Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Aes mich ihnen unterwerfen werde? Davon binich gänzlich entfernt. Du -- kehre eilig dahin zurücke, woher du gekommen bist? Denn von allem, worüber du mich ausfragen willst, wirst du nichts erfahren. Merk. Durch solch hartnäkiges Großthun Prom. Merke dir dieses. Gegen deine Dienst- Merk. Du scheinest dich an deinem Elend zu Prom. Das thue ich -- Möchten sich mei- Merk. Also beschuldigest du auch mich we- Prom. Kurz und gut: Jch hasse alle Göt- Kurz, hierauf preßt der heftige Schmerz dem Merk. Ein solches Wort hört man vom Prom. Die kommende Zeit wird alles lehren. Merk. Ach! du hast noch nicht gelernt klü- Prom. Sonst würde ich ja mit dir Sclave Eben so groß und kühn ist im zweyten Trauer- Aes "ten Männern unleidlich ist? Müßt ihr durch"euer ängstliches Hin- und Herlaufen die "Krieger muthlos machen? -- Wird der "Steuerman sein von Wellen geängstigtes "Schiff retten, wenn er das Steuer verläßt, "und ans Vordertheil (zu den Bildern der Götter) "läuft? Könnet ihr durch Beten machen, daß "unsre Türmer die feindlichen Waffen von "selbst zurück treiben? -- -- Wenn ihr wer- "det Verwundete und Todte sehen, so hütet "euch ihnen entgegen zu heulen. Jm Kriege "gehts nicht anders. Ein Kundschafter berichtet ihm, daß Tydäus Dieses sind meines Erachtens Meisterzüge zu Wir wollen indessen nicht in Abrede seyn, daß aus. C 2
[Spaltenumbruch] Aeſ mich ihnen unterwerfen werde? Davon binich gaͤnzlich entfernt. Du — kehre eilig dahin zuruͤcke, woher du gekommen biſt? Denn von allem, woruͤber du mich ausfragen willſt, wirſt du nichts erfahren. Merk. Durch ſolch hartnaͤkiges Großthun Prom. Merke dir dieſes. Gegen deine Dienſt- Merk. Du ſcheineſt dich an deinem Elend zu Prom. Das thue ich — Moͤchten ſich mei- Merk. Alſo beſchuldigeſt du auch mich we- Prom. Kurz und gut: Jch haſſe alle Goͤt- Kurz, hierauf preßt der heftige Schmerz dem Merk. Ein ſolches Wort hoͤrt man vom Prom. Die kommende Zeit wird alles lehren. Merk. Ach! du haſt noch nicht gelernt kluͤ- Prom. Sonſt wuͤrde ich ja mit dir Sclave Eben ſo groß und kuͤhn iſt im zweyten Trauer- Aeſ „ten Maͤnnern unleidlich iſt? Muͤßt ihr durch„euer aͤngſtliches Hin- und Herlaufen die „Krieger muthlos machen? — Wird der „Steuerman ſein von Wellen geaͤngſtigtes „Schiff retten, wenn er das Steuer verlaͤßt, „und ans Vordertheil (zu den Bildern der Goͤtter) „laͤuft? Koͤnnet ihr durch Beten machen, daß „unſre Tuͤrmer die feindlichen Waffen von „ſelbſt zuruͤck treiben? — — Wenn ihr wer- „det Verwundete und Todte ſehen, ſo huͤtet „euch ihnen entgegen zu heulen. Jm Kriege „gehts nicht anders. Ein Kundſchafter berichtet ihm, daß Tydaͤus Dieſes ſind meines Erachtens Meiſterzuͤge zu Wir wollen indeſſen nicht in Abrede ſeyn, daß aus. C 2
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Aeſ
Aeſ
mich ihnen unterwerfen werde? Davon bin
ich gaͤnzlich entfernt. Du — kehre eilig dahin
zuruͤcke, woher du gekommen biſt? Denn von
allem, woruͤber du mich ausfragen willſt, wirſt
du nichts erfahren.
Merk. Durch ſolch hartnaͤkiges Großthun
haſt du dich eben in dies Elend geſtuͤrzt.
Prom. Merke dir dieſes. Gegen deine Dienſt-
barkeit wollte ich mein Elend niemals ver-
tauſchen. Jch halte es fuͤr beßer dieſem Fel-
ſen zu dienen, als ein Dienſtbote deines Va-
ters Zevs zu ſeyn. — — So muß man ge-
gen Stolze ſtolz ſeyn!
Merk. Du ſcheineſt dich an deinem Elend zu
ergetzen.
Prom. Das thue ich — Moͤchten ſich mei-
ne Feinde eben ſo ergetzen — Dich zaͤhle ich
mit darunter.
Merk. Alſo beſchuldigeſt du auch mich we-
gen deines Falles?
Prom. Kurz und gut: Jch haſſe alle Goͤt-
ter; ſie haben alle gutes von mir genoßen (*)
und vergeltens mir mit Boͤſem.
