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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Giq Gis Gla
gleicher Geltung, nämlich Achtel sind, oder wo al-
lenfalls hier und da ein Achtel mit einem Punkt vor-
kömmt. Wenn sie blos zur Uebung fürs Clavier
gesetzt werden, so läßt man auch wol sechszehntel
Noten mit darunter laufen. Nihmt man Takt,
so hat man sich zu hüten, daß man nicht im drit-
ten, noch viel weniger im vierten Takttheil schließe,
weil dieses der Natur einer solchen Bewegung ganz
entgegen ist.

Gis.
(Musik.)

Der Name der neunten Sayte unsrer diatonisch-
chromatischen Tonleiter, die von C anfängt, ihre
Länge, (wenn C j gesetzt wird) ist . Sie ist
die große Terz von E, nicht völlig rein nach dem
Verhältnis 4 : 5, sondern etwas größer, nach dem
Verhältnis . Aber von Cis ist sie die reine
Quinte. Zugleich vertritt sie die Stelle des A,
oder der kleinen Terz von F, die aber auch nicht
völlig rein nach dem Verhältnis 5/6 , sondern etwas
niedriger, nämlich ist. Da sie in dem heutigen
System ihre völlige diatonische Tonleiter hat, so
wird sie auch zum Grundton, so wol in der harten,
als weichen Tonart genommen. Die Tonleitern von
Gis dur und Gis mol, sind im Artikel Tonleiter zu
finden.

Glasmahlerey.

Es war ehedem gebräuchlich, an die Fensterschei-
ben der Kirchen und andrer öffentlichen Gebäude,
Mahlereyen anzubringen, wovon man noch itzt in
alten Gebäuden die Ueberbleibsel sieht. Die Far-
ben wurden auf das weiße Glas aufgetragen und
hernach eingebrannt: also war es eine Art Schmelz-
mahlerey, nur daß die eingebrannten Farben durch-
sichtig waren. Einige Farben, wie z. E. das dun-
kele Roth, sitzen sehr dick auf dem Glase, so daß es
aussieht, als wenn ein Stück von rothem Glase
auf die Fensterscheibe angelöthet wäre.

Ueberhaupt also waren die Farben nichts anders,
als gefärbtes Glas, das vermuthlich zu feinem
Staub gerieben, auf das weiße Glas aufgetragen
und hernach im Feuer wieder in Fluß gebracht wurd.
Die weiße Scheibe selbst diente anstatt des weißen,
und da, wo man weiß Licht nöthig hatte, wurd
gar keine Farb aufgetragen.

Bisweilen wurden die Farben nicht eingebrannt,
sondern blos eingesetzt. Man schnitt nämlich aus
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der weißen Scheibe ein Stück, nach der Form, die
die Zeichnung erfoderte, aus, und setzte mit Bley
ein Stück gefärbtes Glas hinein. So wurden ofte
die Gewänder gemacht; die Schatten wurden durch
schwarze Schraffirungen hineingetragen.

Dieses war die Mahlerey, womit vom XII oder
XIII Jahrhundert an, die Fenster der Kirchen und
andrer öffentlichen Gebäude verziert wurden. Die
meisten dieser Gemählde sind sehr schön von Far-
ben, sonst aber so wol in Erfindung, als Zeichnung
und Haltung sehr barbarisch. Jndessen ist es doch
Schade, daß sich nicht jemand die Mühe gegeben,
die in alten Kirchen noch übrigen Mahlereyen dieser
Art, in Absicht auf die Geschichte der Kunst jener
Zeiten, in Betrachtung zu nehmen, die besten davon
abzuzeichnen, und zu illuminiren. Seit ohngefehr
250 Jahren ist sie ganz in Abgang gekommen. Das
Verfahren und die Handgriffe dieser Art zu mahlen,
beschreibet der Abt Perneti ausführlich. (*)

(*) Dictio-
naire por-
tatif de
peinture
&c.

Die Glasmahlerey scheinet auch den Alten be-
kannt gewesen zu seyn. Jch erinnere mich irgend-
wo gelesen zu haben, daß ein gewisser Senator Buo-
narotti
Anmerkungen über verschiedene Fragmente
alter Glasmahlereyen herausgegeben.

Gleichnis.
(Redende Künste.)

