Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Gle zeichneten kleinen Gemählden, wie die Gleichnisse sind,aufhalten wollte. Nun ist noch ein andrer Umstand in Betrachtung Hierüber lassen sich keine Regeln geben; es kömmt Der Redner ziehe aus diesen Anmerkungen die Gle chen Sätzen, die dem anschauenden Erkenntnis durchausführliche Bilder einleuchtend seyn sollen. Der Dichter, und auch der Redner, der durch leb- Auch die Art das Gleichnis vorzutragen und zu Das erläuternde Gleichnis hat eine grössere Deut- C. XLII. Eine ganz andere Beschaffenheit hat es mit den in P p p 3
[Spaltenumbruch] Gle zeichneten kleinen Gemaͤhlden, wie die Gleichniſſe ſind,aufhalten wollte. Nun iſt noch ein andrer Umſtand in Betrachtung Hieruͤber laſſen ſich keine Regeln geben; es koͤmmt Der Redner ziehe aus dieſen Anmerkungen die Gle chen Saͤtzen, die dem anſchauenden Erkenntnis durchausfuͤhrliche Bilder einleuchtend ſeyn ſollen. Der Dichter, und auch der Redner, der durch leb- Auch die Art das Gleichnis vorzutragen und zu Das erlaͤuternde Gleichnis hat eine groͤſſere Deut- C. XLII. Eine ganz andere Beſchaffenheit hat es mit den in P p p 3
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Schwache Koͤpfe finden<lb/> bisweilen die unbetraͤchtlichſten Dinge, die keinen<lb/> verſtaͤndigen Menſchen aufmerkſam machen, ſehr in-<lb/> treſſant; ſie mahlen uns mit der groͤßten Aufmerkſam-<lb/> keit Gegenſtaͤnde, uͤber welche unſer Aug gern fluͤchtig<lb/> hinglirſchen moͤchte. Alſo muß der Redner, wie der<lb/> Dichter, wol uͤberlegen, ob es wol der Muͤhe werth ſey,<lb/> einen Gegenſtand durch das Gleichnis dem Verſtande<lb/> deutlich oder der Phantaſie lebhaft vorzumahlen.</p><lb/> <p>Hieruͤber laſſen ſich keine Regeln geben; es koͤmmt<lb/> dabey ſchlechterdings auf die Urtheilskraft des Red-<lb/> ners oder Dichters an. Jſt dieſe maͤnnlich und<lb/> ſtark, ſo wird er nur ſolche Gegenſtaͤnde durch<lb/> Gleichniſſe ausmahlen, die jedem verſtaͤndigen Men-<lb/> ſchen intreſſant ſind: wo eine feurige Phantaſie den<lb/> ganzen Kopf beherrſcht, der Verſtand aber ſchwach<lb/> iſt, da werden haͤufig Gleichniſſe erſcheinen, wo<lb/> kein Verſtaͤndiger ſie erwartet, und wo er ſie lieber<lb/> uͤbergeht. Ueberhaupt iſt es eine laͤngſt gemachte<lb/> und gruͤndliche Anmerkung, daß die Gleichniſſe nur<lb/> als eine feine Wuͤrze ſparſam zu brauchen ſeyen.<lb/> Sie gehen doch allemal auf einzele Vorſtellungen,<lb/> deren beſondere Betrachtung den Faden der Haupt-<lb/> vorſtellung etwas unterbricht. Sollte dieſes zu ofte<lb/> geſchehen, ſo wuͤrde die Einheit der Hauptvorſtel-<lb/> lung zu ſehr darunter leiden.</p><lb/> <p>Der Redner ziehe aus dieſen Anmerkungen die<lb/> Lehre, daß er im unterrichtenden Vortrage ſich aller<lb/> erlaͤuternden Gleichniſſe enthalten ſolle, außer da,<lb/> wo er Hauptbegriffe oder Hauptſaͤtze, die ohne aͤhnliche<lb/> Faͤlle nicht deutlich genug erkennt, oder nicht ſchnell<lb/> genug gefaßt, noch dem Gedaͤchtnis lebhaft genug<lb/> eingepraͤgt werden, vorzutragen hat. Er brauche<lb/> ſie hauptſaͤchlich da, wo es wichtig iſt, daß der Zu-<lb/> hoͤrer die Vorſtellungen nicht nur mit großer Klar-<lb/> heit faſſe, ſondern ſich durch Verweilen darauf voll-<lb/> kommen damit bekannt mache; vornehmlich bey ſol-<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gle</hi></fw><lb/> chen Saͤtzen, die dem anſchauenden Erkenntnis durch<lb/> ausfuͤhrliche Bilder einleuchtend ſeyn ſollen.