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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Untern den Neuern ist Algarde einer der ersten
gewesen, der in dieser Art groß geworden.

Flämandische Schule.

Unter dieser Benennung versteht man insgemein
die berühmten Mahler und Bildhauer der so genann-
ten spanischen Niederlande. Diese Länder, vor-
nehmlich aber die beyden Provinzen Braband und
Flandern, waren ehedem der Sitz der Aemsig-
keit und des Reichthums, und daher auch der
Pracht und der, die Pracht unterstützenden, Künste.
Einem Niederländer Johann van Eyk hat man die
Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken;
und den Theil der Kunst, der auf den Gebrauch und
die Behandlung der Farben ankömmt, so wol im
ganz Großen, als im Kleinen, hat diese Schule
auf das Höchste gebracht, wenn dieses das Höchste
ist, daß man die Natur völlig erreiche. Diese
Schule hat Europa mit Gemählden angefüllet, die
man kaum für Gemählde hält, so sehr hat jeder
Theil das Licht, die Farbe, die Haltung und den
Ton eines in diesem Zusammenhang würklich |vor-
handenen Körpers. Wenn die venetianische Schule
diese an Pracht und Glanz der Farben, und einem
gewissen Jdeal des Colorits übertrift, so muß sie
ihr doch, in Ansehung der völligen Erreichung der
Natur, den ersten Platz lassen.

Auch an Zeichnung fehlet es der Flämandischen
Schule eben nicht so, wie viele vorgeben; obgleich
auch die größten Meister derselben sich sehr selten
über die Natur erhoben haben; denn sie waren nur
Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegen-
den Natur, und dachten nicht daran, den Charak-
ter der Menschen um einige Grade höher zu setzen.
Sie kannten weder im Körperlichen, noch im Sitt-
lichen, keine Welt, als die, in der sie lebten.
Diese aber bildeten sie in ihren Werken auf eine
Weise nach, die nicht übertroffen werden kann. Die
Kenntnis der Farben scheinen sie aufs Höchste ge-
bracht zu haben, weil ihre Gemählde fast unverän-
derlich bleiben.

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Fla Fle

Die berühmtesten Männer dieser Schule im
Großen sind, Caspar Crayer, Jacob Jordans, vor-
nehmlich aber Rubens und van Dyk, und im Klei-
nen Adrian Brower und David Teiniers, in der
Landschaft aber, Hermann Swanevelt. Auch hat
diese Schule Bildhauer gehabt, die von wenigen
Neuern übertroffen werden. Franz dü Quesnoy,
den die Jtaliäner Fiamingo genennt haben, weicht
keinem neuern Bildhauer, und in seinen Kindern hat
er gar alle übertroffen. [Spaltenumbruch] (+)

Die beyden größten Männer dieser Schule, Ru-
bens und van Dyk, kann man nicht in ihrer Größe
kennen leruen, als wenn man ihre großen Werke
in den niederländischen Städten, und in der Gallerie
zu Düsseldorf gesehen hat. Die von Rubens in den
verschiedenen Gallerien zerstreueten Werke, zeigen
ihn freylich nicht immer als einen großen Mann,
und van Dyk lernt man aus den Gallerien nur als
den größten Portraitmahler kennen.

Die Niederlande haben in Ansehung der Kunst
fast eben das Schicksal gehabt, das sie in Ansehung
des Reichthums und der Handlung betroffen hat.
So wie verschiedene Städte dieser Länder ietzt mehr
verweßte Leichname von Städten, als Städte sind,
so sind auch die zeichnenden Künste daselbst nur noch
in den Werken der ehemaligen Meister vorhanden.

Fleiß.
(Schöne Künste.)

