Der Fries schikt sich auch sehr wol zu Aufschrif- ten. So sind an der Rotonda in Rom, und an dem berlinischen Opernhaus, an dem Fries der Halle, die Aufschriften. Bisweilen werden auch ovalrunde Oefnungen, die man Ochsenaugen nennt, darin angebracht, um kleinen, über den Hauptzim- mern liegenden Kammern, dadurch Licht zu geben. Sie könnten auch vierekigt, wie die Metopen am dorischen Fries, gemacht werden, und sind um so viel schiklicher, da sie den offenen Raum zwischen zwey Balken vorstellen. Dergleichen kleine Fenster in dem Fries geben die natürlichste Gelegenheit, kleine Zwischenkammern, oder so genannte Entre- sols, über großen Zimmern anzubringen. Denn diese Fenster in den Unterbalken zu bringen, wie in dem Königl. Schloß in Berlin geschehen, ist ein höchst beleidigender Fehler, weil der Unterbalken, seiner Natur nach, schlechterdings gerad und ganz (*) S. Un- terbalten.seyn muß (*).
Frostig. (Schöne Künste.)
Jn dem critischen Werk, das von vielen dem De- metrius Phaleräus zugeschrieben wird, findet man folgende Erklärung des Frostigen, die dem Theo- phrastus zugeschrieben wird, angeführt. Frostig ist dasjenige, was die eigentliche Beschaffenheit sei- ner Art überschreitet. Dieses scheinet aber mehr auf das Uebertriebene zu passen, das in der That bisweilen frostig ist. Eigentlich ist dasjenige Frostig, was durch die übertriebene oder falsche Veranstal- tung, die Art der Kraft, die man ihm hat geben wollen, ganz verliert; wenn das, was man hat erheben wollen, durch die Mittel, die man dazu braucht, niedrig und platt wird; wenn das, was Schrekhaft seyn sollte, durch die Veranstaltung Lä- cherlich, das Lächerliche abgeschmakt oder verdrüßlich wird. So wie der, der zu viel beweist, eigentlich gar nichts beweist, so wird auch zu viel falsche, ästhetische Kraft völlig unkräftig, oder Frostig. Ueberhaupt scheinet alles, was unzeitig gegen die Absicht vergrößert, oder verschönert wird, auch alles, was einen falschen Schein hat; aller falsche, übertriebene und unzeitige Witz, ins Frostige zu fallen. Der oben angeführte unbekannte Schrift- steller sagt ganz artig, das Frostige gleiche einem Prahler, der sich rühmet, Dinge zu besitzen, die er nicht hat.
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Fro
Plutarchus rechnet folgenden übertriebenen Ein- fall unter das höchst Frostige. Weil der Tempel der Diana zu Ephesus an eben dem Tag abgebrannt war, an welchem Alexander gebohren worden, hatte hernach ein Witzling den Einfall, die Göttin habe den Tempel nicht löschen können, weil sie zu viel mit des Helden Gebuhrt zu thun gehabt habe. Frostig ist bey Shakesspear der Gedanke des Laer- tes, der auf die Nachricht, daß seine Schwester sich ersäuft habe, sagt: da sie zu viel Wasser habe, wolle er es durch seine Thränen nicht noch vermehren (*).(*) im Hamlet. Frostig ist dieses, das Seneka dem Theseus in den Mund legt
-- -- si novi Herculem, Lycus Creonti debitas poenas dabit. Lentum est, dabit; dat: hoc quoque est lentum; dedit (*).(*) Her- cules fur. vs 642.
Das Frostige ist einer der schlimmsten Fehler in den Werken des Geschmaks, weil es sehr beleidiget. Das parturiunt montes, hat immer dabey statt; man wird bös auf den Künstler, und kehrt das Auge von seinem Werke weg. Also ist kaum ein Fehler, vor dem man sich sorgfältiger in Acht zu nehmen habe. Deswegen hat Aristoteles in seiner Rhetorik einen eigenen Abschnitt, um die Ursachen des Frosti- gen zu untersuchen.
Der allgemeine Grund alles Frostigen ist der Mangel der Beurtheilungskraft, bey der Begierde etwas ausserordentliches und besonders kräftiges her- vorzubringen. Was Longinus hierüber sagt, ver- dient erwogen zu werden (*). Dieser allgemeine(*) Cap. III. Mangel der Beurtheilung wird auf verschiedene Weise eine Quelle des Frostigen.
