Die Bezeichnung eines Begriffs durch einen Aus- druk, der die Beschaffenheit eines uns vorgehalte- nen Gegenstandes durch etwas ihr ähnliches, das in einem andern Gegenstand vorhanden ist, erken- nen läßt. Sie ist von der Allegorie darin unter- schieden, daß diese das Bild, aus dessen Aehnlich- keit mit einem andern wir dieses andre erkennen sol- len, uns allein vorhält, da bey der Metapher bey- der zugleich erwähnet wird. Wenn man sagt, der Verstand sey das Aug der Seele, so spricht man in einer Metapher, weil man die Beschaffenheit der Sache, die schon genennt worden, nämlich des Ver- standes durch die Aehnlichkeit, die er mit dem Auge hat, zu erkennen giebt: sagte man aber von einem Menschen: sein scharfes Aug wird ihm die Be- schaffenheit der Sache nicht verkennen lassen; so ist dieser Ausdruk, genau zu reden, allegorisch; weil der Gegenstand, der hier den Namen des Auges be- kommt, nicht genennet worden ist. Man nihmt es aber nicht immer so genau, und giebt fast allen kur- zen Allegorien den Namen der Metaphern. (+) Von der Vergleichung unterscheidet sich die Metapher da- durch, daß die Form, oder Wendung des ganzen Ausdruks der Metapher die Vergleichung nicht aus- drüklich anzeiget. Wenn man sagte, der Verstand ist gleichsam das Aug der Seele; so wäre dieses eine kurze Vergleichung. Also sind Allegorie, Ver- gleichung und Methapher nur in der Form verschie- den; alle gründen sich auf Aehnlichkeit, und die Gründe worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und ihr ganzer Werth beruhet, sind dieselben.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß alle Stamm- wörter jeder Sprache unmittelbar blos solche Ge- genstände bezeichnen, die einen Ton von sich geben, (*) und daß die Bedeutung derselben durch Aehnlichkeit auf andere Dinge angewendet worden. Diesem- nach wär der größte Theil der Wörter jeder Sprach methaphorisch, oder vielmehr allegorisch.
[Spaltenumbruch]
Met
Wir haben hier die Metapher blos in Absicht auf ihren ästhetischen Werth zu betrachten, und können die allgemeine Betrachtung derselben den Sprachleh- rern überlassen. Die meisten Metaphern, die im Grunde wahre Allegorien sind, hat die Nothwendig- keit, als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet, und durch die Länge der Zeit hat man vergessen, daß sie Metaphern sind; weil sie von undenklichen Zei- ten, als eigentliche Wörter gebraucht werden. Die Wörter Verstehen, Einschen, Fassen, Behalten, die gewisse Würkungen der Vorstellungskraft bezeich- nen, sind metaphorisch; aber Niemand denkt bey ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieser Metaphern gehört für den Sprachlehrer und für den Philosophen, der die wunderbaren Verbindun- gen unsrer Begriffe beobachten will. (++)
Jn der Theorie der schönen Künste kommen nur die Metaphern in Betrachtung, die ästhetische Kraft haben, und Sachen, die man ohne sie hätte bezeich- nen können, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht mehr als willkührliche Zeichen, sondern, als Bil- der erscheinen, an denen man die Beschaffenheit der Sachen lebhaft und anschauend erkennet. Von ih- rer Würkung ist bereits anderswo gesprochen wor- den (*) Hier bleibet nur über diesen Punkt noch anzumerken, daß die Metapher, wegen ihrer Kürze, da sie meistentheils mit einem einzigen Wort ausge- drükt wird, von schnellerer Würkung ist, als andre Bilder. Man findet, daß sie der Rede eine unge- meine Lebhaftigkeit giebt, und aus einer bey ihrer Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemählde macht. Schon dadurch allein kann ein sonst blos philoso- phischer Vortrag ästhetisch werden; weil er bey einer genauen Entwiklung der Gedanken die Einbildungs- kraft und überhaupt alle untern Vorstellungskräfte in beständiger Beschäftigung unterhält, und die Rede aus einem einförmigen, blos fruchtbaren Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber durch tausend abwechselnde Blumen reizende Flur verwandelt.