Die Bestrebung, ein Werk der Kunst auch in den
kleinsten Theilen mit der äussersten Aufmerksam-
keit vollkommen zu machen, folglich jede kleinste
Schönheit zu erreichen, und die geringsten Fehler
oder Mängel auszubessern (++). Der Fleiß gehört
demnach zur Ausführung und Ausbildung, wo-
von bereits in besondern Artikeln gesprochen wor-
den. Weil die größten Schönheiten eines Werks
der Kunst in großen Gedanken bestehen, welche die
Vorstellungs- und Begehrungskräfte mit starken
Schlägen angreiffen, so kann ein Werk eine starke
Würkung thun, an welches kein Fleiß ist gewendet
worden. Ein Werk, dessen größte Würkung von

Haupt-
(+) Eine sehr gründliche und wichtige Beurtheilung die-
ses Künstlers findet man in Köremons Natur und Kunst
in Gemählden, II Th. S. 346 u. f. f.
(++) Characterem felicis Aesthetici coronat correctionis
studium
(limae labor et mora) seu habitus protensa attentione
[Spaltenumbruch] in pulcre insormatum opus, quantum possis, miuores, mi-
nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi
imperfectiones, aliquantula phaenomena, citra detrimentum
totius. Baumgarten Aesthet.
§. 97.
C c c 3
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Fla

Untern den Neuern iſt Algarde einer der erſten
geweſen, der in dieſer Art groß geworden.

Flaͤmandiſche Schule.

Unter dieſer Benennung verſteht man insgemein
die beruͤhmten Mahler und Bildhauer der ſo genann-
ten ſpaniſchen Niederlande. Dieſe Laͤnder, vor-
nehmlich aber die beyden Provinzen Braband und
Flandern, waren ehedem der Sitz der Aemſig-
keit und des Reichthums, und daher auch der
Pracht und der, die Pracht unterſtuͤtzenden, Kuͤnſte.
Einem Niederlaͤnder Johann van Eyk hat man die
Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken;
und den Theil der Kunſt, der auf den Gebrauch und
die Behandlung der Farben ankoͤmmt, ſo wol im
ganz Großen, als im Kleinen, hat dieſe Schule
auf das Hoͤchſte gebracht, wenn dieſes das Hoͤchſte
iſt, daß man die Natur voͤllig erreiche. Dieſe
Schule hat Europa mit Gemaͤhlden angefuͤllet, die
man kaum fuͤr Gemaͤhlde haͤlt, ſo ſehr hat jeder
Theil das Licht, die Farbe, die Haltung und den
Ton eines in dieſem Zuſammenhang wuͤrklich |vor-
handenen Koͤrpers. Wenn die venetianiſche Schule
dieſe an Pracht und Glanz der Farben, und einem
gewiſſen Jdeal des Colorits uͤbertrift, ſo muß ſie
ihr doch, in Anſehung der voͤlligen Erreichung der
Natur, den erſten Platz laſſen.

Auch an Zeichnung fehlet es der Flaͤmandiſchen
Schule eben nicht ſo, wie viele vorgeben; obgleich
auch die groͤßten Meiſter derſelben ſich ſehr ſelten
uͤber die Natur erhoben haben; denn ſie waren nur
Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegen-
den Natur, und dachten nicht daran, den Charak-
ter der Menſchen um einige Grade hoͤher zu ſetzen.
Sie kannten weder im Koͤrperlichen, noch im Sitt-
lichen, keine Welt, als die, in der ſie lebten.
Dieſe aber bildeten ſie in ihren Werken auf eine
Weiſe nach, die nicht uͤbertroffen werden kann. Die
Kenntnis der Farben ſcheinen ſie aufs Hoͤchſte ge-
bracht zu haben, weil ihre Gemaͤhlde faſt unveraͤn-
derlich bleiben.

[Spaltenumbruch]
Fla Fle

Die beruͤhmteſten Maͤnner dieſer Schule im
Großen ſind, Caſpar Crayer, Jacob Jordans, vor-
nehmlich aber Rubens und van Dyk, und im Klei-
nen Adrian Brower und David Teiniers, in der
Landſchaft aber, Hermann Swanevelt. Auch hat
dieſe Schule Bildhauer gehabt, die von wenigen
Neuern uͤbertroffen werden. Franz duͤ Quesnoy,
den die Jtaliaͤner Fiamingo genennt haben, weicht
keinem neuern Bildhauer, und in ſeinen Kindern hat
er gar alle uͤbertroffen. [Spaltenumbruch] (†)

Die beyden groͤßten Maͤnner dieſer Schule, Ru-
bens und van Dyk, kann man nicht in ihrer Groͤße
kennen leruen, als wenn man ihre großen Werke
in den niederlaͤndiſchen Staͤdten, und in der Gallerie
zu Duͤſſeldorf geſehen hat. Die von Rubens in den
verſchiedenen Gallerien zerſtreueten Werke, zeigen
ihn freylich nicht immer als einen großen Mann,
und van Dyk lernt man aus den Gallerien nur als
den groͤßten Portraitmahler kennen.

