Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch]
Fla Untern den Neuern ist Algarde einer der ersten Flämandische Schule. Unter dieser Benennung versteht man insgemein Auch an Zeichnung fehlet es der Flämandischen Fla Fle Die berühmtesten Männer dieser Schule im Die beyden größten Männer dieser Schule, Ru- Die Niederlande haben in Ansehung der Kunst Fleiß. (Schöne Künste.) Die Bestrebung, ein Werk der Kunst auch in den Haupt- (+) Eine sehr gründliche und wichtige Beurtheilung die- ses Künstlers findet man in Köremons Natur und Kunst in Gemählden, II Th. S. 346 u. f. f. (++) Characterem felicis Aesthetici coronat correctionis studium (limae labor et mora) seu habitus protensa attentione [Spaltenumbruch] in pulcre insormatum opus, quantum possis, miuores, mi- nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi imperfectiones, aliquantula phaenomena, citra detrimentum totius. Baumgarten Aesthet. §. 97. C c c 3
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Fla Untern den Neuern iſt Algarde einer der erſten Flaͤmandiſche Schule. Unter dieſer Benennung verſteht man insgemein Auch an Zeichnung fehlet es der Flaͤmandiſchen Fla Fle Die beruͤhmteſten Maͤnner dieſer Schule im Die beyden groͤßten Maͤnner dieſer Schule, Ru- Die Niederlande haben in Anſehung der Kunſt Fleiß. (Schoͤne Kuͤnſte.) Die Beſtrebung, ein Werk der Kunſt auch in den Haupt- (†) Eine ſehr gruͤndliche und wichtige Beurtheilung die- ſes Kuͤnſtlers findet man in Koͤremons Natur und Kunſt in Gemaͤhlden, II Th. S. 346 u. f. f. (††) Characterem felicis Aeſthetici coronat correctionis ſtudium (limæ labor et mora) ſeu habitus protenſa attentione [Spaltenumbruch] in pulcre inſormatum opus, quantum poſſis, miuores, mi- nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi imperfectiones, aliquantula phænomena, citra detrimentum totius. Baumgarten Aeſthet. §. 97. C c c 3
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Wenn die venetianiſche Schule<lb/> dieſe an Pracht und Glanz der Farben, und einem<lb/> gewiſſen Jdeal des Colorits uͤbertrift, ſo muß ſie<lb/> ihr doch, in Anſehung der voͤlligen Erreichung der<lb/> Natur, den erſten Platz laſſen.</p><lb/> <p>Auch an Zeichnung fehlet es der Flaͤmandiſchen<lb/> Schule eben nicht ſo, wie viele vorgeben; obgleich<lb/> auch die groͤßten Meiſter derſelben ſich ſehr ſelten<lb/> uͤber die Natur erhoben haben; denn ſie waren nur<lb/> Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegen-<lb/> den Natur, und dachten nicht daran, den Charak-<lb/> ter der Menſchen um einige Grade hoͤher zu ſetzen.<lb/> Sie kannten weder im Koͤrperlichen, noch im Sitt-<lb/> lichen, keine Welt, als die, in der ſie lebten.<lb/> Dieſe aber bildeten ſie in ihren Werken auf eine<lb/> Weiſe nach, die nicht uͤbertroffen werden kann. 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Fla
Fla Fle
Untern den Neuern iſt Algarde einer der erſten
geweſen, der in dieſer Art groß geworden.
Flaͤmandiſche Schule.
Unter dieſer Benennung verſteht man insgemein
die beruͤhmten Mahler und Bildhauer der ſo genann-
ten ſpaniſchen Niederlande. Dieſe Laͤnder, vor-
nehmlich aber die beyden Provinzen Braband und
Flandern, waren ehedem der Sitz der Aemſig-
keit und des Reichthums, und daher auch der
Pracht und der, die Pracht unterſtuͤtzenden, Kuͤnſte.
Einem Niederlaͤnder Johann van Eyk hat man die
Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken;
und den Theil der Kunſt, der auf den Gebrauch und
die Behandlung der Farben ankoͤmmt, ſo wol im
ganz Großen, als im Kleinen, hat dieſe Schule
auf das Hoͤchſte gebracht, wenn dieſes das Hoͤchſte
iſt, daß man die Natur voͤllig erreiche. Dieſe
Schule hat Europa mit Gemaͤhlden angefuͤllet, die
man kaum fuͤr Gemaͤhlde haͤlt, ſo ſehr hat jeder
Theil das Licht, die Farbe, die Haltung und den
Ton eines in dieſem Zuſammenhang wuͤrklich |vor-
handenen Koͤrpers. Wenn die venetianiſche Schule
dieſe an Pracht und Glanz der Farben, und einem
gewiſſen Jdeal des Colorits uͤbertrift, ſo muß ſie
ihr doch, in Anſehung der voͤlligen Erreichung der
Natur, den erſten Platz laſſen.
