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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Dre
werde. Hätte man sie noch in das System aufge-
nommen, so würde zwischen A und B noch eine
Sayte hineingekommen seyn, die wir mit bB be-
zeichnen wollen; sie würde gegen G eine verminderte
Terz ausgemacht haben, wie in dem Noten-System,
(*) S. 224.das im Artikel Consonanz (*) steht, zu sehen ist.
Alsdenn wäre der Accord E, G, bB, der verminderte
Dreyklang. Diesem Dreyklang kommt in unsrer
diatonischen Tonleiter jeder Dreyklang auf der Septi-
me der harten Tonarten und auf der Secunde der
weichen, sehr nahe. Daher der Accord H, d, f,
würklich für den verminderten Dreyklang zu halten
ist, weil die Terz d-f, , von der verminderten
Terz nur um unterschieden ist. Da aber
von diesem Dreyklang in einem besondern Artikel
(*) Ver-
minderter
Dreyklang.
gesprochen wird (*), so sind hier nur die beyden er-
stern in Betrachtung zu ziehen.

Einige Tonlehrer halten alle Accorde, deren Jn-
tervalle die Namen der Terzen und Quinten tragen,
für harmonische Dreyklänge: nach ihrer Meinung
wäre also auch der Accord C-E-Gis ein Dreyklang.
Da aber die übermäßige Quinte C-Gis offenbar
dissonirt, so kann man dergleichen Accorde keines-
weges zu den Dreyklängen rechnen. Denn wenn
es auf die Namen oder auf das Linien-System an-
käme, so müßte man auch folgende und noch andre
dergleichen Accorde

[Abbildung]

für Dreyklänge halten.

Es geht auch nicht an, die kleine Quinte, ob
sie gleich in dem verminderten Dreyklang mit
der kleinen Terz consonirend ist, mit der großen
Terz in einen Dreyklang zu verbinden.

[Abbildung]

Die eine oder andre dieser über einander liegenden
Terzen ist immer aus einer andern Tonleiter, als
die, aus welcher man spielt. So gehört in dem
angeführten Accord der Ton Dis zu E dur, in wel-
cher Tonart der Ton F nicht statt hat. Dieses fühlen
alle geübte Spieler, die deßwegen, so ofte die große
Terz zufällig über der Baßnote steht, allemal die reine
Quinte dazu nehmen, wenn sie gleich durch kein Zei-
chen dazu eingeladen werden. Wo dieser Gang
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Dre
vorkommt [Abbildung]
da nimmt
jeder geübte Spieler die rechte Quinte, als wenn
der Baß also bezeichnet wäre.

[Abbildung]

Also giebt es außer den drey angezeigten Arten des
Dreyklanges keine andre, die man für consonirend
halten könnte.

Es ist schon an einem andern Ort (*) angemerkt(*) S.
Accord,
S. 12.

worden, daß unter allen dreystimmigen Accorden
der Dreyklang die vollkommenste Harmonie habe.
Daraus folget, daß in der großen Tonart die größte
Befriedigung des Gehöres im großen Dreyklang,
in der weichen Tonart aber im weichen Dreyklang
zu finden sey. Hieraus läßt sich der Gebrauch des
Dreyklanges bestimmen.

Er schiket sich 1) beym Anfang eines jeden
Tonstüks, und zwar auf der Tonica desselben;
denn dadurch wird das Gehör sogleich von dem
Hauptton und der Tonart des Stüks eingenommen,
weil man nicht nur die drey wesentlichsten Töne des-
selben würklich höret, sondern auch undeutlich von
jedem Ton die Quinte vernimmt, wodurch schon
fünf Töne der ganzen Tonleiter dem Gehör einge-
prägt werden. 2) Beym Ende des Stüks; weil
auf dieser Harmonie die größte Ruhe ist, folglich
das Gehör beym Eintritt des Dreyklanges so be-
friediget wird, daß es weiter nichts zu vernehmen
verlangt. 3) Beym Anfang einer neuen Periode,
wenn man in einen Nebenton ausgewichen ist; da-
mit die Tonleiter dieses Tones dem Gehör einge-
prägt werde, und 4) beym Schluß eines Hauptab-
schnitts; weil durch die Ruhe, die das Ohr im Drey-
klang empfindet, das End eines solchen Abschnitts
dadurch fühlbar wird.