Die Niederlande haben in Anſehung der Kunſt
faſt eben das Schickſal gehabt, das ſie in Anſehung
des Reichthums und der Handlung betroffen hat.
So wie verſchiedene Staͤdte dieſer Laͤnder ietzt mehr
verweßte Leichname von Staͤdten, als Staͤdte ſind,
ſo ſind auch die zeichnenden Kuͤnſte daſelbſt nur noch
in den Werken der ehemaligen Meiſter vorhanden.

Fleiß.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Die Beſtrebung, ein Werk der Kunſt auch in den
kleinſten Theilen mit der aͤuſſerſten Aufmerkſam-
keit vollkommen zu machen, folglich jede kleinſte
Schoͤnheit zu erreichen, und die geringſten Fehler
oder Maͤngel auszubeſſern (††). Der Fleiß gehoͤrt
demnach zur Ausfuͤhrung und Ausbildung, wo-
von bereits in beſondern Artikeln geſprochen wor-
den. Weil die groͤßten Schoͤnheiten eines Werks
der Kunſt in großen Gedanken beſtehen, welche die
Vorſtellungs- und Begehrungskraͤfte mit ſtarken
Schlaͤgen angreiffen, ſo kann ein Werk eine ſtarke
Wuͤrkung thun, an welches kein Fleiß iſt gewendet
worden. Ein Werk, deſſen groͤßte Wuͤrkung von

