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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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[Spaltenumbruch]

Jnt
haben müsse. Vergeblich würde man einem überall
kaltsinnigen und blos zum Betrachten aufgelegten,
oder einem blos nach Genuß schmachtenden Menschen
zurufen, er soll interessant seyn. Er wird die
Würksamkeit unsers Herzens nicht rege machen, wo
er nicht selbst mit Wärme Theil nihmt. Künstler
denen eine liebliche Gegend, und ein sanftwehender
Zefir wichtigere Gegenstände sind, als Berathschla-
gungen, oder Unternehmungen, bey denen die wür-
kenden Kräfte ins Spiel kommen, können nicht sehr
interessiren. Dazu gehört eine würksame Seele,
die gern selbst handelt und an andrer Handlung An-
theil nihmt; die sich eine Angelegenheit daraus
macht überall Ordnung zu bewürken und Unordnung
zu hindern; die leicht Feuer fängt, wo sich die Ge-
legenheit zeiget, das Gute zu thun, oder etwas Böses
zu hintertreiben; die nicht nur ihre eigenen, sondern
auch fremde Angelegenheiten fühlt, oder der vielmehr
Nichts, was andre Menschen angeht, fremd ist; die,
wie Haller es edel ausdrükt, sich in jedem andern
findet.
Mit einem Worte der Künstler der interes-
sant seyn soll, muß jede allgemeine und besondere
Angelegenheit der Menschen zum Hauptgegenstand
seines beschäftigten Geistes gemacht haben. Dadurch
kommt ihm selbst alles interessant vor, und denn ist
er im Stand auch uns in sein Jnteresse zu ziehen.
Ein neuer Beweis, daß der große Künstler ein Phi-
losoph und ein rechtschaffener Mann seyn müsse.

Jntermezzo.
(Schanspiel.)

Gegenwärtig giebt man diesen Namen italiänischen
comischen, oder vielmehr poßirlichen, Opern, wo nur
zwey oder drey Personen vorkommen; weil derglei-
chen Stüke ehemals in Jtalien zwischen den Akten
oder Aufzügen der großen Oper, zum lustigen Zeit-
vertreib, vorgestellt worden. Da dieses ganze Schau-
spiel blos zum Lachen gemacht ist, so haben so wol
die Dichter, als die Tonsetzer und Sänger völlig
freye Hand, alles so poßirlich zumachen, als sie wol-
len. Weil aber vorausgesetzt wird, daß die Zuschauer,
die man durch das Jntermezzo belustigen will, Per-
[Spaltenumbruch]

Jnt
sonen von Geschmak und von feiner Lebensart sind,
so muß man sich nicht einbilden, daß alle Possen für
dieses kleine Schauspiel gut genug seyen. Das Wahre
und feine Lächerliche ist schweerer zu treffen, als ir-
gend eine andre ästhetische Eigenschaft. (*) Daher(*) S.
Lächerlich.

sind auch die meisten Jntermezzo, die man zu sehen
bekommt, höchst elend.

Jntervall.
(Musik.)

Das Verhältnis zweyer Töne in Absicht auf ihre
Höhe; oder der Sprung, den die Stimme zu machen
hat, um von einem niedrigen auf einen höhern
Ton zu kommen. Es liegen zwischen dem tiefsten
vernehmlichen Ton und dem höchsten unendlich viel
Grade, deren jeder gegen den tiefsten Ton, ein be-
sonderes Jntervall ausmacht; so daß die Anzahl der
Jntervalle unendlich ist. Aber aus dieser unendli-
chen Menge hat man nur wenige mit besondern
Namen bezeichnet, und nach ihrer eigentlichen Größe
bestimmt [Spaltenumbruch] (+): nämlich nur die, welche entweder in
dem System der Töne, als würkliche Stufen vor-
kommen, oder doch zur Kenntnis des Systems und
zur Beurtheilung der Harmonie dienen; ob sie gleich
in dem Gesange selbst nicht vorkommen. Man ist
auf die Betrachtung dieser letztern Art der Jnter-
valle gekommen, da man die verschiedenen Stufen,
oder Schritte des Tonsystems unter einander ver-
gliechen hat. So hat man in dem diatonischen
System die Stufe C-D, welche einen großen Ton
ausmacht, mit der Stufe D-E, die ein kleiner
Ton ist, vergliechen, und gefunden, daß die-
ser um kleiner ist, als jener, und diesem Unter-
schied hat man den Namen Comma gegeben. Auf
eben diese Weise hat man den großen Ton mit dem
halben Ton vergliechen, und gefunden, daß jener
um größer, als dieser sey, und dieses Jntervall,
das auch eine Art des halben Tones ausmacht, ein
Limma genennt. Die vornehmsten Jntervalle von
dieser Art sind das Comma, die Diesis, das Dia-
schisma,
und das Limma, deren Ursprung und
Größe in andern Artikeln angezeiget worden. (*)(*) S.
Comma;
Diesis;
Enhar-
[m]onisch;
Limma.

