Diesen reizenden, in Terzen fortgehenden Gesang, findet man etwas besser hin in dem Contrapunkt der Octave, also:
[Abbildung]
Hier hat nun die zweyte Stimme den Haupt- gesang genommen, und die erste Stimme sollte nun- mehr diese Hauptstimme eine Terz tiefer haben, und also die Töne so nehmen, wie sie hier im ersten Takt mit Punkten bezeichnet sind. Dadurch aber würde der höhere Discantist oder Sopranist mit seiner Stimme unter den tiefern gekommen seyn, und wol gar nicht mehr haben singen können. Damit er also auf einer Höhe bliebe, die seiner Stimme an- gemessen ist, mußte die Stimme, deren Anfang hier mit Punkten angezeiget ist, um eine Octave höher genommen, das ist, sie müßte in den Con- trapunkt der Octave versetzt werden.
Wer sich die Mühe geben will, die Ouvertüren eines Händels, die Duette und Chöre eines Grauns anzusehen, der wird finden, daß die Künste des Contrapunkts überall darin angebracht sind. Durch die mannigfaltige Harmonie, die bey einerley Tönen vermittelst der contrapunktischen Versetzungen erhal- ten wird, bekommen die Arbeiten solcher Meister, eine immer abwechselnde Schönheit, die niemand, der in diesen Künsten unerfahren ist, erreichen kann.
Dieser doppelte Contrapunkt erfodert, ausser der genauen Kenntniß der harmonischen Regeln, eine grosse Fertigkeit in der Ausübung derselben. Man muß schon, indem eine Hauptstimme gesetzt wird, auf einen Blik jede Veränderung übersehen können, [Spaltenumbruch]
Con Cop
die durch die Umkehrung jeden einzeln Ton, sowol für sich, als in der Verbindung mit andern betref- fen wird.
Es ist bereits erinnert worden, welche Contra- punkte die brauchbarsten seyen. Die andern Arten sind deswegen nicht ganz unnütze; denn sie können bisweilen den, der sie recht versteht, aus harmo- nischen Verlegenheiten ziehen. Aber sie blos darum zu setzen, weil sie schweer sind, und z. B. eine lange Stelle in dem Contrapunkt der Undecime zu brin- gen, und noch ausserdem Nachahmungen in gera- der, verkehrter und rückgängiger Bewegung zu ma- chen, sind Dinge, die man den musikalischen Pe- danten überlassen muß.
Wer sich von der besondern Beschaffenheit aller Arten Contrapunkte unterrichten will, der kann eine ziemlich vollständige Anweisung in Marpurgs Ab- handlung von der Fuge, finden.
Copey. (Zeichnende Künste.)
Ein Werk das in allen seinen Theilen nach einem andern Werk der zeichnenden Künste verfertiget worden. Das ursprüngliche Werk, nach welchem die Copey gemacht wird, heißt das Original. Der Künstler, welcher ein Original verfertiget, arbei- tet nach einem Bild, das seine Phantasie entwor- fen hat, oder das er in der Natur vor sich siehet. Bey der Darstellung und Bearbeitung desselben muß er beständig nachdenken, wie er seinem Werk das Leben und den Geist geben könne, den das Urbild in seiner Phantasie oder in der Natur hat. Seine Arbeit ist eine beständige Erfindung, insonderheit, wenn das Werk ein Gemähld, oder ein nach dem Gemählde verfertigter Kupferstich ist. Denn da in diesen Werken nicht die Sache selbst, die man vor sich hat, wie in der Bildhauerkunst, sondern etwas ganz anders, nämlich ein blosser Schein desselben darzustellen ist, so gehört zu jedem Strich des Pin- sels oder des Grabstichels Erfindung. Der Mah- ler sieht Farben vor sich, und muß andre Farben erfinden, die ihnen ähnlich sind; er bemerkt ein all- gemeines Licht, welches auf einmal den Gegenstand in der Natur so erleuchtet, daß einige Theile hell, andre dunkel sind, in seinem Werk muß er auf eine jede Stelle das Helle und Dunkle besonders den Farben einverleiben; er sieht alles erhoben und körperlich, und er muß im Flachen das Körperliche
dar-
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Con
Dieſen reizenden, in Terzen fortgehenden Geſang, findet man etwas beſſer hin in dem Contrapunkt der Octave, alſo:
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Hier hat nun die zweyte Stimme den Haupt- geſang genommen, und die erſte Stimme ſollte nun- mehr dieſe Hauptſtimme eine Terz tiefer haben, und alſo die Toͤne ſo nehmen, wie ſie hier im erſten Takt mit Punkten bezeichnet ſind. Dadurch aber wuͤrde der hoͤhere Discantiſt oder Sopraniſt mit ſeiner Stimme unter den tiefern gekommen ſeyn, und wol gar nicht mehr haben ſingen koͤnnen. Damit er alſo auf einer Hoͤhe bliebe, die ſeiner Stimme an- gemeſſen iſt, mußte die Stimme, deren Anfang hier mit Punkten angezeiget iſt, um eine Octave hoͤher genommen, das iſt, ſie muͤßte in den Con- trapunkt der Octave verſetzt werden.
