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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Amp
Amphitheater.

Ein Gebäude, welches zu den Kampfschauspielen der
Römer aufgeführt worden. Das ganze Gebäude
war nach einem runden oder ovalen Grundriß an-
gelegt, und ohne Dach. Um den Mittelpunkt des
Grundes herum war ein großer runder oder ova-
ler Platz, mit Sand belegt, und daher Arena ge-
nennt. Dieser war die eigentliche Bühne der Käm-
pfer. Rund um diesen Platz herum waren Ge-
wölber, die unter anderm auch dazu dieneten, die
wilden Thiere, die in den Spielen sollten gebraucht
werden, darin zu verwahren.

Zunächst über diesen Gewölbern gieng eine Gal-
lerie rings um die Arena herum, auf welche die
vornehmsten Zuschauer traten. Von dieser Galle-
tie an erhoben sich die Sitze oder steinerne Bänke
rings herum stufenweise über einander; jede höhere
in einem vom Mittelpunkte etwas entfernten Um-
fange bis an die oberste Gallerie des Gebäudes.
Auf diese Weise hatte das ganze Gebäude die Figur
eines Bechers, dessen Höhlung sich gegen den Grund
zu immer geschmälert, und die Bühne war von
allen Plätzen ganz zu übersehen.

Die untersten Reihen der Sitze waren für die
reichen und angesehenen Bürger; die obersten für
den Pöbel. Vermuthlich war das Gesetz, Lex
Roscia
genennt, so wol für das Amphitheater, als
für das Theater, daß die 14 untersten Reihen der
Sitze nur den Vornehmern vorbehalten seyn soll-
ten. [Spaltenumbruch] (+) Wer weniger als vierhundert tausend
Sesterzien im Vermögen hatte, gehörte zu keiner
der 14 Ordnungen der Bürger, sondern zum Pö-
(*) Epist.
L. l ep. I.
vs.
57.
bel. Daher sagt Horaz: (*)

Si quadringentis, sex septem millia desunt
-- -- -- --
Plebs eris.

Diese Gebäude waren so groß, daß vor| 30 bis
80tausend Zuschauer Platz war.

Lange Zeit waren es nur hölzerne Gebäude,
und es läßt sich vermuthen, daß das Amphithea-
trum Flavianum,
davon noch itzt ein großer Theil
steht, und unter dem Namen Colisaeum bekannt ist,
das erste ganz maßive Gebäude von dieser Art ge-
wesen sey. Es macht ein Oval aus von 700
[Spaltenumbruch]

Amp Ana
Rheinländischen Fußen in die Länge, 500 in die
Breite, ist 160 Fuß hoch, und wird in vier Ge-
schosse abgetheilt, deren jedes Arcaden von besonde-
rer Säulenordnung hat. Durch die untersten
Arcaden waren die Eingänge, und in dem Raume
zwischen der äußersten Mauer und den Gewölben
um die Arena waren die Treppen und verschiedene
Gänge, welche von außen durch das zwischen den
Pfeilern einfallende Licht erleuchtet wurden.

Weil dergleichen Gebäude in unsern Tagen
nicht mehr gebräuchlich sind, so enthalten wir uns
einer nähern Beschreibung derselben. Wer hierü-
ber nähere Nachricht verlangt, kann sie in dem
Traktat, den Lipsius über die Amphitheatra ge-
schrieben hat, ausführlich bekommen.

Man nennt gegenwärtig in unsern Schauspiel-
Häusern den Platz, der der Bühne gegen über mit
allmählig in die Höhe steigenden Bänken angefüllt
ist, das Amphitheater, weil dieser Platz in der fran-
zösischen Sprache diesen Namen führt.

Anagramma.

Ein Wort, oder ein einfacher Satz der Rede, den
man durch Versetzung der Buchstaben eines andern
Wortes, oder Satzes heraus gebracht hat; so wie
das Wort Amor durch Umkehrung der Buchstaben in
Roma verwandelt wird. Dieses ist eine Erfindung
des spielenden Witzes der Neuern. Es wurde
ehedem insonderheit alsdenn gebraucht, wenn aus
dem Namen eines Menschen durch Versetzung
der Buchstaben ein Satz heraus gebracht wurde,
der ein Lob oder einen Tadel derselben Person
enthielt. Diese mühsame Kleinigkeit ist
endlich zu unsern Zeiten ziemlich aus der Mode
gekommen. Jndessen ist nicht zu läugnen, daß es
bisweilen angenehme Anagramma geben könne.
Folgende verdienen vielleicht hier angeführt zu
werden.