Es
(+) Die Sprachlehrer sagen insgemein, die Allegorie sey eine ausgedähnte, oder fortgesezte Metapher: richtiger und dem Ursprung dieser Dinge gemäßer würde man sa- gen, die Metapher sey eine kurze und im Vorbeygang an- gebrachte Allegorie. Denn diese ist eher, als die Meta- pher gewesen.
(*) Man sehe den Art leben- diger Aus druk.
(++)[Spaltenumbruch]
Wer das Genie des Menschen recht aus dem [Spaltenumbruch]
Grunde studiren will, sindet die beste Gelegenheit dazu in der Erforschung des Ursprungs der metaphorischen Aus- drüke. Wer hievon nähere Anzeige verlangt, kann nach- lesen, was ich in der academischen Abhandlung von dem wechselseitigen Ursprung der Vernunst und der Sprache hierüber angemerkt habe.
(*) S. Bild; Al- legorie.
[Spaltenumbruch]
Met
Methapher; Metaphoriſch. (Redende Kuͤnſte.)
Die Bezeichnung eines Begriffs durch einen Aus- druk, der die Beſchaffenheit eines uns vorgehalte- nen Gegenſtandes durch etwas ihr aͤhnliches, das in einem andern Gegenſtand vorhanden iſt, erken- nen laͤßt. Sie iſt von der Allegorie darin unter- ſchieden, daß dieſe das Bild, aus deſſen Aehnlich- keit mit einem andern wir dieſes andre erkennen ſol- len, uns allein vorhaͤlt, da bey der Metapher bey- der zugleich erwaͤhnet wird. Wenn man ſagt, der Verſtand ſey das Aug der Seele, ſo ſpricht man in einer Metapher, weil man die Beſchaffenheit der Sache, die ſchon genennt worden, naͤmlich des Ver- ſtandes durch die Aehnlichkeit, die er mit dem Auge hat, zu erkennen giebt: ſagte man aber von einem Menſchen: ſein ſcharfes Aug wird ihm die Be- ſchaffenheit der Sache nicht verkennen laſſen; ſo iſt dieſer Ausdruk, genau zu reden, allegoriſch; weil der Gegenſtand, der hier den Namen des Auges be- kommt, nicht genennet worden iſt. Man nihmt es aber nicht immer ſo genau, und giebt faſt allen kur- zen Allegorien den Namen der Metaphern. (†) Von der Vergleichung unterſcheidet ſich die Metapher da- durch, daß die Form, oder Wendung des ganzen Ausdruks der Metapher die Vergleichung nicht aus- druͤklich anzeiget. Wenn man ſagte, der Verſtand iſt gleichſam das Aug der Seele; ſo waͤre dieſes eine kurze Vergleichung. Alſo ſind Allegorie, Ver- gleichung und Methapher nur in der Form verſchie- den; alle gruͤnden ſich auf Aehnlichkeit, und die Gruͤnde worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und ihr ganzer Werth beruhet, ſind dieſelben.
Es iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß alle Stamm- woͤrter jeder Sprache unmittelbar blos ſolche Ge- genſtaͤnde bezeichnen, die einen Ton von ſich geben, (*) und daß die Bedeutung derſelben durch Aehnlichkeit auf andere Dinge angewendet worden. Dieſem- nach waͤr der groͤßte Theil der Woͤrter jeder Sprach methaphoriſch, oder vielmehr allegoriſch.