Haupt-
(†) Eine ſehr gruͤndliche und wichtige Beurtheilung die-
ſes Kuͤnſtlers findet man in Koͤremons Natur und Kunſt
in Gemaͤhlden, II Th. S. 346 u. f. f.
(††) Characterem felicis Aeſthetici coronat correctionis
ſtudium
(limæ labor et mora) ſeu habitus protenſa attentione
[Spaltenumbruch] in pulcre inſormatum opus, quantum poſſis, miuores, mi-
nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi
imperfectiones, aliquantula phænomena, citra detrimentum
totius. Baumgarten Aeſthet.
§. 97.
C c c 3
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[389/0401] Fla Fla Fle Untern den Neuern iſt Algarde einer der erſten geweſen, der in dieſer Art groß geworden. Flaͤmandiſche Schule. Unter dieſer Benennung verſteht man insgemein die beruͤhmten Mahler und Bildhauer der ſo genann- ten ſpaniſchen Niederlande. Dieſe Laͤnder, vor- nehmlich aber die beyden Provinzen Braband und Flandern, waren ehedem der Sitz der Aemſig- keit und des Reichthums, und daher auch der Pracht und der, die Pracht unterſtuͤtzenden, Kuͤnſte. Einem Niederlaͤnder Johann van Eyk hat man die Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken; und den Theil der Kunſt, der auf den Gebrauch und die Behandlung der Farben ankoͤmmt, ſo wol im ganz Großen, als im Kleinen, hat dieſe Schule auf das Hoͤchſte gebracht, wenn dieſes das Hoͤchſte iſt, daß man die Natur voͤllig erreiche. Dieſe Schule hat Europa mit Gemaͤhlden angefuͤllet, die man kaum fuͤr Gemaͤhlde haͤlt, ſo ſehr hat jeder Theil das Licht, die Farbe, die Haltung und den Ton eines in dieſem Zuſammenhang wuͤrklich |vor- handenen Koͤrpers. Wenn die venetianiſche Schule dieſe an Pracht und Glanz der Farben, und einem gewiſſen Jdeal des Colorits uͤbertrift, ſo muß ſie ihr doch, in Anſehung der voͤlligen Erreichung der Natur, den erſten Platz laſſen. Auch an Zeichnung fehlet es der Flaͤmandiſchen Schule eben nicht ſo, wie viele vorgeben; obgleich auch die groͤßten Meiſter derſelben ſich ſehr ſelten uͤber die Natur erhoben haben; denn ſie waren nur Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegen- den Natur, und dachten nicht daran, den Charak- ter der Menſchen um einige Grade hoͤher zu ſetzen. Sie kannten weder im Koͤrperlichen, noch im Sitt- lichen, keine Welt, als die, in der ſie lebten. Dieſe aber bildeten ſie in ihren Werken auf eine Weiſe nach, die nicht uͤbertroffen werden kann. Die Kenntnis der Farben ſcheinen ſie aufs Hoͤchſte ge- bracht zu haben, weil ihre Gemaͤhlde faſt unveraͤn- derlich bleiben. Die beruͤhmteſten Maͤnner dieſer Schule im Großen ſind, Caſpar Crayer, Jacob Jordans, vor- nehmlich aber Rubens und van Dyk, und im Klei- nen Adrian Brower und David Teiniers, in der Landſchaft aber, Hermann Swanevelt. Auch hat dieſe Schule Bildhauer gehabt, die von wenigen Neuern uͤbertroffen werden. Franz duͤ Quesnoy, den die Jtaliaͤner Fiamingo genennt haben, weicht keinem neuern Bildhauer, und in ſeinen Kindern hat er gar alle uͤbertroffen. (†) Die beyden groͤßten Maͤnner dieſer Schule, Ru- bens und van Dyk, kann man nicht in ihrer Groͤße kennen leruen, als wenn man ihre großen Werke in den niederlaͤndiſchen Staͤdten, und in der Gallerie zu Duͤſſeldorf geſehen hat. Die von Rubens in den verſchiedenen Gallerien zerſtreueten Werke, zeigen ihn freylich nicht immer als einen großen Mann, und van Dyk lernt man aus den Gallerien nur als den groͤßten Portraitmahler kennen. Die Niederlande haben in Anſehung der Kunſt faſt eben das Schickſal gehabt, das ſie in Anſehung des Reichthums und der Handlung betroffen hat. So wie verſchiedene Staͤdte dieſer Laͤnder ietzt mehr verweßte Leichname von Staͤdten, als Staͤdte ſind, ſo ſind auch die zeichnenden Kuͤnſte daſelbſt nur noch in den Werken der ehemaligen Meiſter vorhanden. Fleiß. (Schoͤne Kuͤnſte.) Die Beſtrebung, ein Werk der Kunſt auch in den kleinſten Theilen mit der aͤuſſerſten Aufmerkſam- keit vollkommen zu machen, folglich jede kleinſte Schoͤnheit zu erreichen, und die geringſten Fehler oder Maͤngel auszubeſſern (††). Der Fleiß gehoͤrt demnach zur Ausfuͤhrung und Ausbildung, wo- von bereits in beſondern Artikeln geſprochen wor- den. Weil die groͤßten Schoͤnheiten eines Werks der Kunſt in großen Gedanken beſtehen, welche die Vorſtellungs- und Begehrungskraͤfte mit ſtarken Schlaͤgen angreiffen, ſo kann ein Werk eine ſtarke Wuͤrkung thun, an welches kein Fleiß iſt gewendet worden. Ein Werk, deſſen groͤßte Wuͤrkung von Haupt- (†) Eine ſehr gruͤndliche und wichtige Beurtheilung die- ſes Kuͤnſtlers findet man in Koͤremons Natur und Kunſt in Gemaͤhlden, II Th. S. 346 u. f. f. (††) Characterem felicis Aeſthetici coronat correctionis ſtudium (limæ labor et mora) ſeu habitus protenſa attentione in pulcre inſormatum opus, quantum poſſis, miuores, mi- nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi imperfectiones, aliquantula phænomena, citra detrimentum totius. Baumgarten Aeſthet. §. 97. C c c 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/401>, abgerufen am 02.05.2024.