Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Fan
Setzinstruments zu danken, die hier näher angezeigt
zu werden verdienet.

Denselben Tag, als die Academie die erwähnte
Nachricht erhalten, machte ich sie dem, damals
noch wenig bekannten, zu mechanischen Erfindungen
aber vorzüglich aufgelegten, Mechanikus Holfeld,
ohne ihm das geringste von den an die Academie ge-
schickten Zeichnungen zu sagen, bekannt. Die Zeich-
nungen hat er in der That nicht gesehen, bis seine
Erfindung völlig fertig und ausgeführt gewesen. Jn
ganz kurzer Zeit brachte mir dieser fürtreffliche
Mann seine sinnreich erfundene Maschine. Sie ist
so eingerichtet, daß sie ohne alle Weitläuftigkeit auf
jedes Clavier, von der Art, die man hier zu Lande
Flügel nennt, gesetzt werden kann, und alsdenn je-
des, bis auf die kleineste Manier im Spielen, ge-
nau aufzeichnet. Verschiedene Liebhaber hatten sich
bey dem Erfinder gemeldet, um dieses Jnstrument
zu haben; weil aber keiner Miene machte die Erfin-
dung daran auf eine anständige Art zu beloh-
nen, so blieb sie, so wie ein von demselben Künst-
ler erfundenes Clavier, mit Darm-Sayten und ei-
nem Bogen von Pferdhaaren, bey dem Erfinder
(*) im
Frühjahr
1770.
liegen. Nach seinem Tode (*) käufte die Acade-
mie der Wissenschaften das Jnstrument, und wird
ohne Zweifel eine genaue Abzeichnung davon be-
kannt machen. [Spaltenumbruch] (+)

Was übrigens die Kunst des Fantasirens betrift,
was für Hülfsmittel man habe, dasselbe zu erleich-
tern, und was bey den verschiedenen Arten desselben
zu bedenken sey, darüber wird man in Bachs Ver-
such über die wahre Art das Clavier zu spielen, so
wol im ersten als im zweyten Theile, in eigenen
Capiteln, viel nützliches antreffen.

[Spaltenumbruch]
Far
Farben.
(Mahlerey.)
[Spaltenumbruch]

Jn der Mahlerey müssen die Farben, aus deren Zu-
sammensetzung das Gemählde entsteht, in einem dop-
pelten Gesichtspunkt betrachtet werden; als Mate-
rien, deren körperliches Wesen auf die Würkung und
Dauer des Gemähldes einen beträchlichen Einfluß
hat; und dann als blosses Licht, das durch die Man-
nigfaltigkeit seiner Färbung den Künstler in Stand
sezt, die Farben eines jeden sichtbaren Gegenstandes
nachzuahmen.

Jn dem ersten Gesichtspunkt betrachtet, sind die
Farben zum Gemählde, was die Materialien, Holz,
Stein und Kalk dem Gebäude sind. Die Mahler
schreiben auch ihren Farben mehr oder weniger Kör-
per zu, nachdem sie mehr oder weniger davon neh-
men müssen, um eine gewisse Würkung davon zu
erhalten. Weil man z. B. mit sehr wenig Bley-
weiß mehr ausrichtet, als mit viel Kreide, so sagt
man, jenes habe mehr Körper.

Der Mahler hat also eine gute Kenntnis des Kör-
perlichen der Farben nöthig; eines Theils, damit er
so wol in der Arbeit besser fortkomme, und die
Würkung der Farben leichter erhalte, als auch um
andern Theils seiner Arbeit eine längere Dauer zu
geben. Es giebt Farben, womit man mit einem
Pinselstrich mehr ausrichtet, als mit öfterer Ueber-
arbeitung durch andre Farben; und so giebt es auch
Farben, die in den Gemählden sehr lange beynahe
dieselbe Kraft behalten, die sie von Anfang gehabt
haben, da andre sich gar bald ändern, es sey, daß
sie ausblaßen, oder daß sie dunkler werden. Zwar
kömmt ein Theil dieser verschiedenen Würkungen
von der Behandlung des Mahlers her; viel aber
kömmt auf die körperliche Natur der Farben an.