Es ist schon anderswo (*) angemerkt worden, daß(*) Art.
Bild.

das Gleichnis ein ausgezeichnetes Bild der Rede sey,
dem das Gegenbild zur Seite gesetzt wird, damit
dieses durch jenes mit ästhetischer Kraft gefaßt wer-
de. Demnach kann alles, was dort von den Bil-
dern der Rede, ihrem Nutzen und ihrer Erfindung
gesagt worden ist, auch auf das Gleichnis angewen-
det werden. Gegen die bloße Vergleichung, ver-
hält es sich wie die Allegorie gegen die Metapher.
Die Vergleichung nennet das Bild, oder bezeichnet
es sehr flüchtig, und setzet in demselben Redesatz das
Gegenbild gleich daneben. Wenn man von einem
Verwundeten sagte: das Blut floß über seinen
weissen Schenkel, wie Purpur, womit Elfenbein
gefärbet ist;
so ist dieses eine bloße Vergleichung.
Auf die Art aber, wie Homer (*) dieses Bild aus-(*) II. IV.
141. u. f. f.

mahlet, wird es zum Gleichnis. "Wie wenn eine
Frau aus Phrygien oder Carien das Elfenbein mit
Purpur gefärbet hat, um ein zierliches Pferdegebiß
daraus zu verfertigen; sie verwahret es in ihrem
innersten Zimmer, und obgleich mancher Ritter

es
Erster Theil. P p p

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Giq Gis Gla
gleicher Geltung, naͤmlich Achtel ſind, oder wo al-
lenfalls hier und da ein Achtel mit einem Punkt vor-
koͤmmt. Wenn ſie blos zur Uebung fuͤrs Clavier
geſetzt werden, ſo laͤßt man auch wol ſechszehntel
Noten mit darunter laufen. Nihmt man Takt,
ſo hat man ſich zu huͤten, daß man nicht im drit-
ten, noch viel weniger im vierten Takttheil ſchließe,
weil dieſes der Natur einer ſolchen Bewegung ganz
entgegen iſt.

Gis.
(Muſik.)

Der Name der neunten Sayte unſrer diatoniſch-
chromatiſchen Tonleiter, die von C anfaͤngt, ihre
Laͤnge, (wenn C j geſetzt wird) iſt . Sie iſt
die große Terz von E, nicht voͤllig rein nach dem
Verhaͤltnis 4 : 5, ſondern etwas groͤßer, nach dem
Verhaͤltnis . Aber von Cis iſt ſie die reine
Quinte. Zugleich vertritt ſie die Stelle des A,
oder der kleinen Terz von F, die aber auch nicht
voͤllig rein nach dem Verhaͤltnis ⅚, ſondern etwas
niedriger, naͤmlich iſt. Da ſie in dem heutigen
Syſtem ihre voͤllige diatoniſche Tonleiter hat, ſo
wird ſie auch zum Grundton, ſo wol in der harten,
als weichen Tonart genommen. Die Tonleitern von
Gis dur und Gis mol, ſind im Artikel Tonleiter zu
finden.

Glasmahlerey.

Es war ehedem gebraͤuchlich, an die Fenſterſchei-
ben der Kirchen und andrer oͤffentlichen Gebaͤude,
Mahlereyen anzubringen, wovon man noch itzt in
alten Gebaͤuden die Ueberbleibſel ſieht. Die Far-
ben wurden auf das weiße Glas aufgetragen und
hernach eingebrannt: alſo war es eine Art Schmelz-
mahlerey, nur daß die eingebrannten Farben durch-
ſichtig waren. Einige Farben, wie z. E. das dun-
kele Roth, ſitzen ſehr dick auf dem Glaſe, ſo daß es
ausſieht, als wenn ein Stuͤck von rothem Glaſe
auf die Fenſterſcheibe angeloͤthet waͤre.

Ueberhaupt alſo waren die Farben nichts anders,
als gefaͤrbtes Glas, das vermuthlich zu feinem
Staub gerieben, auf das weiße Glas aufgetragen
und hernach im Feuer wieder in Fluß gebracht wurd.
Die weiße Scheibe ſelbſt diente anſtatt des weißen,
und da, wo man weiß Licht noͤthig hatte, wurd
gar keine Farb aufgetragen.

Bisweilen wurden die Farben nicht eingebrannt,
ſondern blos eingeſetzt. Man ſchnitt naͤmlich aus
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Gla Gle
der weißen Scheibe ein Stuͤck, nach der Form, die
die Zeichnung erfoderte, aus, und ſetzte mit Bley
ein Stuͤck gefaͤrbtes Glas hinein. So wurden ofte
die Gewaͤnder gemacht; die Schatten wurden durch
ſchwarze Schraffirungen hineingetragen.

