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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Fei
Nebenbegriffe, durch scharfsinnige Bilder, oder durch
andre nur geübten Kennern recht fühlbare Umwege
mehr merken lassen, als geradezu anzeigen. Was
durch fast unmerkliche Anspielungen, durch ganz
leichte flüchtige Zeichen, aber doch sehr richtig und
bestimmt angezeiget wird, gehört hiezu.

Es giebt gemeinen Vorstellungen ein reizendes We-
sen, und eine Neuheit, wodurch sie sehr angenehm
werden, und ist deßwegen da zu brauchen, wo die
Sachen selbst wenig reizendes haben. Personen
von feinem Witz können auch die gemeinsten Sachen
dadurch intressant machen. Daher ist der eigent-
liche Sitz des Feinen in den Werken des Geschmaks
in den Materien und auf den Stellen, wo die Vor-
stellungskraft, wegen des geringen Gewichts der Sa-
chen selbst, sinken könnte; besonders in dramati-
schen Stüken da, wo die Handlung etwas ruhig
fortgeht.

Wo aber die Sachen selbst sehr wichtig, pathe-
tisch, oder sehr ernsthaft sind, da ist das Feine weni-
ger nöthig, und würde auch unnatürlich seyn, weil
eine ernsthafte, oder empfindungsvolle Gemüths-
faßung ihm entgegen ist. Das Große, das Pa-
thetische, das Erhabene, kann selten mit dem Fei-
nen verbunden seyn. Wer dabey fein seyn wollte,
der würde verrathen, daß er das Starke und Große
nicht mit voller Kraft fühlt.

Ueberhaupt gehört das Feine unter die Würze
der Gedanken, wovon man leicht einen schädlichen
Aufwand machen kann. Personen, die für jeden
Gedanken eine feine Wendung und einen feinen Aus-
druk suchen, fallen in das Gezierte, und eine zu
große Begierde sich immer fein auszudrüken, verlei-
tet auch auf das Spitzfündige, welches eigentlich
das falsche Feine ist.

Feinsäulig.
(Baukunst.)
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Dieses Wort braucht Goldman um dasjenige aus-
zudrüken, was die griechischen Baumeister durch
das Eustylon anzeigten, nämlich diejenige Säulen-
(*) S.
Säulen-
weite.
weite, die den Gebäuden das beste Ansehen giebt (*).
Die Alten machten diese Säulenweite von sechs und
einem halben Model, so daß der Raum zwischen
(*) Vi-
tru. L. III.
c.
2.
zwey Säulen 21/4 Säulendike war (*). Die neuen
Baumeister binden sich nicht so genau an die Ver-
hältnisse, welche die Alten angegeben haben.

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Fel
Felder.
(Baukunst.)
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Vertiefungen mit erhabenen Einfaßungen und ver-
schiedenen Verzierungen, die in der Baukunst an
den Deken angebracht werden, um das Glatte zu
unterbrechen. Ungeachtet der großen Einfalt, die
den Charakter der griechischen Bauart ausmacht,
suchten die griechischen Baumeister das Glatte an
den Deken zu vermeiden. So wol die geraden,
als die gewölbten Deken wurden insgemein in
viel Viereke eingetheilt, deren jedes seine Einfas-
sung hatte, innerhalb aber vertieft und mit Zie-
rathen geschmükt war. Jn der Rotonda in Rom,
dem ehemaligen Pantheon, ist das Gewölb der
Cupel in solche vierekigte Felder eingetheilt, und
ehedem war jedes vertiefte Vierek mit einer aus Me-
tall gegossenen (und vermuthlich verguldeten) Rose
ausgeziert. Auch kleinere Deken, wie die Deken
der Säulenlauben, so gar die untere Seite des Un-
terbalkens und das Kinn, oder die untere Fläche
der Kranzleisten an Gebälken, wurden in Felder
eingetheilt, die die Römer Lacus, Lacunas, (d. i.
Löcher) Vertiefungen nennten. Diese Felder ge-
ben den Gebäuden ein sehr reiches Ansehen.

Die neuern Baumeister der vorigen Zeiten haben
so wol gerade, als gewölbte Deken durch Gyps und
Stukarbeit in Felder eingetheilt, welches gegen-
wärtig aus der Mode gekommen, weil man insge-
mein dafür Dekengemählde anbringt. Nur an den
Unterbalken und an den Kranzleisten hat man die
Felder beybehalten.