Der
(+) Aus dieser Erzählung wird sich beurtheilen lassen,
wie viel unrichtiges über dieses Jnstrument und seinen Er-
finder in Herrn Stähelins Nachricht von dem Zustand der
Musik in Rußland gesagt worden. Dieser Aufsatz befin-
det sich in Haigolds Beylagen zum neuveränderten Ruß-
land II Theile.
1. Es ist nicht wahr, daß Holfeld die an die Academie
geschickten Zeichnungen gesehen, ehe er sein Jnstrument
gemacht hat.
2. Es ist nicht wahr, daß der Erfinder die Maschine
selbst aus Verdruß wieder zernichtet habe.
[Spaltenumbruch] 3. Auch nicht, daß er sie durch einen zufälligen Brand,
darin viel von seinen Sachen im Rauch aufgegangen, ver-
lohren habe.
4. Auch ist nicht wahr, daß seine Verdienste unbelohnt
geblieben seyen. Der König hat ihm 1765 eine Gnaden-
pension gegeben, die er bis an sein End genossen hat. Auch
ist er dadurch auf eine schmeichelhafte Weise belohnt wor,
den, daß der König seinen Bogenflügel von ihm gefodert,
ihn dafür belohnt, und das Jnstrument, als eine vorzüg-
lich schätzbare Erfindung, in das Neue Schloß hinter
Sans-Souci hat setzen lassen.
Erster Theil. A a a

[Spaltenumbruch]

Fan
Setzinſtruments zu danken, die hier naͤher angezeigt
zu werden verdienet.

Denſelben Tag, als die Academie die erwaͤhnte
Nachricht erhalten, machte ich ſie dem, damals
noch wenig bekannten, zu mechaniſchen Erfindungen
aber vorzuͤglich aufgelegten, Mechanikus Holfeld,
ohne ihm das geringſte von den an die Academie ge-
ſchickten Zeichnungen zu ſagen, bekannt. Die Zeich-
nungen hat er in der That nicht geſehen, bis ſeine
Erfindung voͤllig fertig und ausgefuͤhrt geweſen. Jn
ganz kurzer Zeit brachte mir dieſer fuͤrtreffliche
Mann ſeine ſinnreich erfundene Maſchine. Sie iſt
ſo eingerichtet, daß ſie ohne alle Weitlaͤuftigkeit auf
jedes Clavier, von der Art, die man hier zu Lande
Fluͤgel nennt, geſetzt werden kann, und alsdenn je-
des, bis auf die kleineſte Manier im Spielen, ge-
nau aufzeichnet. Verſchiedene Liebhaber hatten ſich
bey dem Erfinder gemeldet, um dieſes Jnſtrument
zu haben; weil aber keiner Miene machte die Erfin-
dung daran auf eine anſtaͤndige Art zu beloh-
nen, ſo blieb ſie, ſo wie ein von demſelben Kuͤnſt-
ler erfundenes Clavier, mit Darm-Sayten und ei-
nem Bogen von Pferdhaaren, bey dem Erfinder
(*) im
Fruͤhjahr
1770.
liegen. Nach ſeinem Tode (*) kaͤufte die Acade-
mie der Wiſſenſchaften das Jnſtrument, und wird
ohne Zweifel eine genaue Abzeichnung davon be-
kannt machen. [Spaltenumbruch] (†)

Was uͤbrigens die Kunſt des Fantaſirens betrift,
was fuͤr Huͤlfsmittel man habe, daſſelbe zu erleich-
tern, und was bey den verſchiedenen Arten deſſelben
zu bedenken ſey, daruͤber wird man in Bachs Ver-
ſuch uͤber die wahre Art das Clavier zu ſpielen, ſo
wol im erſten als im zweyten Theile, in eigenen
Capiteln, viel nuͤtzliches antreffen.