Der Dreyklang hat nicht nothwendig alle seine
drey Consonanzen bey sich; die Terz allein ist ihm
unentbehrlich, weil sie die Tonart bestimmt, von
den beyden andern Jntervallen kann eines wegge-
lassen, und dafür ein anders verdoppelt werden.
Dieses wird so gar bisweilen zu Vermeidung der
auf einander folgenden verbotenen Quinten und
Octaven nothwendig. Demnach erscheinet der Drey-
klang bisweilen ohne Quinte mit zwey Terzen d, (*)(*) S. die
Tabelle.

oder

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Dre
werde. Haͤtte man ſie noch in das Syſtem aufge-
nommen, ſo wuͤrde zwiſchen A und B noch eine
Sayte hineingekommen ſeyn, die wir mit bB be-
zeichnen wollen; ſie wuͤrde gegen G eine verminderte
Terz ausgemacht haben, wie in dem Noten-Syſtem,
(*) S. 224.das im Artikel Conſonanz (*) ſteht, zu ſehen iſt.
Alsdenn waͤre der Accord E, G, bB, der verminderte
Dreyklang. Dieſem Dreyklang kommt in unſrer
diatoniſchen Tonleiter jeder Dreyklang auf der Septi-
me der harten Tonarten und auf der Secunde der
weichen, ſehr nahe. Daher der Accord H, d, f,
wuͤrklich fuͤr den verminderten Dreyklang zu halten
iſt, weil die Terz d-f, , von der verminderten
Terz nur um unterſchieden iſt. Da aber
von dieſem Dreyklang in einem beſondern Artikel
(*) Ver-
minderter
Dreyklang.
geſprochen wird (*), ſo ſind hier nur die beyden er-
ſtern in Betrachtung zu ziehen.

Einige Tonlehrer halten alle Accorde, deren Jn-
tervalle die Namen der Terzen und Quinten tragen,
fuͤr harmoniſche Dreyklaͤnge: nach ihrer Meinung
waͤre alſo auch der Accord C-E-Gis ein Dreyklang.
Da aber die uͤbermaͤßige Quinte C-Gis offenbar
diſſonirt, ſo kann man dergleichen Accorde keines-
weges zu den Dreyklaͤngen rechnen. Denn wenn
es auf die Namen oder auf das Linien-Syſtem an-
kaͤme, ſo muͤßte man auch folgende und noch andre
dergleichen Accorde

[Abbildung]

fuͤr Dreyklaͤnge halten.

Es geht auch nicht an, die kleine Quinte, ob
ſie gleich in dem verminderten Dreyklang mit
der kleinen Terz conſonirend iſt, mit der großen
Terz in einen Dreyklang zu verbinden.

[Abbildung]

Die eine oder andre dieſer uͤber einander liegenden
Terzen iſt immer aus einer andern Tonleiter, als
die, aus welcher man ſpielt. So gehoͤrt in dem
angefuͤhrten Accord der Ton Dis zu E dur, in wel-
cher Tonart der Ton F nicht ſtatt hat. Dieſes fuͤhlen
alle geuͤbte Spieler, die deßwegen, ſo ofte die große
Terz zufaͤllig uͤber der Baßnote ſteht, allemal die reine
Quinte dazu nehmen, wenn ſie gleich durch kein Zei-
chen dazu eingeladen werden. Wo dieſer Gang
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Dre
vorkommt [Abbildung]
da nimmt
jeder geuͤbte Spieler die rechte Quinte, als wenn
der Baß alſo bezeichnet waͤre.