Von
(+) Die Größe eines Jntervalls wird durch die Länge
der beyden Sayten ausgedrükt, welche die Töne angeben.
Wenn man z. B. sagt, die große Secunde sey so will
dieses so viel sagen, daß das Jntervall zwischen zwey Tö-
[Spaltenumbruch] nen, davon der tiefere von einer Sayte angegeben wird,
die 9 Fuß lang ist, die höhere von einer Sayte die 8 Fuß
lang ist, eine große Secunde sey. Dieses wird im Art.
Klang ausführlicher gezeiget.

[Spaltenumbruch]

Jnt
haben muͤſſe. Vergeblich wuͤrde man einem uͤberall
kaltſinnigen und blos zum Betrachten aufgelegten,
oder einem blos nach Genuß ſchmachtenden Menſchen
zurufen, er ſoll intereſſant ſeyn. Er wird die
Wuͤrkſamkeit unſers Herzens nicht rege machen, wo
er nicht ſelbſt mit Waͤrme Theil nihmt. Kuͤnſtler
denen eine liebliche Gegend, und ein ſanftwehender
Zefir wichtigere Gegenſtaͤnde ſind, als Berathſchla-
gungen, oder Unternehmungen, bey denen die wuͤr-
kenden Kraͤfte ins Spiel kommen, koͤnnen nicht ſehr
intereſſiren. Dazu gehoͤrt eine wuͤrkſame Seele,
die gern ſelbſt handelt und an andrer Handlung An-
theil nihmt; die ſich eine Angelegenheit daraus
macht uͤberall Ordnung zu bewuͤrken und Unordnung
zu hindern; die leicht Feuer faͤngt, wo ſich die Ge-
legenheit zeiget, das Gute zu thun, oder etwas Boͤſes
zu hintertreiben; die nicht nur ihre eigenen, ſondern
auch fremde Angelegenheiten fuͤhlt, oder der vielmehr
Nichts, was andre Menſchen angeht, fremd iſt; die,
wie Haller es edel ausdruͤkt, ſich in jedem andern
findet.
Mit einem Worte der Kuͤnſtler der intereſ-
ſant ſeyn ſoll, muß jede allgemeine und beſondere
Angelegenheit der Menſchen zum Hauptgegenſtand
ſeines beſchaͤftigten Geiſtes gemacht haben. Dadurch
kommt ihm ſelbſt alles intereſſant vor, und denn iſt
er im Stand auch uns in ſein Jntereſſe zu ziehen.
Ein neuer Beweis, daß der große Kuͤnſtler ein Phi-
loſoph und ein rechtſchaffener Mann ſeyn muͤſſe.

Jntermezzo.
(Schanſpiel.)

Gegenwaͤrtig giebt man dieſen Namen italiaͤniſchen
comiſchen, oder vielmehr poßirlichen, Opern, wo nur
zwey oder drey Perſonen vorkommen; weil derglei-
chen Stuͤke ehemals in Jtalien zwiſchen den Akten
oder Aufzuͤgen der großen Oper, zum luſtigen Zeit-
vertreib, vorgeſtellt worden. Da dieſes ganze Schau-
ſpiel blos zum Lachen gemacht iſt, ſo haben ſo wol
die Dichter, als die Tonſetzer und Saͤnger voͤllig
freye Hand, alles ſo poßirlich zumachen, als ſie wol-
len. Weil aber vorausgeſetzt wird, daß die Zuſchauer,
die man durch das Jntermezzo beluſtigen will, Per-
[Spaltenumbruch]

Jnt
ſonen von Geſchmak und von feiner Lebensart ſind,
ſo muß man ſich nicht einbilden, daß alle Poſſen fuͤr
dieſes kleine Schauſpiel gut genug ſeyen. Das Wahre
und feine Laͤcherliche iſt ſchweerer zu treffen, als ir-
gend eine andre aͤſthetiſche Eigenſchaft. (*) Daher(*) S.
Laͤcherlich.

ſind auch die meiſten Jntermezzo, die man zu ſehen
bekommt, hoͤchſt elend.