[Spaltenumbruch]
Far
Farben.
(Mahlerey.)
[Spaltenumbruch]

Jn der Mahlerey muͤſſen die Farben, aus deren Zu-
ſammenſetzung das Gemaͤhlde entſteht, in einem dop-
pelten Geſichtspunkt betrachtet werden; als Mate-
rien, deren koͤrperliches Weſen auf die Wuͤrkung und
Dauer des Gemaͤhldes einen betraͤchlichen Einfluß
hat; und dann als bloſſes Licht, das durch die Man-
nigfaltigkeit ſeiner Faͤrbung den Kuͤnſtler in Stand
ſezt, die Farben eines jeden ſichtbaren Gegenſtandes
nachzuahmen.

Jn dem erſten Geſichtspunkt betrachtet, ſind die
Farben zum Gemaͤhlde, was die Materialien, Holz,
Stein und Kalk dem Gebaͤude ſind. Die Mahler
ſchreiben auch ihren Farben mehr oder weniger Koͤr-
per zu, nachdem ſie mehr oder weniger davon neh-
men muͤſſen, um eine gewiſſe Wuͤrkung davon zu
erhalten. Weil man z. B. mit ſehr wenig Bley-
weiß mehr ausrichtet, als mit viel Kreide, ſo ſagt
man, jenes habe mehr Koͤrper.

Der Mahler hat alſo eine gute Kenntnis des Koͤr-
perlichen der Farben noͤthig; eines Theils, damit er
ſo wol in der Arbeit beſſer fortkomme, und die
Wuͤrkung der Farben leichter erhalte, als auch um
andern Theils ſeiner Arbeit eine laͤngere Dauer zu
geben. Es giebt Farben, womit man mit einem
Pinſelſtrich mehr ausrichtet, als mit oͤfterer Ueber-
arbeitung durch andre Farben; und ſo giebt es auch
Farben, die in den Gemaͤhlden ſehr lange beynahe
dieſelbe Kraft behalten, die ſie von Anfang gehabt
haben, da andre ſich gar bald aͤndern, es ſey, daß
ſie ausblaßen, oder daß ſie dunkler werden. Zwar
koͤmmt ein Theil dieſer verſchiedenen Wuͤrkungen
von der Behandlung des Mahlers her; viel aber
koͤmmt auf die koͤrperliche Natur der Farben an.