Dieſes war die Mahlerey, womit vom XII oder
XIII Jahrhundert an, die Fenſter der Kirchen und
andrer oͤffentlichen Gebaͤude verziert wurden. Die
meiſten dieſer Gemaͤhlde ſind ſehr ſchoͤn von Far-
ben, ſonſt aber ſo wol in Erfindung, als Zeichnung
und Haltung ſehr barbariſch. Jndeſſen iſt es doch
Schade, daß ſich nicht jemand die Muͤhe gegeben,
die in alten Kirchen noch uͤbrigen Mahlereyen dieſer
Art, in Abſicht auf die Geſchichte der Kunſt jener
Zeiten, in Betrachtung zu nehmen, die beſten davon
abzuzeichnen, und zu illuminiren. Seit ohngefehr
250 Jahren iſt ſie ganz in Abgang gekommen. Das
Verfahren und die Handgriffe dieſer Art zu mahlen,
beſchreibet der Abt Perneti ausfuͤhrlich. (*)

(*) Dictio-
naire por-
tatif de
peinture
&c.

Die Glasmahlerey ſcheinet auch den Alten be-
kannt geweſen zu ſeyn. Jch erinnere mich irgend-
wo geleſen zu haben, daß ein gewiſſer Senator Buo-
narotti
Anmerkungen uͤber verſchiedene Fragmente
alter Glasmahlereyen herausgegeben.

Gleichnis.
(Redende Kuͤnſte.)

Es iſt ſchon anderswo (*) angemerkt worden, daß(*) Art.
Bild.

das Gleichnis ein ausgezeichnetes Bild der Rede ſey,
dem das Gegenbild zur Seite geſetzt wird, damit
dieſes durch jenes mit aͤſthetiſcher Kraft gefaßt wer-
de. Demnach kann alles, was dort von den Bil-
dern der Rede, ihrem Nutzen und ihrer Erfindung
geſagt worden iſt, auch auf das Gleichnis angewen-
det werden. Gegen die bloße Vergleichung, ver-
haͤlt es ſich wie die Allegorie gegen die Metapher.
Die Vergleichung nennet das Bild, oder bezeichnet
es ſehr fluͤchtig, und ſetzet in demſelben Redeſatz das
Gegenbild gleich daneben. Wenn man von einem
Verwundeten ſagte: das Blut floß uͤber ſeinen
weiſſen Schenkel, wie Purpur, womit Elfenbein
gefaͤrbet iſt;
ſo iſt dieſes eine bloße Vergleichung.
Auf die Art aber, wie Homer (*) dieſes Bild aus-(*) II. IV.
141. u. f. f.

mahlet, wird es zum Gleichnis. „Wie wenn eine
Frau aus Phrygien oder Carien das Elfenbein mit
Purpur gefaͤrbet hat, um ein zierliches Pferdegebiß
daraus zu verfertigen; ſie verwahret es in ihrem
innerſten Zimmer, und obgleich mancher Ritter