[Spaltenumbruch]
Met
Wir haben hier die Metapher blos in Abſicht auf ihren aͤſthetiſchen Werth zu betrachten, und koͤnnen die allgemeine Betrachtung derſelben den Sprachleh- rern uͤberlaſſen. Die meiſten Metaphern, die im Grunde wahre Allegorien ſind, hat die Nothwendig- keit, als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet, und durch die Laͤnge der Zeit hat man vergeſſen, daß ſie Metaphern ſind; weil ſie von undenklichen Zei- ten, als eigentliche Woͤrter gebraucht werden. Die Woͤrter Verſtehen, Einſchen, Faſſen, Behalten, die gewiſſe Wuͤrkungen der Vorſtellungskraft bezeich- nen, ſind metaphoriſch; aber Niemand denkt bey ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieſer Metaphern gehoͤrt fuͤr den Sprachlehrer und fuͤr den Philoſophen, der die wunderbaren Verbindun- gen unſrer Begriffe beobachten will. (††)
Jn der Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte kommen nur die Metaphern in Betrachtung, die aͤſthetiſche Kraft haben, und Sachen, die man ohne ſie haͤtte bezeich- nen koͤnnen, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht mehr als willkuͤhrliche Zeichen, ſondern, als Bil- der erſcheinen, an denen man die Beſchaffenheit der Sachen lebhaft und anſchauend erkennet. Von ih- rer Wuͤrkung iſt bereits anderswo geſprochen wor- den (*) Hier bleibet nur uͤber dieſen Punkt noch anzumerken, daß die Metapher, wegen ihrer Kuͤrze, da ſie meiſtentheils mit einem einzigen Wort ausge- druͤkt wird, von ſchnellerer Wuͤrkung iſt, als andre Bilder. Man findet, daß ſie der Rede eine unge- meine Lebhaftigkeit giebt, und aus einer bey ihrer Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemaͤhlde macht. Schon dadurch allein kann ein ſonſt blos philoſo- phiſcher Vortrag aͤſthetiſch werden; weil er bey einer genauen Entwiklung der Gedanken die Einbildungs- kraft und uͤberhaupt alle untern Vorſtellungskraͤfte in beſtaͤndiger Beſchaͤftigung unterhaͤlt, und die Rede aus einem einfoͤrmigen, blos fruchtbaren Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber durch tauſend abwechſelnde Blumen reizende Flur verwandelt.
Es
(†) Die Sprachlehrer ſagen insgemein, die Allegorie ſey eine ausgedaͤhnte, oder fortgeſezte Metapher: richtiger und dem Urſprung dieſer Dinge gemaͤßer wuͤrde man ſa- gen, die Metapher ſey eine kurze und im Vorbeygang an- gebrachte Allegorie. Denn dieſe iſt eher, als die Meta- pher geweſen.
(*) Man ſehe den Art leben- diger Aus druk.
(††)[Spaltenumbruch]
Wer das Genie des Menſchen recht aus dem [Spaltenumbruch]
Grunde ſtudiren will, ſindet die beſte Gelegenheit dazu in der Erforſchung des Urſprungs der metaphoriſchen Aus- druͤke. Wer hievon naͤhere Anzeige verlangt, kann nach- leſen, was ich in der academiſchen Abhandlung von dem wechſelſeitigen Urſprung der Vernunſt und der Sprache hieruͤber angemerkt habe.
(*) S. Bild; Al- legorie.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0178"n="761[743]"/><cb/></div><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Met</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Methapher; Metaphoriſch.</hi></hi><lb/>
(Redende Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Bezeichnung eines Begriffs durch einen Aus-<lb/>
druk, der die Beſchaffenheit eines uns vorgehalte-<lb/>
nen Gegenſtandes durch etwas ihr aͤhnliches, das<lb/>
in einem andern Gegenſtand vorhanden iſt, erken-<lb/>
nen laͤßt. Sie iſt von der Allegorie darin unter-<lb/>ſchieden, daß dieſe das Bild, aus deſſen Aehnlich-<lb/>