</p><lb/> <p>Der Dichter, und auch der Redner, der durch leb-<lb/> hafte Gleichniſſe ſtaͤrker ruͤhren will, uͤberlege wol, ob<lb/> es natuͤrlich iſt, daß er, oder daß die Perſon, die er<lb/> redend einfuͤhret, ſich itzt auf dem Gegenſtande ver-<lb/> weile, um den Eindruk davon voͤllig zu genießen,<lb/> und ob der Gegenſtand ſelbſt wichtig genug iſt die<lb/> Empfindung eine Zeitlang zu beſchaͤftigen.</p><lb/> <p>Auch die Art das Gleichnis vorzutragen und zu<lb/> behandeln, verdienet eine naͤhere Betrachtung. Der<lb/> Ausdruk, die Schreibart und der Ton ſind dabey<lb/> wichtige Sachen, ob gleich die Kunſtrichter wenig<lb/> daruͤber angemerkt haben. Es iſt aber leicht, die<lb/> wichtigſten Grundbegriffe hieruͤber zu entdeken.<lb/> Man daͤrf zu dem Ende nur auf den Urſprung und<lb/> die Abſicht der Gleichniſſe zuruͤck gehen.</p><lb/> <p>Das erlaͤuternde Gleichnis hat eine groͤſſere Deut-<lb/> lichkeit und eine ganz genaue, aber ſinnliche Beſtim-<lb/> mung der Vorſtellung zur Abſicht; darum erfodert<lb/> es einen ſehr einfachen und natuͤrlichen Ausdruk in<lb/> dem unterrichtenden Tone, der blos auf den Ver-<lb/> ſtand wuͤrkt und die Empfindung in voͤlliger Ruhe<lb/> laͤßt. Es koͤmmt dabey mehr auf eine genaue Zeich-<lb/> nung, als auf das Colorit an. Man zeiget dem<lb/> Zuhoͤrer jeden Theil des Bildes, gleichſam mit dem<lb/> Finger, damit er es in der groͤßten Deutlichkeit<lb/> faſſe; doch laͤßt man ihn von dem Bilde nichts ſe-<lb/> hen, als was zur Aehnlichkeit mit dem Gegenbilde<lb/> gehoͤrt. Von dieſer Art iſt folgendes Gleichnis, wo-<lb/> mit Epiktet einem angehenden Philoſophen die wich-<lb/> tige Lehre fuͤhlbar machen will, daß er das, was er<lb/> gelernt hat, nicht prahleriſch vor andern auskra-<lb/> men, ſondern in der Stille zu ſeinem wahren Nu-<lb/> tzen anwenden ſoll. „Die Schaafe, indem ſie wie-<lb/> derkauen, ſpeyen das genoſſene Futter nicht wieder<lb/> aus, um dem Schaͤfer zu zeigen, daß ſie gut ge-<lb/> weidet haben; ſondern ſie verdauen unbemerkt und<lb/> begnuͤgen ſich damit, daß ſie die Wolle und die<lb/> Milch, als die Wuͤrkung der guten Nahrung, zei-<lb/> gen. Alſo ſollſt du bey Unwiſſenden mit dem Ge-<lb/> lernten nicht prahlen, ſondern nur die Werke, die<lb/> daraus entſtehen, zeigen.‟ (*)</p> <note place="right">(*) <hi rendition="#aq">Enchir.<lb/> C. XLII.</hi></note><lb/> <p>Eine ganz andere Beſchaffenheit hat es mit den<lb/> Gleichniſſen, welche die Lebhaftigkeit der Vorſtel-<lb/> lung zum Zwek haben. Denn dadurch wuͤrken ſie<lb/> auf die Empfindung, deren Gattung, Schatti-<lb/> rung und Staͤrke man wol zu uͤberlegen hat, damit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">P p p 3</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [485/0497]
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zeichneten kleinen Gemaͤhlden, wie die Gleichniſſe ſind,
aufhalten wollte.
Nun iſt noch ein andrer Umſtand in Betrachtung
zu nehmen; denn wenn gleich die redende Perſon
ſich in der Gemuͤthslage befindet, da man Verglei-
chungen zu machen pfleget, ſo ſtehen ſie darum nicht
allemal am rechten Ort. Es iſt vorher angemerkt
worden, daß der Gegenſtand, den man vermittelſt
einer Vergleichung ſehr deutlich zu faſſen, oder ſehr
lebhaft zu empfinden wuͤnſchet, intreſſant ſeyn muͤſſe.
Dieſes iſt ein wichtiger Punkt in Abſicht auf den
Gebrauch der Gleichniſſe. Schwache Koͤpfe finden
bisweilen die unbetraͤchtlichſten Dinge, die keinen
verſtaͤndigen Menſchen aufmerkſam machen, ſehr in-
treſſant; ſie mahlen uns mit der groͤßten Aufmerkſam-
keit Gegenſtaͤnde, uͤber welche unſer Aug gern fluͤchtig
hinglirſchen moͤchte. Alſo muß der Redner, wie der
Dichter, wol uͤberlegen, ob es wol der Muͤhe werth ſey,
einen Gegenſtand durch das Gleichnis dem Verſtande
deutlich oder der Phantaſie lebhaft vorzumahlen.