es
Erſter Theil. P p p
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[481/0493] Giq Gis Gla Gla Gle gleicher Geltung, naͤmlich Achtel ſind, oder wo al- lenfalls hier und da ein Achtel mit einem Punkt vor- koͤmmt. Wenn ſie blos zur Uebung fuͤrs Clavier geſetzt werden, ſo laͤßt man auch wol ſechszehntel Noten mit darunter laufen. Nihmt man [FORMEL] Takt, ſo hat man ſich zu huͤten, daß man nicht im drit- ten, noch viel weniger im vierten Takttheil ſchließe, weil dieſes der Natur einer ſolchen Bewegung ganz entgegen iſt. Gis. (Muſik.) Der Name der neunten Sayte unſrer diatoniſch- chromatiſchen Tonleiter, die von C anfaͤngt, ihre Laͤnge, (wenn C j geſetzt wird) iſt [FORMEL]. Sie iſt die große Terz von E, nicht voͤllig rein nach dem Verhaͤltnis 4 : 5, ſondern etwas groͤßer, nach dem Verhaͤltnis [FORMEL]. Aber von Cis iſt ſie die reine Quinte. Zugleich vertritt ſie die Stelle des A, oder der kleinen Terz von F, die aber auch nicht voͤllig rein nach dem Verhaͤltnis ⅚, ſondern etwas niedriger, naͤmlich [FORMEL] iſt. Da ſie in dem heutigen Syſtem ihre voͤllige diatoniſche Tonleiter hat, ſo wird ſie auch zum Grundton, ſo wol in der harten, als weichen Tonart genommen. Die Tonleitern von Gis dur und Gis mol, ſind im Artikel Tonleiter zu finden. Glasmahlerey. Es war ehedem gebraͤuchlich, an die Fenſterſchei- ben der Kirchen und andrer oͤffentlichen Gebaͤude, Mahlereyen anzubringen, wovon man noch itzt in alten Gebaͤuden die Ueberbleibſel ſieht. Die Far- ben wurden auf das weiße Glas aufgetragen und hernach eingebrannt: alſo war es eine Art Schmelz- mahlerey, nur daß die eingebrannten Farben durch- ſichtig waren. Einige Farben, wie z. E. das dun- kele Roth, ſitzen ſehr dick auf dem Glaſe, ſo daß es ausſieht, als wenn ein Stuͤck von rothem Glaſe auf die Fenſterſcheibe angeloͤthet waͤre. Ueberhaupt alſo waren die Farben nichts anders, als gefaͤrbtes Glas, das vermuthlich zu feinem Staub gerieben, auf das weiße Glas aufgetragen und hernach im Feuer wieder in Fluß gebracht wurd. Die weiße Scheibe ſelbſt diente anſtatt des weißen, und da, wo man weiß Licht noͤthig hatte, wurd gar keine Farb aufgetragen. Bisweilen wurden die Farben nicht eingebrannt, ſondern blos eingeſetzt. Man ſchnitt naͤmlich aus der weißen Scheibe ein Stuͤck, nach der Form, die die Zeichnung erfoderte, aus, und ſetzte mit Bley ein Stuͤck gefaͤrbtes Glas hinein. So wurden ofte die Gewaͤnder gemacht; die Schatten wurden durch ſchwarze Schraffirungen hineingetragen. Dieſes war die Mahlerey, womit vom XII oder XIII Jahrhundert an, die Fenſter der Kirchen und andrer oͤffentlichen Gebaͤude verziert wurden. Die meiſten dieſer Gemaͤhlde ſind ſehr ſchoͤn von Far- ben, ſonſt aber ſo wol in Erfindung, als Zeichnung und Haltung ſehr barbariſch. Jndeſſen iſt es doch Schade, daß ſich nicht jemand die Muͤhe gegeben, die in alten Kirchen noch uͤbrigen Mahlereyen dieſer Art, in Abſicht auf die Geſchichte der Kunſt jener Zeiten, in Betrachtung zu nehmen, die beſten davon abzuzeichnen, und zu illuminiren. Seit ohngefehr 250 Jahren iſt ſie ganz in Abgang gekommen. Das Verfahren und die Handgriffe dieſer Art zu mahlen, beſchreibet der Abt Perneti ausfuͤhrlich. (*) Die Glasmahlerey ſcheinet auch den Alten be- kannt geweſen zu ſeyn. Jch erinnere mich irgend- wo geleſen zu haben, daß ein gewiſſer Senator Buo- narotti Anmerkungen uͤber verſchiedene Fragmente alter Glasmahlereyen herausgegeben. Gleichnis. (Redende Kuͤnſte.) Es iſt ſchon anderswo (*) angemerkt worden, daß das Gleichnis ein ausgezeichnetes Bild der Rede ſey, dem das Gegenbild zur Seite geſetzt wird, damit dieſes durch jenes mit aͤſthetiſcher Kraft gefaßt wer- de. Demnach kann alles, was dort von den Bil- dern der Rede, ihrem Nutzen und ihrer Erfindung geſagt worden iſt, auch auf das Gleichnis angewen- det werden. Gegen die bloße Vergleichung, ver- haͤlt es ſich wie die Allegorie gegen die Metapher. Die Vergleichung nennet das Bild, oder bezeichnet es ſehr fluͤchtig, und ſetzet in demſelben Redeſatz das Gegenbild gleich daneben. Wenn man von einem Verwundeten ſagte: das Blut floß uͤber ſeinen weiſſen Schenkel, wie Purpur, womit Elfenbein gefaͤrbet iſt; ſo iſt dieſes eine bloße Vergleichung. Auf die Art aber, wie Homer (*) dieſes Bild aus- mahlet, wird es zum Gleichnis. „Wie wenn eine Frau aus Phrygien oder Carien das Elfenbein mit Purpur gefaͤrbet hat, um ein zierliches Pferdegebiß daraus zu verfertigen; ſie verwahret es in ihrem innerſten Zimmer, und obgleich mancher Ritter es (*) Art. Bild. (*) II. IV. 141. u. f. f. Erſter Theil. P p p

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/493>, abgerufen am 22.11.2024.