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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Fal

Wenn man also die kleine Quinte in einem Ac-
cord findet, wo so wol sie als der Baß einen an-
dern Gang nehmen, so ist dieses nicht die falsche
Quinte, sondern die kleine und consonirende Quinte
des verminderten Dreyklanges, wie hier:

[Abbildung]

Die Quinte ist um höher, als die falsche Quinte,
(*) S.
Vermin-
derter

Dreyklang.
und ihr wahres Verhältnis ist 5:7 (*).

Falsches Licht.
(Mahlerey.)

Dieser Ausdruk wird gebraucht, wenn ein Ge-
mählde so gesezt wird, daß das darauf fallende Ta-
geslicht dem zuwider ist, welches der Mahler in dem
Gemählde angenommen hat; wenn das Licht von
der rechten Seite auf das Gemählde fällt, in dem
Gemählde selbst aber, als von der linken Seite ein-
fallend, vorgestellt wird.

Das falsche Licht kann dem Gemählde viel Scha-
den thun, weil es die dunkeln Stellen heller, und
die hellen dunkeler machen, folglich die Haltung nnd
Harmonie vermindern kann. Die beste Stellung
für die Gemählde ist die, nach welcher alle Theile
desselben ein gleich starkes Licht bekommen, weil auf
diese Weise das Helle und Dunkele in dem Verhält-
nis bleibet, das der Mahler ihm gegeben hat. Also
müßte in Bildergallerien entweder das Licht gerade
von vornen auf die Gemählde fallen; oder noch besser,
da dieses in gewissen Stellen blendet, von oben, so
daß es sich an alle Seiten des Zimmers gleich stark
ausbreitet, so wie in dem runden Salon der Gal-
lerie in Sans-Souci.

Falten.
(Zeichnende Künste.)

So zufällig die Kleider selbst und Falten derselben,
besonders für den Menschen sind, so wesentlich sind
die Falten der Gewänder in den Gemählden, zur
Annehmlichkeit, Schönheit und zur Harmonie des
Ganzen. Die Kunst, die Gewänder, womit Per-
sonen, oder Zimmer und Geräthe bekleidet werden,
in gute Falten zu legen, ist würklich ein richtiger,
zugleich aber schweerer Theil der zeichnenden Künste,
fürnehmlich aber der Mahlerey. Diese Kunst hat
ungemein viel schlaue Veranstaltungen nöthig, um
das Auge zu täuschen, und ihm zu schmeicheln, so
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Fal
daß so wol in der Zeichnung der Formen, als in der
Farbengebung, und besonders in dem Theil, der
das Helle und Dunkle, und die Wiederscheine be-
trift, fast nichts für unwichtig zu halten ist. Je-
derman fühlet, daß in einem Gewand die Falten
so widersinnig, so seltsam und verworren seyn kön-
nen, daß das Auge dadurch verwirrt und von wich-
tigen Gegenständen abgezogen wird. Dazu kann denn
noch eine eben so seltsame Verwirrung des Hellen
und Dunkeln und der Farben kommen, indem das
hervorstehende in den Falten hell, das eingebogene
dunkel wird; jeder Theil des Gewandes aber, nach-
dem er mehr oder weniger aus-oder eingebogen ist,
eine andre Farbe bekommet.

Hieraus läßt sich begreifen, wie durch ungeschikte
Falten alle Ruh und Befriedigung des Auges kann
zernichtet, wie dadurch die Haltung und Harmonie
des Gemähldes kann zerstöhrt werden, und wie die-
ser üblen Folgen halber, ein so unbeträchtlich schei-
nender Theil der Kunst ganz wichtig wird. Wir
wollen das Wesentlichste, worauf der Zeichner und
Mahler zu sehen haben, anführen, um die jungen
Künstler, die dieses etwa lesen möchten, zu genauem
Nachdenken über diesen Theil der Kunst zu vermögen.