Gegenwärtig theilet man auch die Wände der Zim-
mer, die entweder vertäfelt, oder mit Marmor be-
kleidet sind, in Felder ein, die aber nicht so vertieft
und größer sind, als die Dekenfelder. Dergleichen
Felder nennen die französischen Baumeister compar-
timens,
und man kann bey Daviler eine große Man-
nigfaltigkeit von Zeichnungen zu solchen Feldern an-
treffen. Die Tapeten haben inzwischen diese Arten
der Wände etwas aus der Mode gebracht.

Feld heißt in der Baukunst überhaupt an einer
Wand oder an einer Deke jede gerade Fläche, die eine
etwas hervorstehende Einfaßung hat. Daher auch
die Fläche der Giebel, die rings herum mit einem
Gesims eingefaßt ist, Giebelfeld genennt wird.

Fen-
Erster Theil. B b b

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Fei
Nebenbegriffe, durch ſcharfſinnige Bilder, oder durch
andre nur geuͤbten Kennern recht fuͤhlbare Umwege
mehr merken laſſen, als geradezu anzeigen. Was
durch faſt unmerkliche Anſpielungen, durch ganz
leichte fluͤchtige Zeichen, aber doch ſehr richtig und
beſtimmt angezeiget wird, gehoͤrt hiezu.

Es giebt gemeinen Vorſtellungen ein reizendes We-
ſen, und eine Neuheit, wodurch ſie ſehr angenehm
werden, und iſt deßwegen da zu brauchen, wo die
Sachen ſelbſt wenig reizendes haben. Perſonen
von feinem Witz koͤnnen auch die gemeinſten Sachen
dadurch intreſſant machen. Daher iſt der eigent-
liche Sitz des Feinen in den Werken des Geſchmaks
in den Materien und auf den Stellen, wo die Vor-
ſtellungskraft, wegen des geringen Gewichts der Sa-
chen ſelbſt, ſinken koͤnnte; beſonders in dramati-
ſchen Stuͤken da, wo die Handlung etwas ruhig
fortgeht.

Wo aber die Sachen ſelbſt ſehr wichtig, pathe-
tiſch, oder ſehr ernſthaft ſind, da iſt das Feine weni-
ger noͤthig, und wuͤrde auch unnatuͤrlich ſeyn, weil
eine ernſthafte, oder empfindungsvolle Gemuͤths-
faßung ihm entgegen iſt. Das Große, das Pa-
thetiſche, das Erhabene, kann ſelten mit dem Fei-
nen verbunden ſeyn. Wer dabey fein ſeyn wollte,
der wuͤrde verrathen, daß er das Starke und Große
nicht mit voller Kraft fuͤhlt.

Ueberhaupt gehoͤrt das Feine unter die Wuͤrze
der Gedanken, wovon man leicht einen ſchaͤdlichen
Aufwand machen kann. Perſonen, die fuͤr jeden
Gedanken eine feine Wendung und einen feinen Aus-
druk ſuchen, fallen in das Gezierte, und eine zu
große Begierde ſich immer fein auszudruͤken, verlei-
tet auch auf das Spitzfuͤndige, welches eigentlich
das falſche Feine iſt.

Feinſaͤulig.
(Baukunſt.)
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Dieſes Wort braucht Goldman um dasjenige aus-
zudruͤken, was die griechiſchen Baumeiſter durch
das Euſtylon anzeigten, naͤmlich diejenige Saͤulen-
(*) S.
Saͤulen-
weite.
weite, die den Gebaͤuden das beſte Anſehen giebt (*).
Die Alten machten dieſe Saͤulenweite von ſechs und
einem halben Model, ſo daß der Raum zwiſchen
(*) Vi-
tru. L. III.
c.
2.
zwey Saͤulen 2¼ Saͤulendike war (*). Die neuen
Baumeiſter binden ſich nicht ſo genau an die Ver-
haͤltniſſe, welche die Alten angegeben haben.

