, oder
feineren Dingen finden, ſo urtheilen und empfinden
ſie auch verſchiedentlich bey dem Elend, und danach
richtet ſich nothwendig das Mitleiden.

Die unmittelbare Wuͤrkung dieſer Leidenſchaft,
in ſo fern ſie durch die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte
erregt wird, iſt gar ofte nur voruͤbergehend; eine
bey dem Schmerz nicht unangenehme Empfindung,
weil der Menſch alles liebet, was ſein Gemuͤth
ohne wiedrige daurende Folgen in Bewegung ſezet. (*)
So iſt das Mitleiden, das wir mit dem Oedipus
beym Sophokles haben. Es kann auf nichts ab-
zielen. Doch giebt es auch Gelegenheiten, wo mehr
damit ausgerichtet wird. Der Redner kann durch
Erwekung des Mitleidens fuͤr einen Beklagten, ihn
von der Strafe retten; oder wo das Mitleiden fuͤr
einen Beleidigten rege gemacht wird, dem Beleidi-
ger eine ſchwerere Strafe zu ziehen. Aber die gute
Wuͤrkung des Mitleidens kann ſich, wenn nur die
Sachen recht behandelt werden, noch weiter erſtre-
ken. Dieſes verdienet eine naͤhere Betrachtung.

Wenn wir unter eigenem Schmerzen fremdes
Elend ſehen, das aus Boßheit, Uebereilung, oder
blos unſchiklichem Betragen andrer Menſchen auf
die Leidenden gekommen iſt; ſo werden wir dadurch
kraͤftig gewarnet, uns ſelbſt vor ſolchem Betragen,
dadurch andre ungluͤklich werden, ſorgfaͤltig zu huͤ-
ten, und wir werden mit lebhaftem Unwillen die
Boßheit verabſcheuhen, die andre elend gemacht
hat. So wuͤrkt das Mitleiden, das wir mit der
Jphigenia und ihrer Mutter haben, Abſcheu gegen
die verdammte Ehr- und Herrſchſucht des Agamem-
nons, der ſelbſt das Leben einer liebenswuͤrdigen
Tochter aufgeopfert worden. Wer wird nicht,
wenn ihn das Elend eines unterdruͤkten Volks bis
zu Thraͤnen geruͤhrt hat, die Tyranney und jeden
Unterdruͤker auf ewig haſſen? Wer kann, ohne dem
Geiz zu fluchen, die mitleidenswuͤrdige Scene be-
trachten, die Horaz ſo ruͤhrend ſchildert. (*) Ueber-
haupt alſo kann das Mitleiden dienen, Haß und
Abſcheu gegen ſolche Laſter zu erweken, wodurch un-
ſchuldige Menſchen ungluͤklich werden. Der Kuͤnſt-
ler verdienet unſern Dank, der die Scenen des
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Mit
Elends, das Laſter uͤber unſchuldige gebracht hat,
ſo ſchildert, daß wir lebhaftes Mitleiden fuͤhlen.
Der gottloſe boshafte Menſch wird freylich dadurch
nicht gebeſſert; aber die Menſchlichkeit gewinnt doch
dabey, wennn er gehaßt und verabſcheuhet wird.

Aber nicht nur ganz verworfene, ſondern auch
ſonſt noch gute Menſchen, koͤnnen durch Leidenſchaf-
ten verleitet, oder aus Uebereilung, aus Vorurtheil,
und mancherley Schwachheiten, andre Menſchen
elend machen. Das Mitleiden, das wir dabey em-
pfinden, warnet uns ernſtlich, daß wir gegen ſolche
Schwachheiten auf guter Hut ſeyen. Wird nicht
ein Vater ſich huͤten, einer ſonſt liebenswuͤrdigen,
aber von Zaͤrtlichkeit uͤbereilten Tochter mit Haͤrte
zu begegnen, wenn er das Mitleiden uͤber ſo man-
cherley Jammer, das eine ſolche Haͤrte uͤber ganze
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kespears Romeo und Juliette vorſtellen, geſehen?
Welcher Juͤngling, wenn er nicht ganz des Gefuͤhls
beraubet iſt, wird ſich nicht mit aͤußerſter Sorgfalt
in Acht nehmen, ein zaͤrtliches Maͤdchen, zu deſſen
Beſiz er nicht gelangen kann, zur Liebe gegen ihn
zu verleiten, wenn er das Mitleiden gefuͤhlt hat,
das Clementinens Wahnwiz in jedem nicht ganz un-
empfindlichen Herzen auf das lebhafteſte erweket?