Ein gewisser Prediger in Ungarn hatte etliche
alte Freunde bey sich zum Essen. Er hieß Tobia-
nus,
und hatte nicht lange vorher seine Frau ver-
lohren, die er um so viel weniger betrauerte, weil
sie ihm ein gutes Vermögen nachgelassen hatte, von
dem er, so lange sie gelebt, kaum den geringsten

Genuß
(+) Lex Roscia est, qua cavetur, ut proximis ab Orche-
stra quatuordecim gradibus spectent, quibus est quadringen-
[Spaltenumbruch] torum sestertiorum,
sagt ein alter Scholiast des Horaz.
Ep. l. 57.
[Spaltenumbruch]
Amp
Amphitheater.

Ein Gebaͤude, welches zu den Kampfſchauſpielen der
Roͤmer aufgefuͤhrt worden. Das ganze Gebaͤude
war nach einem runden oder ovalen Grundriß an-
gelegt, und ohne Dach. Um den Mittelpunkt des
Grundes herum war ein großer runder oder ova-
ler Platz, mit Sand belegt, und daher Arena ge-
nennt. Dieſer war die eigentliche Buͤhne der Kaͤm-
pfer. Rund um dieſen Platz herum waren Ge-
woͤlber, die unter anderm auch dazu dieneten, die
wilden Thiere, die in den Spielen ſollten gebraucht
werden, darin zu verwahren.

Zunaͤchſt uͤber dieſen Gewoͤlbern gieng eine Gal-
lerie rings um die Arena herum, auf welche die
vornehmſten Zuſchauer traten. Von dieſer Galle-
tie an erhoben ſich die Sitze oder ſteinerne Baͤnke
rings herum ſtufenweiſe uͤber einander; jede hoͤhere
in einem vom Mittelpunkte etwas entfernten Um-
fange bis an die oberſte Gallerie des Gebaͤudes.
Auf dieſe Weiſe hatte das ganze Gebaͤude die Figur
eines Bechers, deſſen Hoͤhlung ſich gegen den Grund
zu immer geſchmaͤlert, und die Buͤhne war von
allen Plaͤtzen ganz zu uͤberſehen.

Die unterſten Reihen der Sitze waren fuͤr die
reichen und angeſehenen Buͤrger; die oberſten fuͤr
den Poͤbel. Vermuthlich war das Geſetz, Lex
Roſcia
genennt, ſo wol fuͤr das Amphitheater, als
fuͤr das Theater, daß die 14 unterſten Reihen der
Sitze nur den Vornehmern vorbehalten ſeyn ſoll-
ten. [Spaltenumbruch] (†) Wer weniger als vierhundert tauſend
Seſterzien im Vermoͤgen hatte, gehoͤrte zu keiner
der 14 Ordnungen der Buͤrger, ſondern zum Poͤ-
(*) Epiſt.
L. l ep. I.
vſ.
57.
bel. Daher ſagt Horaz: (*)

Si quadringentis, ſex ſeptem millia deſunt
— — — —
Plebs eris.

Dieſe Gebaͤude waren ſo groß, daß vor| 30 bis
80tauſend Zuſchauer Platz war.

Lange Zeit waren es nur hoͤlzerne Gebaͤude,
und es laͤßt ſich vermuthen, daß das Amphithea-
trum Flavianum,
davon noch itzt ein großer Theil
ſteht, und unter dem Namen Coliſaeum bekannt iſt,
das erſte ganz maßive Gebaͤude von dieſer Art ge-
weſen ſey. Es macht ein Oval aus von 700
[Spaltenumbruch]

Amp Ana
Rheinlaͤndiſchen Fußen in die Laͤnge, 500 in die
Breite, iſt 160 Fuß hoch, und wird in vier Ge-
ſchoſſe abgetheilt, deren jedes Arcaden von beſonde-
rer Saͤulenordnung hat. Durch die unterſten
Arcaden waren die Eingaͤnge, und in dem Raume
zwiſchen der aͤußerſten Mauer und den Gewoͤlben
um die Arena waren die Treppen und verſchiedene
Gaͤnge, welche von außen durch das zwiſchen den
Pfeilern einfallende Licht erleuchtet wurden.