Der
(†) Aus dieſer Erzaͤhlung wird ſich beurtheilen laſſen,
wie viel unrichtiges uͤber dieſes Jnſtrument und ſeinen Er-
finder in Herrn Staͤhelins Nachricht von dem Zuſtand der
Muſik in Rußland geſagt worden. Dieſer Aufſatz befin-
det ſich in Haigolds Beylagen zum neuveraͤnderten Ruß-
land II Theile.
1. Es iſt nicht wahr, daß Holfeld die an die Academie
geſchickten Zeichnungen geſehen, ehe er ſein Jnſtrument
gemacht hat.
2. Es iſt nicht wahr, daß der Erfinder die Maſchine
ſelbſt aus Verdruß wieder zernichtet habe.
[Spaltenumbruch] 3. Auch nicht, daß er ſie durch einen zufaͤlligen Brand,
darin viel von ſeinen Sachen im Rauch aufgegangen, ver-
lohren habe.
4. Auch iſt nicht wahr, daß ſeine Verdienſte unbelohnt
geblieben ſeyen. Der Koͤnig hat ihm 1765 eine Gnaden-
penſion gegeben, die er bis an ſein End genoſſen hat. Auch
iſt er dadurch auf eine ſchmeichelhafte Weiſe belohnt wor,
den, daß der Koͤnig ſeinen Bogenfluͤgel von ihm gefodert,
ihn dafuͤr belohnt, und das Jnſtrument, als eine vorzuͤg-
lich ſchaͤtzbare Erfindung, in das Neue Schloß hinter
Sans-Souci hat ſetzen laſſen.
Erſter Theil. A a a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0381" n="369"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fan</hi></fw><lb/>
Setzin&#x017F;truments zu danken, die hier na&#x0364;her angezeigt<lb/>
zu werden verdienet.</p><lb/>
          <p>Den&#x017F;elben Tag, als die Academie die erwa&#x0364;hnte<lb/>
Nachricht erhalten, machte ich &#x017F;ie dem, damals<lb/>
noch wenig bekannten, zu mechani&#x017F;chen Erfindungen<lb/>
aber vorzu&#x0364;glich aufgelegten, Mechanikus <hi rendition="#fr">Holfeld,</hi><lb/>
ohne ihm das gering&#x017F;te von den an die Academie ge-<lb/>
&#x017F;chickten Zeichnungen zu &#x017F;agen, bekannt. Die Zeich-<lb/>
nungen hat er in der That nicht ge&#x017F;ehen, bis &#x017F;eine<lb/>
Erfindung vo&#x0364;llig fertig und ausgefu&#x0364;hrt gewe&#x017F;en. Jn<lb/>
ganz kurzer Zeit brachte mir die&#x017F;er fu&#x0364;rtreffliche<lb/>
Mann &#x017F;eine &#x017F;innreich erfundene Ma&#x017F;chine. Sie i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o eingerichtet, daß &#x017F;ie ohne alle Weitla&#x0364;uftigkeit auf<lb/>
jedes Clavier, von der Art, die man hier zu Lande<lb/>
Flu&#x0364;gel nennt, ge&#x017F;etzt werden kann, und alsdenn je-<lb/>
des, bis auf die kleine&#x017F;te Manier im Spielen, ge-<lb/>
nau aufzeichnet. Ver&#x017F;chiedene Liebhaber hatten &#x017F;ich<lb/>
bey dem Erfinder gemeldet, um die&#x017F;es Jn&#x017F;trument<lb/>
zu haben; weil aber keiner Miene machte die Erfin-<lb/>
dung daran auf eine an&#x017F;ta&#x0364;ndige Art zu beloh-<lb/>
nen, &#x017F;o blieb &#x017F;ie, &#x017F;o wie ein von dem&#x017F;elben Ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
ler erfundenes Clavier, mit Darm-Sayten und ei-<lb/>
nem Bogen von Pferdhaaren, bey dem Erfinder<lb/><note place="left">(*) im<lb/>
Fru&#x0364;hjahr<lb/>
1770.</note>liegen. Nach &#x017F;einem Tode (*) ka&#x0364;ufte die Acade-<lb/>
mie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften das Jn&#x017F;trument, und wird<lb/>
ohne Zweifel eine genaue Abzeichnung davon be-<lb/>
kannt machen. <cb/>