Aus dieſen und tauſend andern Beyſpielen erhel-
let, was fuͤr gute Wuͤrkungen aus dem Mitleiden
durch die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte erfolgen koͤnnen.
Vielleicht waͤr es auch moͤglich harte und unem-
pfindliche Seelen, die durch fremde Noth noch nie
geruͤhrt worden, durch ſolche Werke allmaͤhlig em-
pfindſam zu machen. Was ſie bey den verſchiede-
den mitleidenswuͤrdigen Scenen des Lebens noch
nicht gefuͤhlt haben, koͤnnte ihnen vielleicht durch
recht lebhafte Schilderungen nach und nach fuͤhlbar
werden.

Allein es verdienet auch angemerkt zu werden,
daß das Mitleiden, wie alle ſonſt unmittelbar gute
Leidenſchaften, ſchaͤdlich werden kann, wenn es zu
weit getrieben wird. Seiner Natur nach benihmt
es immer der Seele von ihrer Staͤrke. Der Menſch
aber bekommt ſeinen Werth mehr von den wuͤrken-
den, als von den leidenden Kraͤften; man kann
ſehr mitleidig und im uͤbrigen ſehr wenig werth, und
keiner, nur ein wenig Anſtrengung der Kraͤfte erfo-
dernden, guten Handlung faͤhig ſeyn. Alſo koͤnnte
der uͤbertriebene Hang zum Mitleiden in bloße Weich-
lichkeit ausarten. Alsdann wuͤrde es auch zu nichts