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Fel
Felder.
(Baukunſt.)
[Spaltenumbruch]

Vertiefungen mit erhabenen Einfaßungen und ver-
ſchiedenen Verzierungen, die in der Baukunſt an
den Deken angebracht werden, um das Glatte zu
unterbrechen. Ungeachtet der großen Einfalt, die
den Charakter der griechiſchen Bauart ausmacht,
ſuchten die griechiſchen Baumeiſter das Glatte an
den Deken zu vermeiden. So wol die geraden,
als die gewoͤlbten Deken wurden insgemein in
viel Viereke eingetheilt, deren jedes ſeine Einfaſ-
ſung hatte, innerhalb aber vertieft und mit Zie-
rathen geſchmuͤkt war. Jn der Rotonda in Rom,
dem ehemaligen Pantheon, iſt das Gewoͤlb der
Cupel in ſolche vierekigte Felder eingetheilt, und
ehedem war jedes vertiefte Vierek mit einer aus Me-
tall gegoſſenen (und vermuthlich verguldeten) Roſe
ausgeziert. Auch kleinere Deken, wie die Deken
der Saͤulenlauben, ſo gar die untere Seite des Un-
terbalkens und das Kinn, oder die untere Flaͤche
der Kranzleiſten an Gebaͤlken, wurden in Felder
eingetheilt, die die Roͤmer Lacus, Lacunas, (d. i.
Loͤcher) Vertiefungen nennten. Dieſe Felder ge-
ben den Gebaͤuden ein ſehr reiches Anſehen.

Die neuern Baumeiſter der vorigen Zeiten haben
ſo wol gerade, als gewoͤlbte Deken durch Gyps und
Stukarbeit in Felder eingetheilt, welches gegen-
waͤrtig aus der Mode gekommen, weil man insge-
mein dafuͤr Dekengemaͤhlde anbringt. Nur an den
Unterbalken und an den Kranzleiſten hat man die
Felder beybehalten.

Gegenwaͤrtig theilet man auch die Waͤnde der Zim-
mer, die entweder vertaͤfelt, oder mit Marmor be-
kleidet ſind, in Felder ein, die aber nicht ſo vertieft
und groͤßer ſind, als die Dekenfelder. Dergleichen
Felder nennen die franzoͤſiſchen Baumeiſter compar-
timens,
und man kann bey Daviler eine große Man-
nigfaltigkeit von Zeichnungen zu ſolchen Feldern an-
treffen. Die Tapeten haben inzwiſchen dieſe Arten
der Waͤnde etwas aus der Mode gebracht.

Feld heißt in der Baukunſt uͤberhaupt an einer
Wand oder an einer Deke jede gerade Flaͤche, die eine
etwas hervorſtehende Einfaßung hat. Daher auch
die Flaͤche der Giebel, die rings herum mit einem
Geſims eingefaßt iſt, Giebelfeld genennt wird.