keit mit einem andern wir dieſes andre erkennen ſol-<lb/>
len, uns allein vorhaͤlt, da bey der Metapher bey-<lb/>
der zugleich erwaͤhnet wird. Wenn man ſagt, <hirendition="#fr">der<lb/>
Verſtand ſey das Aug der Seele,</hi>ſo ſpricht man in<lb/>
einer Metapher, weil man die Beſchaffenheit der<lb/>
Sache, die ſchon genennt worden, naͤmlich des Ver-<lb/>ſtandes durch die Aehnlichkeit, die er mit dem Auge<lb/>
hat, zu erkennen giebt: ſagte man aber von einem<lb/>
Menſchen: ſein <hirendition="#fr">ſcharfes Aug wird ihm die Be-<lb/>ſchaffenheit der Sache nicht verkennen laſſen;</hi>ſo iſt<lb/>
dieſer Ausdruk, genau zu reden, allegoriſch; weil<lb/>
der Gegenſtand, der hier den Namen des Auges be-<lb/>
kommt, nicht genennet worden iſt. Man nihmt es<lb/>
aber nicht immer ſo genau, und giebt faſt allen kur-<lb/>
zen Allegorien den Namen der Metaphern. <noteplace="foot"n="(†)">Die Sprachlehrer ſagen insgemein, die Allegorie<lb/>ſey eine ausgedaͤhnte, oder fortgeſezte Metapher: richtiger<lb/>
und dem Urſprung dieſer Dinge gemaͤßer wuͤrde man ſa-<lb/>
gen, die Metapher ſey eine kurze und im Vorbeygang an-<lb/>
gebrachte Allegorie. Denn dieſe iſt eher, als die Meta-<lb/>
pher geweſen.</note> Von<lb/>
der Vergleichung unterſcheidet ſich die Metapher da-<lb/>
durch, daß die Form, oder Wendung des ganzen<lb/>
Ausdruks der Metapher die Vergleichung nicht aus-<lb/>
druͤklich anzeiget. Wenn man ſagte, <hirendition="#fr">der Verſtand<lb/>
iſt gleichſam das Aug der Seele;</hi>ſo waͤre dieſes<lb/>
eine kurze Vergleichung. Alſo ſind Allegorie, Ver-<lb/>
gleichung und Methapher nur in der Form verſchie-<lb/>
den; alle gruͤnden ſich auf Aehnlichkeit, und die<lb/>
Gruͤnde worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und<lb/>
ihr ganzer Werth beruhet, ſind dieſelben.</p><lb/><p>Es iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß alle Stamm-<lb/>
woͤrter jeder Sprache unmittelbar blos ſolche Ge-<lb/>
genſtaͤnde bezeichnen, die einen Ton von ſich geben, <noteplace="foot"n="(*)">Man<lb/>ſehe den<lb/>
Art leben-<lb/>
diger Aus<lb/>
druk.</note><lb/>
und daß die Bedeutung derſelben durch Aehnlichkeit<lb/>
auf andere Dinge angewendet worden. Dieſem-<lb/>
nach waͤr der groͤßte Theil der Woͤrter jeder Sprach<lb/>
methaphoriſch, oder vielmehr allegoriſch.</p><lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Met</hi></fw><lb/><p>Wir haben hier die Metapher blos in Abſicht auf<lb/>
ihren aͤſthetiſchen Werth zu betrachten, und koͤnnen<lb/>
die allgemeine Betrachtung derſelben den Sprachleh-<lb/>
rern uͤberlaſſen. Die meiſten Metaphern, die im<lb/>
Grunde wahre Allegorien ſind, hat die Nothwendig-<lb/>
keit, als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet,<lb/>
und durch die Laͤnge der Zeit hat man vergeſſen, daß<lb/>ſie Metaphern ſind; weil ſie von undenklichen Zei-<lb/>
ten, als eigentliche Woͤrter gebraucht werden. Die<lb/>
Woͤrter <hirendition="#fr">Verſtehen, Einſchen, Faſſen, Behalten,</hi><lb/>
die gewiſſe Wuͤrkungen der Vorſtellungskraft bezeich-<lb/>
nen, ſind metaphoriſch; aber Niemand denkt bey<lb/>
ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieſer<lb/>
Metaphern gehoͤrt fuͤr den Sprachlehrer und fuͤr<lb/>
den Philoſophen, der die wunderbaren Verbindun-<lb/>
gen unſrer Begriffe beobachten will. <noteplace="foot"n="(††)"><cb/>
Wer das Genie des Menſchen recht aus dem<lb/><cb/>
Grunde ſtudiren will, ſindet die beſte Gelegenheit dazu<lb/>