[Abbildung]

Alſo giebt es außer den drey angezeigten Arten des
Dreyklanges keine andre, die man fuͤr conſonirend
halten koͤnnte.

Es iſt ſchon an einem andern Ort (*) angemerkt(*) S.
Accord,
S. 12.

worden, daß unter allen dreyſtimmigen Accorden
der Dreyklang die vollkommenſte Harmonie habe.
Daraus folget, daß in der großen Tonart die groͤßte
Befriedigung des Gehoͤres im großen Dreyklang,
in der weichen Tonart aber im weichen Dreyklang
zu finden ſey. Hieraus laͤßt ſich der Gebrauch des
Dreyklanges beſtimmen.

Er ſchiket ſich 1) beym Anfang eines jeden
Tonſtuͤks, und zwar auf der Tonica deſſelben;
denn dadurch wird das Gehoͤr ſogleich von dem
Hauptton und der Tonart des Stuͤks eingenommen,
weil man nicht nur die drey weſentlichſten Toͤne deſ-
ſelben wuͤrklich hoͤret, ſondern auch undeutlich von
jedem Ton die Quinte vernimmt, wodurch ſchon
fuͤnf Toͤne der ganzen Tonleiter dem Gehoͤr einge-
praͤgt werden. 2) Beym Ende des Stuͤks; weil
auf dieſer Harmonie die groͤßte Ruhe iſt, folglich
das Gehoͤr beym Eintritt des Dreyklanges ſo be-
friediget wird, daß es weiter nichts zu vernehmen
verlangt. 3) Beym Anfang einer neuen Periode,
wenn man in einen Nebenton ausgewichen iſt; da-
mit die Tonleiter dieſes Tones dem Gehoͤr einge-
praͤgt werde, und 4) beym Schluß eines Hauptab-
ſchnitts; weil durch die Ruhe, die das Ohr im Drey-
klang empfindet, das End eines ſolchen Abſchnitts
dadurch fuͤhlbar wird.

Der Dreyklang hat nicht nothwendig alle ſeine
drey Conſonanzen bey ſich; die Terz allein iſt ihm
unentbehrlich, weil ſie die Tonart beſtimmt, von
den beyden andern Jntervallen kann eines wegge-
laſſen, und dafuͤr ein anders verdoppelt werden.
Dieſes wird ſo gar bisweilen zu Vermeidung der
auf einander folgenden verbotenen Quinten und
Octaven nothwendig. Demnach erſcheinet der Drey-
klang bisweilen ohne Quinte mit zwey Terzen d, (*)(*) S. die
Tabelle.