Jn Ansehung der Form, sind drey Dinge sorg-
fältig zu vermeiden. 1) Falten die verworren durch
einander laufen, und durch ihre Höhen und Tiefen
unangenehme Figuren, mit ganz spitzigen Winkeln
verursachen. Das Aug liebet überall die Rundun-
gen, über deren Umrisse es sanft hinglitschen kann;
hingegen ist ihm das ekigte und besonders das spi-
tzige, wo es den Sachen nicht schlechterdings wesent-
lich ist, höchst unangenehm. Die Falten müssen
sanfte und allmählige Erhöhungen und Vertiefun-
gen machen, wie die Hügel und Thäler in einer
Landschaft, nicht Eken und Hölen, wie ein Haufen
großer über einander geworffener Klumpen von
Felsen. 2) Vermeide der Zeichner unnatürliche Fal-
ten; er hüte sich Vertiefungen zu zeichnen, wo
das Gewand nothwendig hervorstehen muß, und um-
gekehrt. Die Lehrer der Mahler geben überhaupt
dieses Punkts halber die Regel, daß die Falten ge-
nau mit der Stellung des Körpers übereinkommen,
so daß man der Bekleidung ungeachtet, die Lage und
Beugungen der bedekten Gliedmaaßen, mehr mer-
ken, als deutlich sehen könne. Denn so genau ankle-
bend an den Gliedern müssen die Gewänder auch
nicht seyn, wie die naße Leinwand. 3) Auch ist

das
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Fal

Wenn man alſo die kleine Quinte in einem Ac-
cord findet, wo ſo wol ſie als der Baß einen an-
dern Gang nehmen, ſo iſt dieſes nicht die falſche
Quinte, ſondern die kleine und conſonirende Quinte
des verminderten Dreyklanges, wie hier:

[Abbildung]

Die Quinte iſt um hoͤher, als die falſche Quinte,
(*) S.
Vermin-
derter

Dreyklang.
und ihr wahres Verhaͤltnis iſt 5:7 (*).

Falſches Licht.
(Mahlerey.)

Dieſer Ausdruk wird gebraucht, wenn ein Ge-
maͤhlde ſo geſezt wird, daß das darauf fallende Ta-
geslicht dem zuwider iſt, welches der Mahler in dem
Gemaͤhlde angenommen hat; wenn das Licht von
der rechten Seite auf das Gemaͤhlde faͤllt, in dem
Gemaͤhlde ſelbſt aber, als von der linken Seite ein-
fallend, vorgeſtellt wird.

Das falſche Licht kann dem Gemaͤhlde viel Scha-
den thun, weil es die dunkeln Stellen heller, und
die hellen dunkeler machen, folglich die Haltung nnd
Harmonie vermindern kann. Die beſte Stellung
fuͤr die Gemaͤhlde iſt die, nach welcher alle Theile
deſſelben ein gleich ſtarkes Licht bekommen, weil auf
dieſe Weiſe das Helle und Dunkele in dem Verhaͤlt-
nis bleibet, das der Mahler ihm gegeben hat. Alſo
muͤßte in Bildergallerien entweder das Licht gerade
von vornen auf die Gemaͤhlde fallen; oder noch beſſer,
da dieſes in gewiſſen Stellen blendet, von oben, ſo
daß es ſich an alle Seiten des Zimmers gleich ſtark
ausbreitet, ſo wie in dem runden Salon der Gal-
lerie in Sans-Souci.

Falten.
(Zeichnende Kuͤnſte.)

So zufaͤllig die Kleider ſelbſt und Falten derſelben,
beſonders fuͤr den Menſchen ſind, ſo weſentlich ſind
die Falten der Gewaͤnder in den Gemaͤhlden, zur
Annehmlichkeit, Schoͤnheit und zur Harmonie des
Ganzen. Die Kunſt, die Gewaͤnder, womit Per-
ſonen, oder Zimmer und Geraͤthe bekleidet werden,
in gute Falten zu legen, iſt wuͤrklich ein richtiger,
zugleich aber ſchweerer Theil der zeichnenden Kuͤnſte,
fuͤrnehmlich aber der Mahlerey. Dieſe Kunſt hat
ungemein viel ſchlaue Veranſtaltungen noͤthig, um
das Auge zu taͤuſchen, und ihm zu ſchmeicheln, ſo
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Fal
daß ſo wol in der Zeichnung der Formen, als in der
Farbengebung, und beſonders in dem Theil, der
das Helle und Dunkle, und die Wiederſcheine be-
trift, faſt nichts fuͤr unwichtig zu halten iſt. Je-
derman fuͤhlet, daß in einem Gewand die Falten
ſo widerſinnig, ſo ſeltſam und verworren ſeyn koͤn-
nen, daß das Auge dadurch verwirrt und von wich-
tigen Gegenſtaͤnden abgezogen wird. Dazu kann denn
noch eine eben ſo ſeltſame Verwirrung des Hellen
und Dunkeln und der Farben kommen, indem das
hervorſtehende in den Falten hell, das eingebogene
dunkel wird; jeder Theil des Gewandes aber, nach-
dem er mehr oder weniger aus-oder eingebogen iſt,
eine andre Farbe bekommet.