Weil dergleichen Gebaͤude in unſern Tagen
nicht mehr gebraͤuchlich ſind, ſo enthalten wir uns
einer naͤhern Beſchreibung derſelben. Wer hieruͤ-
ber naͤhere Nachricht verlangt, kann ſie in dem
Traktat, den Lipſius uͤber die Amphitheatra ge-
ſchrieben hat, ausfuͤhrlich bekommen.

Man nennt gegenwaͤrtig in unſern Schauſpiel-
Haͤuſern den Platz, der der Buͤhne gegen uͤber mit
allmaͤhlig in die Hoͤhe ſteigenden Baͤnken angefuͤllt
iſt, das Amphitheater, weil dieſer Platz in der fran-
zoͤſiſchen Sprache dieſen Namen fuͤhrt.

Anagramma.

Ein Wort, oder ein einfacher Satz der Rede, den
man durch Verſetzung der Buchſtaben eines andern
Wortes, oder Satzes heraus gebracht hat; ſo wie
das Wort Amor durch Umkehrung der Buchſtaben in
Roma verwandelt wird. Dieſes iſt eine Erfindung
des ſpielenden Witzes der Neuern. Es wurde
ehedem inſonderheit alsdenn gebraucht, wenn aus
dem Namen eines Menſchen durch Verſetzung
der Buchſtaben ein Satz heraus gebracht wurde,
der ein Lob oder einen Tadel derſelben Perſon
enthielt. Dieſe muͤhſame Kleinigkeit iſt
endlich zu unſern Zeiten ziemlich aus der Mode
gekommen. Jndeſſen iſt nicht zu laͤugnen, daß es
bisweilen angenehme Anagramma geben koͤnne.
Folgende verdienen vielleicht hier angefuͤhrt zu
werden.

Ein gewiſſer Prediger in Ungarn hatte etliche
alte Freunde bey ſich zum Eſſen. Er hieß Tobia-
nus,
und hatte nicht lange vorher ſeine Frau ver-
lohren, die er um ſo viel weniger betrauerte, weil
ſie ihm ein gutes Vermoͤgen nachgelaſſen hatte, von
dem er, ſo lange ſie gelebt, kaum den geringſten