<note place="foot" n="(&#x2020;)">Aus die&#x017F;er Erza&#x0364;hlung wird &#x017F;ich beurtheilen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie viel unrichtiges u&#x0364;ber die&#x017F;es Jn&#x017F;trument und &#x017F;einen Er-<lb/>
finder in Herrn Sta&#x0364;helins Nachricht von dem Zu&#x017F;tand der<lb/>
Mu&#x017F;ik in Rußland ge&#x017F;agt worden. Die&#x017F;er Auf&#x017F;atz befin-<lb/>
det &#x017F;ich in <hi rendition="#fr">Haigolds</hi> Beylagen zum neuvera&#x0364;nderten Ruß-<lb/>
land <hi rendition="#aq">II</hi> Theile.<lb/>
1. Es i&#x017F;t nicht wahr, daß Holfeld die an die Academie<lb/>
ge&#x017F;chickten Zeichnungen ge&#x017F;ehen, ehe er &#x017F;ein Jn&#x017F;trument<lb/>
gemacht hat.<lb/>
2. Es i&#x017F;t nicht wahr, daß der Erfinder die Ma&#x017F;chine<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aus Verdruß wieder zernichtet habe.<lb/><cb/>
3. Auch nicht, daß er &#x017F;ie durch einen zufa&#x0364;lligen Brand,<lb/>
darin viel von &#x017F;einen Sachen im Rauch aufgegangen, ver-<lb/>
lohren habe.<lb/>
4. Auch i&#x017F;t nicht wahr, daß &#x017F;eine Verdien&#x017F;te unbelohnt<lb/>
geblieben &#x017F;eyen. Der Ko&#x0364;nig hat ihm 1765 eine Gnaden-<lb/>
pen&#x017F;ion gegeben, die er bis an &#x017F;ein End geno&#x017F;&#x017F;en hat. Auch<lb/>
i&#x017F;t er dadurch auf eine &#x017F;chmeichelhafte Wei&#x017F;e belohnt wor,<lb/>
den, daß der Ko&#x0364;nig &#x017F;einen Bogenflu&#x0364;gel von ihm gefodert,<lb/>
ihn dafu&#x0364;r belohnt, und das Jn&#x017F;trument, als eine vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich &#x017F;cha&#x0364;tzbare Erfindung, in das Neue Schloß hinter<lb/>
Sans-Souci hat &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en.</note></p><lb/>
          <p>Was u&#x0364;brigens die Kun&#x017F;t des Fanta&#x017F;irens betrift,<lb/>
was fu&#x0364;r Hu&#x0364;lfsmittel man habe, da&#x017F;&#x017F;elbe zu erleich-<lb/>
tern, und was bey den ver&#x017F;chiedenen Arten de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
zu bedenken &#x017F;ey, daru&#x0364;ber wird man in Bachs Ver-<lb/>
&#x017F;uch u&#x0364;ber die wahre Art das Clavier zu &#x017F;pielen, &#x017F;o<lb/>
wol im er&#x017F;ten als im zweyten Theile, in eigenen<lb/>
Capiteln, viel nu&#x0364;tzliches antreffen.</p><lb/>
          <cb/>
        </div>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Far</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Farben.</hi><lb/>
(Mahlerey.)</head><lb/>
          <cb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>n der Mahlerey mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Farben, aus deren Zu-<lb/>
&#x017F;ammen&#x017F;etzung das Gema&#x0364;hlde ent&#x017F;teht, in einem dop-<lb/>
pelten Ge&#x017F;ichtspunkt betrachtet werden; als Mate-<lb/>
rien, deren ko&#x0364;rperliches We&#x017F;en auf die Wu&#x0364;rkung und<lb/>
Dauer des Gema&#x0364;hldes einen betra&#x0364;chlichen Einfluß<lb/>
hat; und dann als blo&#x017F;&#x017F;es Licht, das durch die Man-<lb/>
nigfaltigkeit &#x017F;einer Fa&#x0364;rbung den Ku&#x0364;n&#x017F;tler in Stand<lb/>
&#x017F;ezt, die Farben eines jeden &#x017F;ichtbaren Gegen&#x017F;tandes<lb/>