in der Erforſchung des Urſprungs der metaphoriſchen Aus-<lb/>
druͤke. Wer hievon naͤhere Anzeige verlangt, kann nach-<lb/>
leſen, was ich in der academiſchen Abhandlung von dem<lb/>
wechſelſeitigen Urſprung der Vernunſt und der Sprache<lb/>
hieruͤber angemerkt habe.</note></p><lb/><p>Jn der Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte kommen nur<lb/>
die Metaphern in Betrachtung, die aͤſthetiſche Kraft<lb/>
haben, und Sachen, die man ohne ſie haͤtte bezeich-<lb/>
nen koͤnnen, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht<lb/>
mehr als willkuͤhrliche Zeichen, ſondern, als Bil-<lb/>
der erſcheinen, an denen man die Beſchaffenheit der<lb/>
Sachen lebhaft und anſchauend erkennet. Von ih-<lb/>
rer Wuͤrkung iſt bereits anderswo geſprochen wor-<lb/>
den <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Bild; Al-<lb/>
legorie.</note> Hier bleibet nur uͤber dieſen Punkt noch<lb/>
anzumerken, daß die Metapher, wegen ihrer Kuͤrze,<lb/>
da ſie meiſtentheils mit einem einzigen Wort ausge-<lb/>
druͤkt wird, von ſchnellerer Wuͤrkung iſt, als andre<lb/>
Bilder. Man findet, daß ſie der Rede eine unge-<lb/>
meine Lebhaftigkeit giebt, und aus einer bey ihrer<lb/>
Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemaͤhlde macht.<lb/>
Schon dadurch allein kann ein ſonſt blos philoſo-<lb/>
phiſcher Vortrag aͤſthetiſch werden; weil er bey einer<lb/>
genauen Entwiklung der Gedanken die Einbildungs-<lb/>
kraft und uͤberhaupt alle untern Vorſtellungskraͤfte<lb/>
in beſtaͤndiger Beſchaͤftigung unterhaͤlt, und die<lb/>
Rede aus einem einfoͤrmigen, blos fruchtbaren<lb/>
Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber<lb/>
durch tauſend abwechſelnde Blumen reizende Flur<lb/>
verwandelt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[761[743]/0178]
Met
Met
Methapher; Metaphoriſch.
(Redende Kuͤnſte.)
Die Bezeichnung eines Begriffs durch einen Aus-
druk, der die Beſchaffenheit eines uns vorgehalte-
nen Gegenſtandes durch etwas ihr aͤhnliches, das
in einem andern Gegenſtand vorhanden iſt, erken-
nen laͤßt. Sie iſt von der Allegorie darin unter-
ſchieden, daß dieſe das Bild, aus deſſen Aehnlich-
keit mit einem andern wir dieſes andre erkennen ſol-
len, uns allein vorhaͤlt, da bey der Metapher bey-
der zugleich erwaͤhnet wird. Wenn man ſagt, der
Verſtand ſey das Aug der Seele, ſo ſpricht man in
einer Metapher, weil man die Beſchaffenheit der
Sache, die ſchon genennt worden, naͤmlich des Ver-
ſtandes durch die Aehnlichkeit, die er mit dem Auge
hat, zu erkennen giebt: ſagte man aber von einem
Menſchen: ſein ſcharfes Aug wird ihm die Be-
ſchaffenheit der Sache nicht verkennen laſſen; ſo iſt
dieſer Ausdruk, genau zu reden, allegoriſch; weil
der Gegenſtand, der hier den Namen des Auges be-
kommt, nicht genennet worden iſt. Man nihmt es
aber nicht immer ſo genau, und giebt faſt allen kur-
zen Allegorien den Namen der Metaphern. (†) Von
der Vergleichung unterſcheidet ſich die Metapher da-
durch, daß die Form, oder Wendung des ganzen
Ausdruks der Metapher die Vergleichung nicht aus-
druͤklich anzeiget. Wenn man ſagte, der Verſtand
iſt gleichſam das Aug der Seele; ſo waͤre dieſes
eine kurze Vergleichung. Alſo ſind Allegorie, Ver-
gleichung und Methapher nur in der Form verſchie-
den; alle gruͤnden ſich auf Aehnlichkeit, und die
Gruͤnde worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und
ihr ganzer Werth beruhet, ſind dieſelben.