Jntervall.
(Muſik.)

Das Verhaͤltnis zweyer Toͤne in Abſicht auf ihre
Hoͤhe; oder der Sprung, den die Stimme zu machen
hat, um von einem niedrigen auf einen hoͤhern
Ton zu kommen. Es liegen zwiſchen dem tiefſten
vernehmlichen Ton und dem hoͤchſten unendlich viel
Grade, deren jeder gegen den tiefſten Ton, ein be-
ſonderes Jntervall ausmacht; ſo daß die Anzahl der
Jntervalle unendlich iſt. Aber aus dieſer unendli-
chen Menge hat man nur wenige mit beſondern
Namen bezeichnet, und nach ihrer eigentlichen Groͤße
beſtimmt [Spaltenumbruch] (†): naͤmlich nur die, welche entweder in
dem Syſtem der Toͤne, als wuͤrkliche Stufen vor-
kommen, oder doch zur Kenntnis des Syſtems und
zur Beurtheilung der Harmonie dienen; ob ſie gleich
in dem Geſange ſelbſt nicht vorkommen. Man iſt
auf die Betrachtung dieſer letztern Art der Jnter-
valle gekommen, da man die verſchiedenen Stufen,
oder Schritte des Tonſyſtems unter einander ver-
gliechen hat. So hat man in dem diatoniſchen
Syſtem die Stufe C-D, welche einen großen Ton
ausmacht, mit der Stufe D-E, die ein kleiner
Ton iſt, vergliechen, und gefunden, daß die-
ſer um kleiner iſt, als jener, und dieſem Unter-
ſchied hat man den Namen Comma gegeben. Auf
eben dieſe Weiſe hat man den großen Ton mit dem
halben Ton vergliechen, und gefunden, daß jener
um groͤßer, als dieſer ſey, und dieſes Jntervall,
das auch eine Art des halben Tones ausmacht, ein
Limma genennt. Die vornehmſten Jntervalle von
dieſer Art ſind das Comma, die Dieſis, das Dia-
ſchisma,
und das Limma, deren Urſprung und
Groͤße in andern Artikeln angezeiget worden. (*)(*) S.
Comma;
Dieſis;
Enhar-
[m]oniſch;
Limma.