nachzuahmen.</p><lb/>
          <p>Jn dem er&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtspunkt betrachtet, &#x017F;ind die<lb/>
Farben zum Gema&#x0364;hlde, was die Materialien, Holz,<lb/>
Stein und Kalk dem Geba&#x0364;ude &#x017F;ind. Die Mahler<lb/>
&#x017F;chreiben auch ihren Farben mehr oder weniger Ko&#x0364;r-<lb/>
per zu, nachdem &#x017F;ie mehr oder weniger davon neh-<lb/>
men mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um eine gewi&#x017F;&#x017F;e Wu&#x0364;rkung davon zu<lb/>
erhalten. Weil man z. B. mit &#x017F;ehr wenig Bley-<lb/>
weiß mehr ausrichtet, als mit viel Kreide, &#x017F;o &#x017F;agt<lb/>
man, jenes habe mehr Ko&#x0364;rper.</p><lb/>
          <p>Der Mahler hat al&#x017F;o eine gute Kenntnis des Ko&#x0364;r-<lb/>
perlichen der Farben no&#x0364;thig; eines Theils, damit er<lb/>
&#x017F;o wol in der Arbeit be&#x017F;&#x017F;er fortkomme, und die<lb/>
Wu&#x0364;rkung der Farben leichter erhalte, als auch um<lb/>
andern Theils &#x017F;einer Arbeit eine la&#x0364;ngere Dauer zu<lb/>
geben. Es giebt Farben, womit man mit einem<lb/>
Pin&#x017F;el&#x017F;trich mehr ausrichtet, als mit o&#x0364;fterer Ueber-<lb/>
arbeitung durch andre Farben; und &#x017F;o giebt es auch<lb/>
Farben, die in den Gema&#x0364;hlden &#x017F;ehr lange beynahe<lb/>
die&#x017F;elbe Kraft behalten, die &#x017F;ie von Anfang gehabt<lb/>
haben, da andre &#x017F;ich gar bald a&#x0364;ndern, es &#x017F;ey, daß<lb/>
&#x017F;ie ausblaßen, oder daß &#x017F;ie dunkler werden. Zwar<lb/>
ko&#x0364;mmt ein Theil die&#x017F;er ver&#x017F;chiedenen Wu&#x0364;rkungen<lb/>
von der Behandlung des Mahlers her; viel aber<lb/>
ko&#x0364;mmt auf die ko&#x0364;rperliche Natur der Farben an.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> A a a</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0381] Fan Far Setzinſtruments zu danken, die hier naͤher angezeigt zu werden verdienet. Denſelben Tag, als die Academie die erwaͤhnte Nachricht erhalten, machte ich ſie dem, damals noch wenig bekannten, zu mechaniſchen Erfindungen aber vorzuͤglich aufgelegten, Mechanikus Holfeld, ohne ihm das geringſte von den an die Academie ge- ſchickten Zeichnungen zu ſagen, bekannt. Die Zeich- nungen hat er in der That nicht geſehen, bis ſeine Erfindung voͤllig fertig und ausgefuͤhrt geweſen. Jn ganz kurzer Zeit brachte mir dieſer fuͤrtreffliche Mann ſeine ſinnreich erfundene Maſchine. Sie iſt ſo eingerichtet, daß ſie ohne alle Weitlaͤuftigkeit auf jedes Clavier, von der Art, die man hier zu Lande Fluͤgel nennt, geſetzt werden kann, und alsdenn je- des, bis auf die kleineſte Manier im Spielen, ge- nau aufzeichnet. Verſchiedene Liebhaber hatten ſich bey dem Erfinder gemeldet, um dieſes Jnſtrument zu haben; weil aber keiner Miene machte die Erfin- dung daran auf eine anſtaͤndige Art zu beloh- nen, ſo blieb ſie, ſo wie ein von demſelben Kuͤnſt- ler erfundenes Clavier, mit Darm-Sayten und ei- nem Bogen von Pferdhaaren, bey dem Erfinder liegen. Nach ſeinem Tode (*) kaͤufte die Acade- mie der Wiſſenſchaften das Jnſtrument, und wird ohne Zweifel eine genaue Abzeichnung davon be- kannt machen. (†) (*) im Fruͤhjahr 1770. Was uͤbrigens die