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[279/0291] Dre Dre werde. Haͤtte man ſie noch in das Syſtem aufge- nommen, ſo wuͤrde zwiſchen A und B noch eine Sayte hineingekommen ſeyn, die wir mit bB be- zeichnen wollen; ſie wuͤrde gegen G eine verminderte Terz ausgemacht haben, wie in dem Noten-Syſtem, das im Artikel Conſonanz (*) ſteht, zu ſehen iſt. Alsdenn waͤre der Accord E, G, bB, der verminderte Dreyklang. Dieſem Dreyklang kommt in unſrer diatoniſchen Tonleiter jeder Dreyklang auf der Septi- me der harten Tonarten und auf der Secunde der weichen, ſehr nahe. Daher der Accord H, d, f, wuͤrklich fuͤr den verminderten Dreyklang zu halten iſt, weil die Terz d-f, [FORMEL], von der verminderten Terz [FORMEL] nur um [FORMEL] unterſchieden iſt. Da aber von dieſem Dreyklang in einem beſondern Artikel geſprochen wird (*), ſo ſind hier nur die beyden er- ſtern in Betrachtung zu ziehen. (*) S. 224. (*) Ver- minderter Dreyklang. Einige Tonlehrer halten alle Accorde, deren Jn- tervalle die Namen der Terzen und Quinten tragen, fuͤr harmoniſche Dreyklaͤnge: nach ihrer Meinung waͤre alſo auch der Accord C-E-Gis ein Dreyklang. Da aber die uͤbermaͤßige Quinte C-Gis offenbar diſſonirt, ſo kann man dergleichen Accorde keines- weges zu den Dreyklaͤngen rechnen. Denn wenn es auf die Namen oder auf das Linien-Syſtem an- kaͤme, ſo muͤßte man auch folgende und noch andre dergleichen Accorde [Abbildung] fuͤr Dreyklaͤnge halten. Es geht auch nicht an, die kleine Quinte, ob ſie gleich in dem verminderten Dreyklang mit der kleinen Terz conſonirend iſt, mit der großen Terz in einen Dreyklang zu verbinden. [Abbildung] Die eine oder andre dieſer uͤber einander liegenden Terzen iſt immer aus einer andern Tonleiter, als die, aus welcher man ſpielt. So gehoͤrt in dem angefuͤhrten Accord der Ton Dis zu E dur, in wel- cher Tonart der Ton F nicht ſtatt hat. Dieſes fuͤhlen alle geuͤbte Spieler, die deßwegen, ſo ofte die große Terz zufaͤllig uͤber der Baßnote ſteht, allemal die reine Quinte dazu nehmen, wenn ſie gleich durch kein Zei- chen dazu eingeladen werden. Wo dieſer Gang vorkommt [Abbildung] da nimmt jeder geuͤbte Spieler die rechte Quinte, als wenn der Baß alſo bezeichnet waͤre. [Abbildung] Alſo giebt es außer den drey angezeigten Arten des Dreyklanges keine andre, die man fuͤr conſonirend halten koͤnnte. Es iſt ſchon an einem andern Ort (*) angemerkt worden, daß unter allen dreyſtimmigen Accorden der Dreyklang die vollkommenſte Harmonie habe. Daraus folget, daß in der großen Tonart die groͤßte Befriedigung des Gehoͤres im großen Dreyklang, in der weichen Tonart aber im weichen Dreyklang zu finden ſey. Hieraus laͤßt ſich der Gebrauch des Dreyklanges beſtimmen. (*) S. Accord, S. 12. Er ſchiket ſich 1) beym Anfang eines jeden Tonſtuͤks, und zwar auf der Tonica deſſelben; denn dadurch wird das Gehoͤr ſogleich von dem Hauptton und der Tonart des Stuͤks eingenommen, weil man nicht nur die drey weſentlichſten Toͤne deſ- ſelben wuͤrklich hoͤret, ſondern auch undeutlich von jedem Ton die Quinte vernimmt, wodurch ſchon fuͤnf Toͤne der ganzen Tonleiter dem Gehoͤr einge- praͤgt werden. 2) Beym Ende des Stuͤks; weil auf dieſer Harmonie die groͤßte Ruhe iſt, folglich das Gehoͤr beym Eintritt des Dreyklanges ſo be- friediget wird, daß es weiter nichts zu vernehmen verlangt. 3) Beym Anfang einer neuen Periode, wenn man in einen Nebenton ausgewichen iſt; da- mit die Tonleiter dieſes Tones dem Gehoͤr einge- praͤgt werde, und 4) beym Schluß eines Hauptab- ſchnitts; weil durch die Ruhe, die das Ohr im Drey- klang empfindet, das End eines ſolchen Abſchnitts dadurch fuͤhlbar wird. Der Dreyklang hat nicht nothwendig alle ſeine drey Conſonanzen bey ſich; die Terz allein iſt ihm unentbehrlich, weil ſie die Tonart beſtimmt, von den beyden andern Jntervallen kann eines wegge- laſſen, und dafuͤr ein anders verdoppelt werden. Dieſes wird ſo gar bisweilen zu Vermeidung der auf einander folgenden verbotenen Quinten und Octaven nothwendig. Demnach erſcheinet der Drey- klang bisweilen ohne Quinte mit zwey Terzen d, (*) oder (*) S. die Tabelle.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/291>, abgerufen am 23.11.2024.