Erstlich, wenn man sich einbildet, durch blos äusserliche Mittel, die den Sachen nicht einmal an- gemessen sind, ihnen Kraft zu geben, als; wenn man gemeine Gedanken durch hohe Worte, oder durch einen hochtrabenden Ton erheben wollte.
Zweytens, wenn figürliche Redensarten, Tropen und Bilder, wodurch die Sachen lebhafter sollten gemacht werden, da, wo sie gebraucht werden, nicht passen.
Drittens, bey übel angewandtem oder übertrie- benem Leidenschaftlichen; wenn man gleichgültigen Dingen einen Anstrich des Ernfthaften, oder Trau- rigen, oder Lustigen geben will, oder wenn über- haupt dieses Leidenschaftliche blos aus Verstellung, und nicht aus würklicher Empfindung herkömmt.
Nicht
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Fri Fro
Der Fries ſchikt ſich auch ſehr wol zu Aufſchrif- ten. So ſind an der Rotonda in Rom, und an dem berliniſchen Opernhaus, an dem Fries der Halle, die Aufſchriften. Bisweilen werden auch ovalrunde Oefnungen, die man Ochſenaugen nennt, darin angebracht, um kleinen, uͤber den Hauptzim- mern liegenden Kammern, dadurch Licht zu geben. Sie koͤnnten auch vierekigt, wie die Metopen am doriſchen Fries, gemacht werden, und ſind um ſo viel ſchiklicher, da ſie den offenen Raum zwiſchen zwey Balken vorſtellen. Dergleichen kleine Fenſter in dem Fries geben die natuͤrlichſte Gelegenheit, kleine Zwiſchenkammern, oder ſo genannte Entre- ſols, uͤber großen Zimmern anzubringen. Denn dieſe Fenſter in den Unterbalken zu bringen, wie in dem Koͤnigl. Schloß in Berlin geſchehen, iſt ein hoͤchſt beleidigender Fehler, weil der Unterbalken, ſeiner Natur nach, ſchlechterdings gerad und ganz (*) S. Un- terbalten.ſeyn muß (*).
Froſtig. (Schoͤne Kuͤnſte.)
Jn dem critiſchen Werk, das von vielen dem De- metrius Phaleraͤus zugeſchrieben wird, findet man folgende Erklaͤrung des Froſtigen, die dem Theo- phraſtus zugeſchrieben wird, angefuͤhrt. Froſtig iſt dasjenige, was die eigentliche Beſchaffenheit ſei- ner Art uͤberſchreitet. Dieſes ſcheinet aber mehr auf das Uebertriebene zu paſſen, das in der That bisweilen froſtig iſt. Eigentlich iſt dasjenige Froſtig, was durch die uͤbertriebene oder falſche Veranſtal- tung, die Art der Kraft, die man ihm hat geben wollen, ganz verliert; wenn das, was man hat erheben wollen, durch die Mittel, die man dazu braucht, niedrig und platt wird; wenn das, was Schrekhaft ſeyn ſollte, durch die Veranſtaltung Laͤ- cherlich, das Laͤcherliche abgeſchmakt oder verdruͤßlich wird. So wie der, der zu viel beweiſt, eigentlich gar nichts beweiſt, ſo wird auch zu viel falſche, aͤſthetiſche Kraft voͤllig unkraͤftig, oder Froſtig. Ueberhaupt ſcheinet alles, was unzeitig gegen die Abſicht vergroͤßert, oder verſchoͤnert wird, auch alles, was einen falſchen Schein hat; aller falſche, uͤbertriebene und unzeitige Witz, ins Froſtige zu fallen. Der oben angefuͤhrte unbekannte Schrift- ſteller ſagt ganz artig, das Froſtige gleiche einem Prahler, der ſich ruͤhmet, Dinge zu beſitzen, die er nicht hat.