Hieraus laͤßt ſich begreifen, wie durch ungeſchikte
Falten alle Ruh und Befriedigung des Auges kann
zernichtet, wie dadurch die Haltung und Harmonie
des Gemaͤhldes kann zerſtoͤhrt werden, und wie die-
ſer uͤblen Folgen halber, ein ſo unbetraͤchtlich ſchei-
nender Theil der Kunſt ganz wichtig wird. Wir
wollen das Weſentlichſte, worauf der Zeichner und
Mahler zu ſehen haben, anfuͤhren, um die jungen
Kuͤnſtler, die dieſes etwa leſen moͤchten, zu genauem
Nachdenken uͤber dieſen Theil der Kunſt zu vermoͤgen.

Jn Anſehung der Form, ſind drey Dinge ſorg-
faͤltig zu vermeiden. 1) Falten die verworren durch
einander laufen, und durch ihre Hoͤhen und Tiefen
unangenehme Figuren, mit ganz ſpitzigen Winkeln
verurſachen. Das Aug liebet uͤberall die Rundun-
gen, uͤber deren Umriſſe es ſanft hinglitſchen kann;
hingegen iſt ihm das ekigte und beſonders das ſpi-
tzige, wo es den Sachen nicht ſchlechterdings weſent-
lich iſt, hoͤchſt unangenehm. Die Falten muͤſſen
ſanfte und allmaͤhlige Erhoͤhungen und Vertiefun-
gen machen, wie die Huͤgel und Thaͤler in einer
Landſchaft, nicht Eken und Hoͤlen, wie ein Haufen
großer uͤber einander geworffener Klumpen von
Felſen. 2) Vermeide der Zeichner unnatuͤrliche Fal-
ten; er huͤte ſich Vertiefungen zu zeichnen, wo
das Gewand nothwendig hervorſtehen muß, und um-
gekehrt. Die Lehrer der Mahler geben uͤberhaupt
dieſes Punkts halber die Regel, daß die Falten ge-
nau mit der Stellung des Koͤrpers uͤbereinkommen,
ſo daß man der Bekleidung ungeachtet, die Lage und
Beugungen der bedekten Gliedmaaßen, mehr mer-
ken, als deutlich ſehen koͤnne. Denn ſo genau ankle-
bend an den Gliedern muͤſſen die Gewaͤnder auch
nicht ſeyn, wie die naße Leinwand. 3) Auch iſt