Es iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß alle Stamm-
woͤrter jeder Sprache unmittelbar blos ſolche Ge-
genſtaͤnde bezeichnen, die einen Ton von ſich geben, (*)
und daß die Bedeutung derſelben durch Aehnlichkeit
auf andere Dinge angewendet worden. Dieſem-
nach waͤr der groͤßte Theil der Woͤrter jeder Sprach
methaphoriſch, oder vielmehr allegoriſch.
Wir haben hier die Metapher blos in Abſicht auf
ihren aͤſthetiſchen Werth zu betrachten, und koͤnnen
die allgemeine Betrachtung derſelben den Sprachleh-
rern uͤberlaſſen. Die meiſten Metaphern, die im
Grunde wahre Allegorien ſind, hat die Nothwendig-
keit, als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet,
und durch die Laͤnge der Zeit hat man vergeſſen, daß
ſie Metaphern ſind; weil ſie von undenklichen Zei-
ten, als eigentliche Woͤrter gebraucht werden. Die
Woͤrter Verſtehen, Einſchen, Faſſen, Behalten,
die gewiſſe Wuͤrkungen der Vorſtellungskraft bezeich-
nen, ſind metaphoriſch; aber Niemand denkt bey
ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieſer
Metaphern gehoͤrt fuͤr den Sprachlehrer und fuͤr
den Philoſophen, der die wunderbaren Verbindun-
gen unſrer Begriffe beobachten will. (††)
Jn der Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte kommen nur
die Metaphern in Betrachtung, die aͤſthetiſche Kraft
haben, und Sachen, die man ohne ſie haͤtte bezeich-
nen koͤnnen, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht
mehr als willkuͤhrliche Zeichen, ſondern, als Bil-
der erſcheinen, an denen man die Beſchaffenheit der
Sachen lebhaft und anſchauend erkennet. Von ih-
rer Wuͤrkung iſt bereits anderswo geſprochen wor-
den (*) Hier bleibet nur uͤber dieſen Punkt noch
anzumerken, daß die Metapher, wegen ihrer Kuͤrze,
da ſie meiſtentheils mit einem einzigen Wort ausge-
druͤkt wird, von ſchnellerer Wuͤrkung iſt, als andre
Bilder. Man findet, daß ſie der Rede eine unge-
meine Lebhaftigkeit giebt, und aus einer bey ihrer
Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemaͤhlde macht.
Schon dadurch allein kann ein ſonſt blos philoſo-
phiſcher Vortrag aͤſthetiſch werden; weil er bey einer
genauen Entwiklung der Gedanken die Einbildungs-
kraft und uͤberhaupt alle untern Vorſtellungskraͤfte
in beſtaͤndiger Beſchaͤftigung unterhaͤlt, und die
Rede aus einem einfoͤrmigen, blos fruchtbaren
Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber
durch tauſend abwechſelnde Blumen reizende Flur
verwandelt.
Es
(†) Die Sprachlehrer ſagen insgemein, die Allegorie
ſey eine ausgedaͤhnte, oder fortgeſezte Metapher: richtiger
und dem Urſprung dieſer Dinge gemaͤßer wuͤrde man ſa-
gen, die Metapher ſey eine kurze und im Vorbeygang an-
gebrachte Allegorie. Denn dieſe iſt eher, als die Meta-
pher geweſen.
(*) Man
ſehe den
Art leben-
diger Aus
druk.
(††)
Wer das Genie des Menſchen recht aus dem
Grunde ſtudiren will, ſindet die beſte Gelegenheit dazu
in der Erforſchung des Urſprungs der metaphoriſchen Aus-
druͤke. Wer hievon naͤhere Anzeige verlangt, kann nach-
leſen, was ich in der academiſchen Abhandlung von dem
wechſelſeitigen Urſprung der Vernunſt und der Sprache
hieruͤber angemerkt habe.
(*) S.
Bild; Al-
legorie.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 761[743]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/178>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.