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Fro
Plutarchus rechnet folgenden uͤbertriebenen Ein- fall unter das hoͤchſt Froſtige. Weil der Tempel der Diana zu Epheſus an eben dem Tag abgebrannt war, an welchem Alexander gebohren worden, hatte hernach ein Witzling den Einfall, die Goͤttin habe den Tempel nicht loͤſchen koͤnnen, weil ſie zu viel mit des Helden Gebuhrt zu thun gehabt habe. Froſtig iſt bey Shakesſpear der Gedanke des Laer- tes, der auf die Nachricht, daß ſeine Schweſter ſich erſaͤuft habe, ſagt: da ſie zu viel Waſſer habe, wolle er es durch ſeine Thraͤnen nicht noch vermehren (*).(*) im Hamlet. Froſtig iſt dieſes, das Seneka dem Theſeus in den Mund legt
— — ſi novi Herculem, Lycus Creonti debitas poenas dabit. Lentum eſt, dabit; dat: hoc quoque eſt lentum; dedit (*).(*) Her- cules fur. vs 642.
Das Froſtige iſt einer der ſchlimmſten Fehler in den Werken des Geſchmaks, weil es ſehr beleidiget. Das parturiunt montes, hat immer dabey ſtatt; man wird boͤs auf den Kuͤnſtler, und kehrt das Auge von ſeinem Werke weg. Alſo iſt kaum ein Fehler, vor dem man ſich ſorgfaͤltiger in Acht zu nehmen habe. Deswegen hat Ariſtoteles in ſeiner Rhetorik einen eigenen Abſchnitt, um die Urſachen des Froſti- gen zu unterſuchen.
Der allgemeine Grund alles Froſtigen iſt der Mangel der Beurtheilungskraft, bey der Begierde etwas auſſerordentliches und beſonders kraͤftiges her- vorzubringen. Was Longinus hieruͤber ſagt, ver- dient erwogen zu werden (*). Dieſer allgemeine(*) Cap. III. Mangel der Beurtheilung wird auf verſchiedene Weiſe eine Quelle des Froſtigen.
Erſtlich, wenn man ſich einbildet, durch blos aͤuſſerliche Mittel, die den Sachen nicht einmal an- gemeſſen ſind, ihnen Kraft zu geben, als; wenn man gemeine Gedanken durch hohe Worte, oder durch einen hochtrabenden Ton erheben wollte.
Zweytens, wenn figuͤrliche Redensarten, Tropen und Bilder, wodurch die Sachen lebhafter ſollten gemacht werden, da, wo ſie gebraucht werden, nicht paſſen.
Drittens, bey uͤbel angewandtem oder uͤbertrie- benem Leidenſchaftlichen; wenn man gleichguͤltigen Dingen einen Anſtrich des Ernfthaften, oder Trau- rigen, oder Luſtigen geben will, oder wenn uͤber- haupt dieſes Leidenſchaftliche blos aus Verſtellung, und nicht aus wuͤrklicher Empfindung herkoͤmmt.
Nicht
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[406/0418]
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Fro
Der Fries ſchikt ſich auch ſehr wol zu Aufſchrif-
ten. So ſind an der Rotonda in Rom, und an
dem berliniſchen Opernhaus, an dem Fries der
Halle, die Aufſchriften. Bisweilen werden auch
ovalrunde Oefnungen, die man Ochſenaugen nennt,
darin angebracht, um kleinen, uͤber den Hauptzim-
mern liegenden Kammern, dadurch Licht zu geben.
Sie koͤnnten auch vierekigt, wie die Metopen am
doriſchen Fries, gemacht werden, und ſind um ſo
viel ſchiklicher, da ſie den offenen Raum zwiſchen
zwey Balken vorſtellen. Dergleichen kleine Fenſter
in dem Fries geben die natuͤrlichſte Gelegenheit,
kleine Zwiſchenkammern, oder ſo genannte Entre-
ſols, uͤber großen Zimmern anzubringen. Denn
dieſe Fenſter in den Unterbalken zu bringen, wie
in dem Koͤnigl. Schloß in Berlin geſchehen, iſt ein
hoͤchſt beleidigender Fehler, weil der Unterbalken,
ſeiner Natur nach, ſchlechterdings gerad und ganz
ſeyn muß (*).
(*) S. Un-
terbalten.