Fen-
Erſter Theil. B b b
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[377/0389] Fei Fel Nebenbegriffe, durch ſcharfſinnige Bilder, oder durch andre nur geuͤbten Kennern recht fuͤhlbare Umwege mehr merken laſſen, als geradezu anzeigen. Was durch faſt unmerkliche Anſpielungen, durch ganz leichte fluͤchtige Zeichen, aber doch ſehr richtig und beſtimmt angezeiget wird, gehoͤrt hiezu. Es giebt gemeinen Vorſtellungen ein reizendes We- ſen, und eine Neuheit, wodurch ſie ſehr angenehm werden, und iſt deßwegen da zu brauchen, wo die Sachen ſelbſt wenig reizendes haben. Perſonen von feinem Witz koͤnnen auch die gemeinſten Sachen dadurch intreſſant machen. Daher iſt der eigent- liche Sitz des Feinen in den Werken des Geſchmaks in den Materien und auf den Stellen, wo die Vor- ſtellungskraft, wegen des geringen Gewichts der Sa- chen ſelbſt, ſinken koͤnnte; beſonders in dramati- ſchen Stuͤken da, wo die Handlung etwas ruhig fortgeht. Wo aber die Sachen ſelbſt ſehr wichtig, pathe- tiſch, oder ſehr ernſthaft ſind, da iſt das Feine weni- ger noͤthig, und wuͤrde auch unnatuͤrlich ſeyn, weil eine ernſthafte, oder empfindungsvolle Gemuͤths- faßung ihm entgegen iſt. Das Große, das Pa- thetiſche, das Erhabene, kann ſelten mit dem Fei- nen verbunden ſeyn. Wer dabey fein ſeyn wollte, der wuͤrde verrathen, daß er das Starke und Große nicht mit voller Kraft fuͤhlt. Ueberhaupt gehoͤrt das Feine unter die Wuͤrze der Gedanken, wovon man leicht einen ſchaͤdlichen Aufwand machen kann. Perſonen, die fuͤr jeden Gedanken eine feine Wendung und einen feinen Aus- druk ſuchen, fallen in das Gezierte, und eine zu große Begierde ſich immer fein auszudruͤken, verlei- tet auch auf das Spitzfuͤndige, welches eigentlich das falſche Feine iſt. Feinſaͤulig. (Baukunſt.) Dieſes Wort braucht Goldman um dasjenige aus- zudruͤken, was die griechiſchen Baumeiſter durch das Euſtylon anzeigten, naͤmlich diejenige Saͤulen- weite, die den Gebaͤuden das beſte Anſehen giebt (*). Die Alten machten dieſe Saͤulenweite von ſechs und einem halben Model, ſo daß der Raum zwiſchen zwey Saͤulen 2¼ Saͤulendike war (*). Die neuen Baumeiſter binden ſich nicht ſo genau an die Ver- haͤltniſſe, welche die Alten angegeben haben. (*) S. Saͤulen- weite. (*) Vi- tru. L. III. c. 2. Felder. (Baukunſt.) Vertiefungen mit erhabenen Einfaßungen und ver- ſchiedenen Verzierungen, die in der Baukunſt an den Deken angebracht werden, um das Glatte zu unterbrechen. Ungeachtet der großen Einfalt, die den Charakter der griechiſchen Bauart ausmacht, ſuchten die griechiſchen Baumeiſter das Glatte an den Deken zu vermeiden. So wol die geraden, als die gewoͤlbten Deken wurden insgemein in viel Viereke eingetheilt, deren jedes ſeine Einfaſ- ſung hatte, innerhalb aber vertieft und mit Zie- rathen geſchmuͤkt war. Jn der Rotonda in Rom, dem ehemaligen Pantheon, iſt das Gewoͤlb der Cupel in ſolche vierekigte Felder eingetheilt, und ehedem war jedes vertiefte Vierek mit einer aus Me- tall gegoſſenen (und vermuthlich verguldeten) Roſe ausgeziert. Auch kleinere Deken, wie die Deken der Saͤulenlauben, ſo gar die untere Seite des Un- terbalkens und das Kinn, oder die untere Flaͤche der Kranzleiſten an Gebaͤlken, wurden in Felder eingetheilt, die die Roͤmer Lacus, Lacunas, (d. i. Loͤcher) Vertiefungen nennten. Dieſe Felder ge- ben den Gebaͤuden ein ſehr reiches Anſehen. Die neuern Baumeiſter der vorigen Zeiten haben ſo wol gerade, als gewoͤlbte Deken durch Gyps und Stukarbeit in Felder eingetheilt, welches gegen- waͤrtig aus der Mode gekommen, weil man insge- mein dafuͤr Dekengemaͤhlde anbringt. Nur an den Unterbalken und an den Kranzleiſten hat man die Felder beybehalten. Gegenwaͤrtig theilet man auch die Waͤnde der Zim- mer, die entweder vertaͤfelt, oder mit Marmor be- kleidet ſind, in Felder ein, die aber nicht ſo vertieft und groͤßer ſind, als die Dekenfelder. Dergleichen Felder nennen die franzoͤſiſchen Baumeiſter compar- timens, und man kann bey Daviler eine große Man- nigfaltigkeit von Zeichnungen zu ſolchen Feldern an- treffen. Die Tapeten haben inzwiſchen dieſe Arten der Waͤnde etwas aus der Mode gebracht. Feld heißt in der Baukunſt uͤberhaupt an einer Wand oder an einer Deke jede gerade Flaͤche, die eine etwas hervorſtehende Einfaßung hat. Daher auch die Flaͤche der Giebel, die rings herum mit einem Geſims eingefaßt iſt, Giebelfeld genennt wird. Fen- Erſter Theil. B b b

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/389>, abgerufen am 22.11.2024.