mehr
(*) Man
ſehe, was
hievon im
Art Lei-
denſchaf-
ten. S. 701
angemerkt
worden.
(*) Od. L.
II. Od. 18.
vs. 26 ß.
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[768[750]/0185] Mit Mit ſchen die nicht begreifen koͤnnen, daß man ungluͤk- lich ſey, ſo lange man Macht oder Reichthum beſizt, und dadurch in Stand geſezt wird, ſich alles, was zum Vergnuͤgen der Sinnen gehoͤrt, zu verſchaffen. Wie die Menſchen, nach einer gemeinen, oder feine- ren Sinnesart, ihr Vergnuͤgen an groͤberen, oder feineren Dingen finden, ſo urtheilen und empfinden ſie auch verſchiedentlich bey dem Elend, und danach richtet ſich nothwendig das Mitleiden. Die unmittelbare Wuͤrkung dieſer Leidenſchaft, in ſo fern ſie durch die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte erregt wird, iſt gar ofte nur voruͤbergehend; eine bey dem Schmerz nicht unangenehme Empfindung, weil der Menſch alles liebet, was ſein Gemuͤth ohne wiedrige daurende Folgen in Bewegung ſezet. (*) So iſt das Mitleiden, das wir mit dem Oedipus beym Sophokles haben. Es kann auf nichts ab- zielen. Doch giebt es auch Gelegenheiten, wo mehr damit ausgerichtet wird. Der Redner kann durch Erwekung des Mitleidens fuͤr einen Beklagten, ihn von der Strafe retten; oder wo das Mitleiden fuͤr einen Beleidigten rege gemacht wird, dem Beleidi- ger eine ſchwerere Strafe zu ziehen. Aber die gute Wuͤrkung des Mitleidens kann ſich, wenn nur die Sachen recht behandelt werden, noch weiter erſtre- ken. Dieſes verdienet eine naͤhere Betrachtung. Wenn wir unter eigenem Schmerzen fremdes Elend ſehen, das aus Boßheit, Uebereilung, oder blos unſchiklichem Betragen andrer Menſchen auf die Leidenden gekommen iſt; ſo werden wir dadurch kraͤftig gewarnet, uns ſelbſt vor ſolchem Betragen, dadurch andre ungluͤklich werden, ſorgfaͤltig zu huͤ- ten, und wir werden mit lebhaftem Unwillen die Boßheit verabſcheuhen, die andre elend gemacht hat. So wuͤrkt das Mitleiden, das wir mit der Jphigenia und ihrer Mutter haben, Abſcheu gegen die verdammte Ehr- und Herrſchſucht des Agamem- nons, der ſelbſt das Leben einer liebenswuͤrdigen Tochter aufgeopfert worden. Wer wird nicht, wenn ihn das Elend eines unterdruͤkten Volks bis zu Thraͤnen geruͤhrt hat, die Tyranney und jeden Unterdruͤker auf ewig haſſen? Wer kann, ohne dem Geiz zu fluchen, die mitleidenswuͤrdige Scene be- trachten, die Horaz ſo ruͤhrend ſchildert. (*) Ueber- haupt alſo kann das Mitleiden dienen, Haß und Abſcheu gegen ſolche Laſter zu erweken, wodurch un- ſchuldige Menſchen ungluͤklich werden. Der Kuͤnſt- ler verdienet unſern Dank, der die Scenen des Elends, das Laſter uͤber unſchuldige gebracht hat, ſo ſchildert, daß wir lebhaftes Mitleiden fuͤhlen. Der gottloſe boshafte Menſch wird freylich dadurch nicht gebeſſert; aber die Menſchlichkeit gewinnt doch dabey, wennn er gehaßt und verabſcheuhet wird. Aber nicht nur ganz verworfene, ſondern auch ſonſt noch gute Menſchen, koͤnnen durch Leidenſchaf- ten verleitet, oder aus Uebereilung, aus Vorurtheil, und mancherley Schwachheiten, andre Menſchen elend machen. Das Mitleiden, das wir dabey em- pfinden, warnet uns ernſtlich, daß wir gegen ſolche Schwachheiten auf guter Hut ſeyen. Wird nicht ein Vater ſich huͤten, einer ſonſt liebenswuͤrdigen, aber von Zaͤrtlichkeit uͤbereilten Tochter mit Haͤrte zu begegnen, wenn er das Mitleiden uͤber ſo man- cherley Jammer, das eine ſolche Haͤrte uͤber ganze Familien gebracht hat, gefuͤhlt, wenn er z. B. Sha- kespears Romeo und Juliette vorſtellen, geſehen? Welcher Juͤngling, wenn er nicht ganz des Gefuͤhls beraubet iſt, wird ſich nicht mit aͤußerſter Sorgfalt in Acht nehmen, ein zaͤrtliches Maͤdchen, zu deſſen Beſiz er nicht gelangen kann, zur Liebe gegen ihn zu verleiten, wenn er das Mitleiden gefuͤhlt hat, das Clementinens Wahnwiz in jedem nicht ganz un- empfindlichen Herzen auf das lebhafteſte erweket? Aus dieſen und tauſend andern Beyſpielen erhel- let, was fuͤr gute Wuͤrkungen aus dem Mitleiden durch die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte erfolgen koͤnnen. Vielleicht waͤr es auch moͤglich harte und unem- pfindliche Seelen, die durch fremde Noth noch nie geruͤhrt worden, durch ſolche Werke allmaͤhlig em- pfindſam zu machen. Was ſie bey den verſchiede- den mitleidenswuͤrdigen Scenen des Lebens noch nicht gefuͤhlt haben, koͤnnte ihnen vielleicht durch recht lebhafte Schilderungen nach und nach fuͤhlbar werden. Allein es verdienet auch angemerkt zu werden, daß das Mitleiden, wie alle ſonſt unmittelbar gute Leidenſchaften, ſchaͤdlich werden kann, wenn es zu weit getrieben wird. Seiner Natur nach benihmt es immer der Seele von ihrer Staͤrke. Der Menſch aber bekommt ſeinen Werth mehr von den wuͤrken- den, als von den leidenden Kraͤften; man kann ſehr mitleidig und im uͤbrigen ſehr wenig werth, und keiner, nur ein wenig Anſtrengung der Kraͤfte erfo- dernden, guten Handlung faͤhig ſeyn. Alſo koͤnnte der uͤbertriebene Hang zum Mitleiden in bloße Weich- lichkeit ausarten. Alsdann wuͤrde es auch zu nichts mehr (*) Man ſehe, was hievon im Art Lei- denſchaf- ten. S. 701 angemerkt worden. (*) Od. L. II. Od. 18. vs. 26 ß.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 768[750]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/185>, abgerufen am 24.11.2024.