(*) Jhm
hatten die
Goͤtter
hauptſaͤch-
lich den
Sieg uͤber
die Titanen
zu danken.
Kurz, hierauf preßt der heftige Schmerz dem
Prometheus ein klaͤgliches O wehe mir aus;
darauf ſagt
Merk. Ein ſolches Wort hoͤrt man vom
Jupiter niemal.
Prom. Die kommende Zeit wird alles lehren.
Merk. Ach! du haſt noch nicht gelernt kluͤ-
ger zu ſeyn?
Prom. Sonſt wuͤrde ich ja mit dir Sclave
nicht reden. (*)
(*) Pro-
meth.
vſ. 958-980.
Eben ſo groß und kuͤhn iſt im zweyten Trauer-
ſpiel, die ſieben Helden von Theben betitelt,
der Charakter des Eteokles, wovon folgendes zur
Probe dienen kann. Als man in Theben bereits
das Geraßel der feindlichen Waffen vor den Mauren
der Stadt hoͤrte, eilet ein Trup Frauen zu den Al-
taͤren und Bildern der Goͤtter, um ſie um Rettung
der Stadt anzuflehen. Eteokles, der keine Furcht
kennt, kann auch nicht einmal an dem ſchwaͤchern
Geſchlecht ein aͤngſtliches Betragen ausſtehen. Er
treibt ſie zornig von den Altaͤren weg, und befiehlt
ihnen zu Hauſe ihre Geſchaͤfte zu beſtellen. „Die-
„net das zur Rettung der Stadt, daß ihr vor
„den Bildern der Goͤtter niederfaͤllt, ein Ge-
„heul und Jammern macht, welches beherz-
„ten Maͤnnern unleidlich iſt? Muͤßt ihr durch
„euer aͤngſtliches Hin- und Herlaufen die
„Krieger muthlos machen? — Wird der
„Steuerman ſein von Wellen geaͤngſtigtes
„Schiff retten, wenn er das Steuer verlaͤßt,
„und ans Vordertheil (zu den Bildern der Goͤtter)
„laͤuft? Koͤnnet ihr durch Beten machen, daß
„unſre Tuͤrmer die feindlichen Waffen von
„ſelbſt zuruͤck treiben? — — Wenn ihr wer-
„det Verwundete und Todte ſehen, ſo huͤtet
„euch ihnen entgegen zu heulen. Jm Kriege
„gehts nicht anders.
Ein Kundſchafter berichtet ihm, daß Tydaͤus
im Begrif iſt, auf eines der Tohre zu ſtuͤrmen. Er be-
ſchreibt zaghaft ſein fuͤrchterliches Anſehen und ſeine
ſchrekliche Waffen. Eteokles antwortet ganz kalt-
ſinnig: „Fuͤr der Ruͤſtung fuͤrchte ich mich
„nicht, die Wapen der Schilder werden uns
„nicht verwunden, und die Federbuͤſche ſtechen
„uns nicht.‟ Als man ihm ſagt, ſein Bruder
Polynices ſtehe zum Angriff des ſiebenden Tohrs
fertig, und der Chor ihm abrahten will, ſich gegen
ihn zu ſtellen, aus Furcht, der Fluch ihres Vaters
(nach welchem beyde Bruͤder einander umbringen
ſollten) wuͤrde da in Erfuͤllung kommen, antwortet er
voll Wuth: „Weil denn eine Gottheit dieſe
„Sache ernſtlich treibet, ſo moͤge das dem Phoͤ-
„bus ſo verhaßte Geſchlecht des Lajus mit
„ſchnellem Winde auf den Wellen des Cocytus
„zur Hoͤlle fahren, und eilt den Fluch erfuͤllt
zu ſehen.
Dieſes ſind meines Erachtens Meiſterzuͤge zu
Schilderung großer Charaktere. Ariſtophanes
ſucht ihn zwar wegen einer uͤbertriebenen Stren-
gigkeit in den Charaktern laͤcherlich zu machen; aber
was war groß genug, um dieſem Spoͤtter vereh-
rungswuͤrdig zu ſeyn? Die Scholiaſten merken an,
daß die Rede der Caſſandra in dem Agamemnon
von den Alten fuͤr das vorzuͤglichſte Stuͤk in ſeinen
Trauerſpielen gehalten worden.
Wir wollen indeſſen nicht in Abrede ſeyn, daß
unſer Dichter nicht bisweilen die Sachen uͤbertrieben
habe. Jn ſeiner Niobe, einem verlohrnen Stuͤke,
ließ er dieſe ungluͤkliche Mutter bis an den dritten
Tag mit verhuͤlltem Geſichte und ohne ein Wort
zu reden, auf dem Grabmal ihrer Kinder ſitzen.
Jn den Eumeniden druͤkt er die Wuth der Fu-
rien durch die ekelhafteſten und fuͤrchterlichſten Toͤne
aus.
C 2
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