Hieruͤber laſſen ſich keine Regeln geben; es koͤmmt
dabey ſchlechterdings auf die Urtheilskraft des Red-
ners oder Dichters an. Jſt dieſe maͤnnlich und
ſtark, ſo wird er nur ſolche Gegenſtaͤnde durch
Gleichniſſe ausmahlen, die jedem verſtaͤndigen Men-
ſchen intreſſant ſind: wo eine feurige Phantaſie den
ganzen Kopf beherrſcht, der Verſtand aber ſchwach
iſt, da werden haͤufig Gleichniſſe erſcheinen, wo
kein Verſtaͤndiger ſie erwartet, und wo er ſie lieber
uͤbergeht. Ueberhaupt iſt es eine laͤngſt gemachte
und gruͤndliche Anmerkung, daß die Gleichniſſe nur
als eine feine Wuͤrze ſparſam zu brauchen ſeyen.
Sie gehen doch allemal auf einzele Vorſtellungen,
deren beſondere Betrachtung den Faden der Haupt-
vorſtellung etwas unterbricht. Sollte dieſes zu ofte
geſchehen, ſo wuͤrde die Einheit der Hauptvorſtel-
lung zu ſehr darunter leiden.
Der Redner ziehe aus dieſen Anmerkungen die
Lehre, daß er im unterrichtenden Vortrage ſich aller
erlaͤuternden Gleichniſſe enthalten ſolle, außer da,
wo er Hauptbegriffe oder Hauptſaͤtze, die ohne aͤhnliche
Faͤlle nicht deutlich genug erkennt, oder nicht ſchnell
genug gefaßt, noch dem Gedaͤchtnis lebhaft genug
eingepraͤgt werden, vorzutragen hat. Er brauche
ſie hauptſaͤchlich da, wo es wichtig iſt, daß der Zu-
hoͤrer die Vorſtellungen nicht nur mit großer Klar-
heit faſſe, ſondern ſich durch Verweilen darauf voll-
kommen damit bekannt mache; vornehmlich bey ſol-
chen Saͤtzen, die dem anſchauenden Erkenntnis durch
ausfuͤhrliche Bilder einleuchtend ſeyn ſollen.
Der Dichter, und auch der Redner, der durch leb-
hafte Gleichniſſe ſtaͤrker ruͤhren will, uͤberlege wol, ob
es natuͤrlich iſt, daß er, oder daß die Perſon, die er
redend einfuͤhret, ſich itzt auf dem Gegenſtande ver-
weile, um den Eindruk davon voͤllig zu genießen,
und ob der Gegenſtand ſelbſt wichtig genug iſt die
Empfindung eine Zeitlang zu beſchaͤftigen.
Auch die Art das Gleichnis vorzutragen und zu
behandeln, verdienet eine naͤhere Betrachtung. Der
Ausdruk, die Schreibart und der Ton ſind dabey
wichtige Sachen, ob gleich die Kunſtrichter wenig
daruͤber angemerkt haben. Es iſt aber leicht, die
wichtigſten Grundbegriffe hieruͤber zu entdeken.
Man daͤrf zu dem Ende nur auf den Urſprung und
die Abſicht der Gleichniſſe zuruͤck gehen.
Das erlaͤuternde Gleichnis hat eine groͤſſere Deut-
lichkeit und eine ganz genaue, aber ſinnliche Beſtim-
mung der Vorſtellung zur Abſicht; darum erfodert
es einen ſehr einfachen und natuͤrlichen Ausdruk in
dem unterrichtenden Tone, der blos auf den Ver-
ſtand wuͤrkt und die Empfindung in voͤlliger Ruhe
laͤßt. Es koͤmmt dabey mehr auf eine genaue Zeich-
nung, als auf das Colorit an. Man zeiget dem
Zuhoͤrer jeden Theil des Bildes, gleichſam mit dem
Finger, damit er es in der groͤßten Deutlichkeit
faſſe; doch laͤßt man ihn von dem Bilde nichts ſe-
hen, als was zur Aehnlichkeit mit dem Gegenbilde
gehoͤrt. Von dieſer Art iſt folgendes Gleichnis, wo-
mit Epiktet einem angehenden Philoſophen die wich-
tige Lehre fuͤhlbar machen will, daß er das, was er
gelernt hat, nicht prahleriſch vor andern auskra-
men, ſondern in der Stille zu ſeinem wahren Nu-
tzen anwenden ſoll. „Die Schaafe, indem ſie wie-
derkauen, ſpeyen das genoſſene Futter nicht wieder
aus, um dem Schaͤfer zu zeigen, daß ſie gut ge-
weidet haben; ſondern ſie verdauen unbemerkt und
begnuͤgen ſich damit, daß ſie die Wolle und die
Milch, als die Wuͤrkung der guten Nahrung, zei-
gen. Alſo ſollſt du bey Unwiſſenden mit dem Ge-
lernten nicht prahlen, ſondern nur die Werke, die
daraus entſtehen, zeigen.‟ (*)
Eine ganz andere Beſchaffenheit hat es mit den
Gleichniſſen, welche die Lebhaftigkeit der Vorſtel-
lung zum Zwek haben. Denn dadurch wuͤrken ſie
auf die Empfindung, deren Gattung, Schatti-
rung und Staͤrke man wol zu uͤberlegen hat, damit
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