Froſtig.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Jn dem critiſchen Werk, das von vielen dem De-
metrius Phaleraͤus zugeſchrieben wird, findet man
folgende Erklaͤrung des Froſtigen, die dem Theo-
phraſtus zugeſchrieben wird, angefuͤhrt. Froſtig
iſt dasjenige, was die eigentliche Beſchaffenheit ſei-
ner Art uͤberſchreitet. Dieſes ſcheinet aber mehr
auf das Uebertriebene zu paſſen, das in der That
bisweilen froſtig iſt. Eigentlich iſt dasjenige Froſtig,
was durch die uͤbertriebene oder falſche Veranſtal-
tung, die Art der Kraft, die man ihm hat geben
wollen, ganz verliert; wenn das, was man hat
erheben wollen, durch die Mittel, die man dazu
braucht, niedrig und platt wird; wenn das, was
Schrekhaft ſeyn ſollte, durch die Veranſtaltung Laͤ-
cherlich, das Laͤcherliche abgeſchmakt oder verdruͤßlich
wird. So wie der, der zu viel beweiſt, eigentlich
gar nichts beweiſt, ſo wird auch zu viel falſche,
aͤſthetiſche Kraft voͤllig unkraͤftig, oder Froſtig.
Ueberhaupt ſcheinet alles, was unzeitig gegen die
Abſicht vergroͤßert, oder verſchoͤnert wird, auch
alles, was einen falſchen Schein hat; aller falſche,
uͤbertriebene und unzeitige Witz, ins Froſtige zu
fallen. Der oben angefuͤhrte unbekannte Schrift-
ſteller ſagt ganz artig, das Froſtige gleiche einem
Prahler, der ſich ruͤhmet, Dinge zu beſitzen, die
er nicht hat.
Plutarchus rechnet folgenden uͤbertriebenen Ein-
fall unter das hoͤchſt Froſtige. Weil der Tempel der
Diana zu Epheſus an eben dem Tag abgebrannt
war, an welchem Alexander gebohren worden, hatte
hernach ein Witzling den Einfall, die Goͤttin habe
den Tempel nicht loͤſchen koͤnnen, weil ſie zu viel
mit des Helden Gebuhrt zu thun gehabt habe.
Froſtig iſt bey Shakesſpear der Gedanke des Laer-
tes, der auf die Nachricht, daß ſeine Schweſter ſich
erſaͤuft habe, ſagt: da ſie zu viel Waſſer habe, wolle
er es durch ſeine Thraͤnen nicht noch vermehren (*).
Froſtig iſt dieſes, das Seneka dem Theſeus in den
Mund legt
(*) im
Hamlet.
— — ſi novi Herculem,
Lycus Creonti debitas poenas dabit.
Lentum eſt, dabit; dat: hoc quoque eſt
lentum; dedit (*).
Das Froſtige iſt einer der ſchlimmſten Fehler in den
Werken des Geſchmaks, weil es ſehr beleidiget. Das
parturiunt montes, hat immer dabey ſtatt; man
wird boͤs auf den Kuͤnſtler, und kehrt das Auge
von ſeinem Werke weg. Alſo iſt kaum ein Fehler,
vor dem man ſich ſorgfaͤltiger in Acht zu nehmen
habe. Deswegen hat Ariſtoteles in ſeiner Rhetorik
einen eigenen Abſchnitt, um die Urſachen des Froſti-
gen zu unterſuchen.
Der allgemeine Grund alles Froſtigen iſt der
Mangel der Beurtheilungskraft, bey der Begierde
etwas auſſerordentliches und beſonders kraͤftiges her-
vorzubringen. Was Longinus hieruͤber ſagt, ver-
dient erwogen zu werden (*). Dieſer allgemeine
Mangel der Beurtheilung wird auf verſchiedene
Weiſe eine Quelle des Froſtigen.
(*) Cap.
III.
Erſtlich, wenn man ſich einbildet, durch blos
aͤuſſerliche Mittel, die den Sachen nicht einmal an-
gemeſſen ſind, ihnen Kraft zu geben, als; wenn
man gemeine Gedanken durch hohe Worte, oder
durch einen hochtrabenden Ton erheben wollte.
Zweytens, wenn figuͤrliche Redensarten, Tropen
und Bilder, wodurch die Sachen lebhafter ſollten
gemacht werden, da, wo ſie gebraucht werden,
nicht paſſen.
Drittens, bey uͤbel angewandtem oder uͤbertrie-
benem Leidenſchaftlichen; wenn man gleichguͤltigen
Dingen einen Anſtrich des Ernfthaften, oder Trau-
rigen, oder Luſtigen geben will, oder wenn uͤber-
haupt dieſes Leidenſchaftliche blos aus Verſtellung,
und nicht aus wuͤrklicher Empfindung herkoͤmmt.
Nicht
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/418>, abgerufen am 18.07.2024.
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