Kunſt des Fantaſirens betrift, was fuͤr Huͤlfsmittel man habe, daſſelbe zu erleich- tern, und was bey den verſchiedenen Arten deſſelben zu bedenken ſey, daruͤber wird man in Bachs Ver- ſuch uͤber die wahre Art das Clavier zu ſpielen, ſo wol im erſten als im zweyten Theile, in eigenen Capiteln, viel nuͤtzliches antreffen. Farben. (Mahlerey.) Jn der Mahlerey muͤſſen die Farben, aus deren Zu- ſammenſetzung das Gemaͤhlde entſteht, in einem dop- pelten Geſichtspunkt betrachtet werden; als Mate- rien, deren koͤrperliches Weſen auf die Wuͤrkung und Dauer des Gemaͤhldes einen betraͤchlichen Einfluß hat; und dann als bloſſes Licht, das durch die Man- nigfaltigkeit ſeiner Faͤrbung den Kuͤnſtler in Stand ſezt, die Farben eines jeden ſichtbaren Gegenſtandes nachzuahmen. Jn dem erſten Geſichtspunkt betrachtet, ſind die Farben zum Gemaͤhlde, was die Materialien, Holz, Stein und Kalk dem Gebaͤude ſind. Die Mahler ſchreiben auch ihren Farben mehr oder weniger Koͤr- per zu, nachdem ſie mehr oder weniger davon neh- men muͤſſen, um eine gewiſſe Wuͤrkung davon zu erhalten. Weil man z. B. mit ſehr wenig Bley- weiß mehr ausrichtet, als mit viel Kreide, ſo ſagt man, jenes habe mehr Koͤrper. Der Mahler hat alſo eine gute Kenntnis des Koͤr- perlichen der Farben noͤthig; eines Theils, damit er ſo wol in der Arbeit beſſer fortkomme, und die Wuͤrkung der Farben leichter erhalte, als auch um andern Theils ſeiner Arbeit eine laͤngere Dauer zu geben. Es giebt Farben, womit man mit einem Pinſelſtrich mehr ausrichtet, als mit oͤfterer Ueber- arbeitung durch andre Farben; und ſo giebt es auch Farben, die in den Gemaͤhlden ſehr lange beynahe dieſelbe Kraft behalten, die ſie von Anfang gehabt haben, da andre ſich gar bald aͤndern, es ſey, daß ſie ausblaßen, oder daß ſie dunkler werden. Zwar koͤmmt ein Theil dieſer verſchiedenen Wuͤrkungen von der Behandlung des Mahlers her; viel aber koͤmmt auf die koͤrperliche Natur der Farben an. Der (†) Aus dieſer Erzaͤhlung wird ſich beurtheilen laſſen, wie viel unrichtiges uͤber dieſes Jnſtrument und ſeinen Er- finder in Herrn Staͤhelins Nachricht von dem Zuſtand der Muſik in Rußland geſagt worden. Dieſer Aufſatz befin- det ſich in Haigolds Beylagen zum neuveraͤnderten Ruß- land II Theile. 1. Es iſt nicht wahr, daß Holfeld die an die Academie geſchickten Zeichnungen geſehen, ehe er ſein Jnſtrument gemacht hat. 2. Es iſt nicht wahr, daß der Erfinder die Maſchine ſelbſt aus Verdruß wieder zernichtet habe. 3. Auch nicht, daß er ſie durch einen zufaͤlligen Brand, darin viel von ſeinen Sachen im Rauch aufgegangen, ver- lohren habe. 4. Auch iſt nicht wahr, daß ſeine Verdienſte unbelohnt geblieben ſeyen. Der Koͤnig hat ihm 1765 eine Gnaden- penſion gegeben, die er bis an ſein End genoſſen hat. Auch iſt er dadurch auf eine ſchmeichelhafte Weiſe belohnt wor, den, daß der Koͤnig ſeinen Bogenfluͤgel von ihm gefodert, ihn dafuͤr belohnt, und das Jnſtrument, als eine vorzuͤg- lich ſchaͤtzbare Erfindung, in das Neue Schloß hinter Sans-Souci hat ſetzen laſſen. Erſter Theil. A a a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/381
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/381>, abgerufen am 07.05.2024.