Genuß
(†) Lex Roſcia eſt, qua cavetur, ut proximis ab Orche-
ſtra quatuordecim gradibus ſpectent, quibus eſt quadringen-
[Spaltenumbruch] torum ſeſtertiorum,
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[48/0060] Amp Amp Ana Amphitheater. Ein Gebaͤude, welches zu den Kampfſchauſpielen der Roͤmer aufgefuͤhrt worden. Das ganze Gebaͤude war nach einem runden oder ovalen Grundriß an- gelegt, und ohne Dach. Um den Mittelpunkt des Grundes herum war ein großer runder oder ova- ler Platz, mit Sand belegt, und daher Arena ge- nennt. Dieſer war die eigentliche Buͤhne der Kaͤm- pfer. Rund um dieſen Platz herum waren Ge- woͤlber, die unter anderm auch dazu dieneten, die wilden Thiere, die in den Spielen ſollten gebraucht werden, darin zu verwahren. Zunaͤchſt uͤber dieſen Gewoͤlbern gieng eine Gal- lerie rings um die Arena herum, auf welche die vornehmſten Zuſchauer traten. Von dieſer Galle- tie an erhoben ſich die Sitze oder ſteinerne Baͤnke rings herum ſtufenweiſe uͤber einander; jede hoͤhere in einem vom Mittelpunkte etwas entfernten Um- fange bis an die oberſte Gallerie des Gebaͤudes. Auf dieſe Weiſe hatte das ganze Gebaͤude die Figur eines Bechers, deſſen Hoͤhlung ſich gegen den Grund zu immer geſchmaͤlert, und die Buͤhne war von allen Plaͤtzen ganz zu uͤberſehen. Die unterſten Reihen der Sitze waren fuͤr die reichen und angeſehenen Buͤrger; die oberſten fuͤr den Poͤbel. Vermuthlich war das Geſetz, Lex Roſcia genennt, ſo wol fuͤr das Amphitheater, als fuͤr das Theater, daß die 14 unterſten Reihen der Sitze nur den Vornehmern vorbehalten ſeyn ſoll- ten. (†) Wer weniger als vierhundert tauſend Seſterzien im Vermoͤgen hatte, gehoͤrte zu keiner der 14 Ordnungen der Buͤrger, ſondern zum Poͤ- bel. Daher ſagt Horaz: (*) (*) Epiſt. L. l ep. I. vſ. 57. Si quadringentis, ſex ſeptem millia deſunt — — — — Plebs eris. Dieſe Gebaͤude waren ſo groß, daß vor| 30 bis 80tauſend Zuſchauer Platz war. Lange Zeit waren es nur hoͤlzerne Gebaͤude, und es laͤßt ſich vermuthen, daß das Amphithea- trum Flavianum, davon noch itzt ein großer Theil ſteht, und unter dem Namen Coliſaeum bekannt iſt, das erſte ganz maßive Gebaͤude von dieſer Art ge- weſen ſey. Es macht ein Oval aus von 700 Rheinlaͤndiſchen Fußen in die Laͤnge, 500 in die Breite, iſt 160 Fuß hoch, und wird in vier Ge- ſchoſſe abgetheilt, deren jedes Arcaden von beſonde- rer Saͤulenordnung hat. Durch die unterſten Arcaden waren die Eingaͤnge, und in dem Raume zwiſchen der aͤußerſten Mauer und den Gewoͤlben um die Arena waren die Treppen und verſchiedene Gaͤnge, welche von außen durch das zwiſchen den Pfeilern einfallende Licht erleuchtet wurden. Weil dergleichen Gebaͤude in unſern Tagen nicht mehr gebraͤuchlich ſind, ſo enthalten wir uns einer naͤhern Beſchreibung derſelben. Wer hieruͤ- ber naͤhere Nachricht verlangt, kann ſie in dem Traktat, den Lipſius uͤber die Amphitheatra ge- ſchrieben hat, ausfuͤhrlich bekommen. Man nennt gegenwaͤrtig in unſern Schauſpiel- Haͤuſern den Platz, der der Buͤhne gegen uͤber mit allmaͤhlig in die Hoͤhe ſteigenden Baͤnken angefuͤllt iſt, das Amphitheater, weil dieſer Platz in der fran- zoͤſiſchen Sprache dieſen Namen fuͤhrt. Anagramma. Ein Wort, oder ein einfacher Satz der Rede, den man durch Verſetzung der Buchſtaben eines andern Wortes, oder Satzes heraus gebracht hat; ſo wie das Wort Amor durch Umkehrung der Buchſtaben in Roma verwandelt wird. Dieſes iſt eine Erfindung des ſpielenden Witzes der Neuern. Es wurde ehedem inſonderheit alsdenn gebraucht, wenn aus dem Namen eines Menſchen durch Verſetzung der Buchſtaben ein Satz heraus gebracht wurde, der ein Lob oder einen Tadel derſelben Perſon enthielt. Dieſe muͤhſame Kleinigkeit iſt endlich zu unſern Zeiten ziemlich aus der Mode gekommen. Jndeſſen iſt nicht zu laͤugnen, daß es bisweilen angenehme Anagramma geben koͤnne. Folgende verdienen vielleicht hier angefuͤhrt zu werden. Ein gewiſſer Prediger in Ungarn hatte etliche alte Freunde bey ſich zum Eſſen. Er hieß Tobia- nus, und hatte nicht lange vorher ſeine Frau ver- lohren, die er um ſo viel weniger betrauerte, weil ſie ihm ein gutes Vermoͤgen nachgelaſſen hatte, von dem er, ſo lange ſie gelebt, kaum den geringſten Genuß (†) Lex Roſcia eſt, qua cavetur, ut proximis ab Orche- ſtra quatuordecim gradibus ſpectent, quibus eſt quadringen- torum ſeſtertiorum, ſagt ein alter Scholiaſt des Horaz. Ep. l. 57.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/60>, abgerufen am 26.04.2024.