Von
(†) Die Groͤße eines Jntervalls wird durch die Laͤnge
der beyden Sayten ausgedruͤkt, welche die Toͤne angeben.
Wenn man z. B. ſagt, die große Secunde ſey ſo will
dieſes ſo viel ſagen, daß das Jntervall zwiſchen zwey Toͤ-
[Spaltenumbruch] nen, davon der tiefere von einer Sayte angegeben wird,
die 9 Fuß lang iſt, die hoͤhere von einer Sayte die 8 Fuß
lang iſt, eine große Secunde ſey. Dieſes wird im Art.
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[562/0574] Jnt Jnt haben muͤſſe. Vergeblich wuͤrde man einem uͤberall kaltſinnigen und blos zum Betrachten aufgelegten, oder einem blos nach Genuß ſchmachtenden Menſchen zurufen, er ſoll intereſſant ſeyn. Er wird die Wuͤrkſamkeit unſers Herzens nicht rege machen, wo er nicht ſelbſt mit Waͤrme Theil nihmt. Kuͤnſtler denen eine liebliche Gegend, und ein ſanftwehender Zefir wichtigere Gegenſtaͤnde ſind, als Berathſchla- gungen, oder Unternehmungen, bey denen die wuͤr- kenden Kraͤfte ins Spiel kommen, koͤnnen nicht ſehr intereſſiren. Dazu gehoͤrt eine wuͤrkſame Seele, die gern ſelbſt handelt und an andrer Handlung An- theil nihmt; die ſich eine Angelegenheit daraus macht uͤberall Ordnung zu bewuͤrken und Unordnung zu hindern; die leicht Feuer faͤngt, wo ſich die Ge- legenheit zeiget, das Gute zu thun, oder etwas Boͤſes zu hintertreiben; die nicht nur ihre eigenen, ſondern auch fremde Angelegenheiten fuͤhlt, oder der vielmehr Nichts, was andre Menſchen angeht, fremd iſt; die, wie Haller es edel ausdruͤkt, ſich in jedem andern findet. Mit einem Worte der Kuͤnſtler der intereſ- ſant ſeyn ſoll, muß jede allgemeine und beſondere Angelegenheit der Menſchen zum Hauptgegenſtand ſeines beſchaͤftigten Geiſtes gemacht haben. Dadurch kommt ihm ſelbſt alles intereſſant vor, und denn iſt er im Stand auch uns in ſein Jntereſſe zu ziehen. Ein neuer Beweis, daß der große Kuͤnſtler ein Phi- loſoph und ein rechtſchaffener Mann ſeyn muͤſſe. Jntermezzo. (Schanſpiel.) Gegenwaͤrtig giebt man dieſen Namen italiaͤniſchen comiſchen, oder vielmehr poßirlichen, Opern, wo nur zwey oder drey Perſonen vorkommen; weil derglei- chen Stuͤke ehemals in Jtalien zwiſchen den Akten oder Aufzuͤgen der großen Oper, zum luſtigen Zeit- vertreib, vorgeſtellt worden. Da dieſes ganze Schau- ſpiel blos zum Lachen gemacht iſt, ſo haben ſo wol die Dichter, als die Tonſetzer und Saͤnger voͤllig freye Hand, alles ſo poßirlich zumachen, als ſie wol- len. Weil aber vorausgeſetzt wird, daß die Zuſchauer, die man durch das Jntermezzo beluſtigen will, Per- ſonen von Geſchmak und von feiner Lebensart ſind, ſo muß man ſich nicht einbilden, daß alle Poſſen fuͤr dieſes kleine Schauſpiel gut genug ſeyen. Das Wahre und feine Laͤcherliche iſt ſchweerer zu treffen, als ir- gend eine andre aͤſthetiſche Eigenſchaft. (*) Daher ſind auch die meiſten Jntermezzo, die man zu ſehen bekommt, hoͤchſt elend. (*) S. Laͤcherlich. Jntervall. (Muſik.) Das Verhaͤltnis zweyer Toͤne in Abſicht auf ihre Hoͤhe; oder der Sprung, den die Stimme zu machen hat, um von einem niedrigen auf einen hoͤhern Ton zu kommen. Es liegen zwiſchen dem tiefſten vernehmlichen Ton und dem hoͤchſten unendlich viel Grade, deren jeder gegen den tiefſten Ton, ein be- ſonderes Jntervall ausmacht; ſo daß die Anzahl der Jntervalle unendlich iſt. Aber aus dieſer unendli- chen Menge hat man nur wenige mit beſondern Namen bezeichnet, und nach ihrer eigentlichen Groͤße beſtimmt (†): naͤmlich nur die, welche entweder in dem Syſtem der Toͤne, als wuͤrkliche Stufen vor- kommen, oder doch zur Kenntnis des Syſtems und zur Beurtheilung der Harmonie dienen; ob ſie gleich in dem Geſange ſelbſt nicht vorkommen. Man iſt auf die Betrachtung dieſer letztern Art der Jnter- valle gekommen, da man die verſchiedenen Stufen, oder Schritte des Tonſyſtems unter einander ver- gliechen hat. So hat man in dem diatoniſchen Syſtem die Stufe C-D, welche einen großen Ton [FORMEL] ausmacht, mit der Stufe D-E, die ein kleiner Ton [FORMEL] iſt, vergliechen, und gefunden, daß die- ſer um [FORMEL] kleiner iſt, als jener, und dieſem Unter- ſchied hat man den Namen Comma gegeben. Auf eben dieſe Weiſe hat man den großen Ton [FORMEL] mit dem halben Ton [FORMEL] vergliechen, und gefunden, daß jener um [FORMEL] groͤßer, als dieſer ſey, und dieſes Jntervall, das auch eine Art des halben Tones ausmacht, ein Limma genennt. Die vornehmſten Jntervalle von dieſer Art ſind das Comma, die Dieſis, das Dia- ſchisma, und das Limma, deren Urſprung und Groͤße in andern Artikeln angezeiget worden. (*) Von (*) S. Comma; Dieſis; Enhar- moniſch; Limma. (†) Die Groͤße eines Jntervalls wird durch die Laͤnge der beyden Sayten ausgedruͤkt, welche die Toͤne angeben. Wenn man z. B. ſagt, die große Secunde ſey [FORMEL] ſo will dieſes ſo viel ſagen, daß das Jntervall zwiſchen zwey Toͤ- nen, davon der tiefere von einer Sayte angegeben wird, die 9 Fuß lang iſt, die hoͤhere von einer Sayte die 8 Fuß lang iſt, eine große Secunde ſey. Dieſes wird im Art. Klang ausfuͤhrlicher gezeiget.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/574>, abgerufen am 28.03.2024.