das
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[367/0379] Fal Fal Wenn man alſo die kleine Quinte in einem Ac- cord findet, wo ſo wol ſie als der Baß einen an- dern Gang nehmen, ſo iſt dieſes nicht die falſche Quinte, ſondern die kleine und conſonirende Quinte des verminderten Dreyklanges, wie hier: [Abbildung] Die Quinte iſt um [FORMEL] hoͤher, als die falſche Quinte, und ihr wahres Verhaͤltnis iſt 5:7 (*). (*) S. Vermin- derter Dreyklang. Falſches Licht. (Mahlerey.) Dieſer Ausdruk wird gebraucht, wenn ein Ge- maͤhlde ſo geſezt wird, daß das darauf fallende Ta- geslicht dem zuwider iſt, welches der Mahler in dem Gemaͤhlde angenommen hat; wenn das Licht von der rechten Seite auf das Gemaͤhlde faͤllt, in dem Gemaͤhlde ſelbſt aber, als von der linken Seite ein- fallend, vorgeſtellt wird. Das falſche Licht kann dem Gemaͤhlde viel Scha- den thun, weil es die dunkeln Stellen heller, und die hellen dunkeler machen, folglich die Haltung nnd Harmonie vermindern kann. Die beſte Stellung fuͤr die Gemaͤhlde iſt die, nach welcher alle Theile deſſelben ein gleich ſtarkes Licht bekommen, weil auf dieſe Weiſe das Helle und Dunkele in dem Verhaͤlt- nis bleibet, das der Mahler ihm gegeben hat. Alſo muͤßte in Bildergallerien entweder das Licht gerade von vornen auf die Gemaͤhlde fallen; oder noch beſſer, da dieſes in gewiſſen Stellen blendet, von oben, ſo daß es ſich an alle Seiten des Zimmers gleich ſtark ausbreitet, ſo wie in dem runden Salon der Gal- lerie in Sans-Souci. Falten. (Zeichnende Kuͤnſte.) So zufaͤllig die Kleider ſelbſt und Falten derſelben, beſonders fuͤr den Menſchen ſind, ſo weſentlich ſind die Falten der Gewaͤnder in den Gemaͤhlden, zur Annehmlichkeit, Schoͤnheit und zur Harmonie des Ganzen. Die Kunſt, die Gewaͤnder, womit Per- ſonen, oder Zimmer und Geraͤthe bekleidet werden, in gute Falten zu legen, iſt wuͤrklich ein richtiger, zugleich aber ſchweerer Theil der zeichnenden Kuͤnſte, fuͤrnehmlich aber der Mahlerey. Dieſe Kunſt hat ungemein viel ſchlaue Veranſtaltungen noͤthig, um das Auge zu taͤuſchen, und ihm zu ſchmeicheln, ſo daß ſo wol in der Zeichnung der Formen, als in der Farbengebung, und beſonders in dem Theil, der das Helle und Dunkle, und die Wiederſcheine be- trift, faſt nichts fuͤr unwichtig zu halten iſt. Je- derman fuͤhlet, daß in einem Gewand die Falten ſo widerſinnig, ſo ſeltſam und verworren ſeyn koͤn- nen, daß das Auge dadurch verwirrt und von wich- tigen Gegenſtaͤnden abgezogen wird. Dazu kann denn noch eine eben ſo ſeltſame Verwirrung des Hellen und Dunkeln und der Farben kommen, indem das hervorſtehende in den Falten hell, das eingebogene dunkel wird; jeder Theil des Gewandes aber, nach- dem er mehr oder weniger aus-oder eingebogen iſt, eine andre Farbe bekommet. Hieraus laͤßt ſich begreifen, wie durch ungeſchikte Falten alle Ruh und Befriedigung des Auges kann zernichtet, wie dadurch die Haltung und Harmonie des Gemaͤhldes kann zerſtoͤhrt werden, und wie die- ſer uͤblen Folgen halber, ein ſo unbetraͤchtlich ſchei- nender Theil der Kunſt ganz wichtig wird. Wir wollen das Weſentlichſte, worauf der Zeichner und Mahler zu ſehen haben, anfuͤhren, um die jungen Kuͤnſtler, die dieſes etwa leſen moͤchten, zu genauem Nachdenken uͤber dieſen Theil der Kunſt zu vermoͤgen. Jn Anſehung der Form, ſind drey Dinge ſorg- faͤltig zu vermeiden. 1) Falten die verworren durch einander laufen, und durch ihre Hoͤhen und Tiefen unangenehme Figuren, mit ganz ſpitzigen Winkeln verurſachen. Das Aug liebet uͤberall die Rundun- gen, uͤber deren Umriſſe es ſanft hinglitſchen kann; hingegen iſt ihm das ekigte und beſonders das ſpi- tzige, wo es den Sachen nicht ſchlechterdings weſent- lich iſt, hoͤchſt unangenehm. Die Falten muͤſſen ſanfte und allmaͤhlige Erhoͤhungen und Vertiefun- gen machen, wie die Huͤgel und Thaͤler in einer Landſchaft, nicht Eken und Hoͤlen, wie ein Haufen großer uͤber einander geworffener Klumpen von Felſen. 2) Vermeide der Zeichner unnatuͤrliche Fal- ten; er huͤte ſich Vertiefungen zu zeichnen, wo das Gewand nothwendig hervorſtehen muß, und um- gekehrt. Die Lehrer der Mahler geben uͤberhaupt dieſes Punkts halber die Regel, daß die Falten ge- nau mit der Stellung des Koͤrpers uͤbereinkommen, ſo daß man der Bekleidung ungeachtet, die Lage und Beugungen der bedekten Gliedmaaßen, mehr mer- ken, als deutlich ſehen koͤnne. Denn ſo genau ankle- bend an den Gliedern muͤſſen die Gewaͤnder auch nicht ſeyn, wie die naße Leinwand. 3) Auch iſt das

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/379>, abgerufen am 23.11.2024.