Auch an Zeichnung fehlet es der Flaͤmandiſchen
Schule eben nicht ſo, wie viele vorgeben; obgleich
auch die groͤßten Meiſter derſelben ſich ſehr ſelten
uͤber die Natur erhoben haben; denn ſie waren nur
Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegen-
den Natur, und dachten nicht daran, den Charak-
ter der Menſchen um einige Grade hoͤher zu ſetzen.
Sie kannten weder im Koͤrperlichen, noch im Sitt-
lichen, keine Welt, als die, in der ſie lebten.
Dieſe aber bildeten ſie in ihren Werken auf eine
Weiſe nach, die nicht uͤbertroffen werden kann. Die
Kenntnis der Farben ſcheinen ſie aufs Hoͤchſte ge-
bracht zu haben, weil ihre Gemaͤhlde faſt unveraͤn-
derlich bleiben.
Die beruͤhmteſten Maͤnner dieſer Schule im
Großen ſind, Caſpar Crayer, Jacob Jordans, vor-
nehmlich aber Rubens und van Dyk, und im Klei-
nen Adrian Brower und David Teiniers, in der
Landſchaft aber, Hermann Swanevelt. Auch hat
dieſe Schule Bildhauer gehabt, die von wenigen
Neuern uͤbertroffen werden. Franz duͤ Quesnoy,
den die Jtaliaͤner Fiamingo genennt haben, weicht
keinem neuern Bildhauer, und in ſeinen Kindern hat
er gar alle uͤbertroffen.
(†)
Die beyden groͤßten Maͤnner dieſer Schule, Ru-
bens und van Dyk, kann man nicht in ihrer Groͤße
kennen leruen, als wenn man ihre großen Werke
in den niederlaͤndiſchen Staͤdten, und in der Gallerie
zu Duͤſſeldorf geſehen hat. Die von Rubens in den
verſchiedenen Gallerien zerſtreueten Werke, zeigen
ihn freylich nicht immer als einen großen Mann,
und van Dyk lernt man aus den Gallerien nur als
den groͤßten Portraitmahler kennen.
Die Niederlande haben in Anſehung der Kunſt
faſt eben das Schickſal gehabt, das ſie in Anſehung
des Reichthums und der Handlung betroffen hat.
So wie verſchiedene Staͤdte dieſer Laͤnder ietzt mehr
verweßte Leichname von Staͤdten, als Staͤdte ſind,
ſo ſind auch die zeichnenden Kuͤnſte daſelbſt nur noch
in den Werken der ehemaligen Meiſter vorhanden.
Fleiß.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Die Beſtrebung, ein Werk der Kunſt auch in den
kleinſten Theilen mit der aͤuſſerſten Aufmerkſam-
keit vollkommen zu machen, folglich jede kleinſte
Schoͤnheit zu erreichen, und die geringſten Fehler
oder Maͤngel auszubeſſern (††). Der Fleiß gehoͤrt
demnach zur Ausfuͤhrung und Ausbildung, wo-
von bereits in beſondern Artikeln geſprochen wor-
den. Weil die groͤßten Schoͤnheiten eines Werks
der Kunſt in großen Gedanken beſtehen, welche die
Vorſtellungs- und Begehrungskraͤfte mit ſtarken
Schlaͤgen angreiffen, ſo kann ein Werk eine ſtarke
Wuͤrkung thun, an welches kein Fleiß iſt gewendet
worden. Ein Werk, deſſen groͤßte Wuͤrkung von
Haupt-
(†) Eine ſehr gruͤndliche und wichtige Beurtheilung die-
ſes Kuͤnſtlers findet man in Koͤremons Natur und Kunſt
in Gemaͤhlden, II Th. S. 346 u. f. f.
(††) Characterem felicis Aeſthetici coronat correctionis
ſtudium (limæ labor et mora) ſeu habitus protenſa attentione
in pulcre inſormatum opus, quantum poſſis, miuores, mi-
nutorum etiam ejus partium perfectiones augendi, tollendi
imperfectiones, aliquantula phænomena, citra detrimentum
totius. Baumgarten Aeſthet. §. 97.
C c c 3
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