Wer ſich die Muͤhe geben will, die Ouvertuͤren eines Haͤndels, die Duette und Choͤre eines Grauns anzuſehen, der wird finden, daß die Kuͤnſte des Contrapunkts uͤberall darin angebracht ſind. Durch die mannigfaltige Harmonie, die bey einerley Toͤnen vermittelſt der contrapunktiſchen Verſetzungen erhal- ten wird, bekommen die Arbeiten ſolcher Meiſter, eine immer abwechſelnde Schoͤnheit, die niemand, der in dieſen Kuͤnſten unerfahren iſt, erreichen kann.
Dieſer doppelte Contrapunkt erfodert, auſſer der genauen Kenntniß der harmoniſchen Regeln, eine groſſe Fertigkeit in der Ausuͤbung derſelben. Man muß ſchon, indem eine Hauptſtimme geſetzt wird, auf einen Blik jede Veraͤnderung uͤberſehen koͤnnen, [Spaltenumbruch]
Con Cop
die durch die Umkehrung jeden einzeln Ton, ſowol fuͤr ſich, als in der Verbindung mit andern betref- fen wird.
Es iſt bereits erinnert worden, welche Contra- punkte die brauchbarſten ſeyen. Die andern Arten ſind deswegen nicht ganz unnuͤtze; denn ſie koͤnnen bisweilen den, der ſie recht verſteht, aus harmo- niſchen Verlegenheiten ziehen. Aber ſie blos darum zu ſetzen, weil ſie ſchweer ſind, und z. B. eine lange Stelle in dem Contrapunkt der Undecime zu brin- gen, und noch auſſerdem Nachahmungen in gera- der, verkehrter und ruͤckgaͤngiger Bewegung zu ma- chen, ſind Dinge, die man den muſikaliſchen Pe- danten uͤberlaſſen muß.
Wer ſich von der beſondern Beſchaffenheit aller Arten Contrapunkte unterrichten will, der kann eine ziemlich vollſtaͤndige Anweiſung in Marpurgs Ab- handlung von der Fuge, finden.
Copey. (Zeichnende Kuͤnſte.)
Ein Werk das in allen ſeinen Theilen nach einem andern Werk der zeichnenden Kuͤnſte verfertiget worden. Das urſpruͤngliche Werk, nach welchem die Copey gemacht wird, heißt das Original. Der Kuͤnſtler, welcher ein Original verfertiget, arbei- tet nach einem Bild, das ſeine Phantaſie entwor- fen hat, oder das er in der Natur vor ſich ſiehet. Bey der Darſtellung und Bearbeitung deſſelben muß er beſtaͤndig nachdenken, wie er ſeinem Werk das Leben und den Geiſt geben koͤnne, den das Urbild in ſeiner Phantaſie oder in der Natur hat. Seine Arbeit iſt eine beſtaͤndige Erfindung, inſonderheit, wenn das Werk ein Gemaͤhld, oder ein nach dem Gemaͤhlde verfertigter Kupferſtich iſt. Denn da in dieſen Werken nicht die Sache ſelbſt, die man vor ſich hat, wie in der Bildhauerkunſt, ſondern etwas ganz anders, naͤmlich ein bloſſer Schein deſſelben darzuſtellen iſt, ſo gehoͤrt zu jedem Strich des Pin- ſels oder des Grabſtichels Erfindung. Der Mah- ler ſieht Farben vor ſich, und muß andre Farben erfinden, die ihnen aͤhnlich ſind; er bemerkt ein all- gemeines Licht, welches auf einmal den Gegenſtand in der Natur ſo erleuchtet, daß einige Theile hell, andre dunkel ſind, in ſeinem Werk muß er auf eine jede Stelle das Helle und Dunkle beſonders den Farben einverleiben; er ſieht alles erhoben und koͤrperlich, und er muß im Flachen das Koͤrperliche
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Dieſen reizenden, in Terzen fortgehenden Geſang,
findet man etwas beſſer hin in dem Contrapunkt
der Octave, alſo:
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Hier hat nun die zweyte Stimme den Haupt-
geſang genommen, und die erſte Stimme ſollte nun-
mehr dieſe Hauptſtimme eine Terz tiefer haben, und
alſo die Toͤne ſo nehmen, wie ſie hier im erſten Takt
mit Punkten bezeichnet ſind. Dadurch aber wuͤrde
der hoͤhere Discantiſt oder Sopraniſt mit ſeiner
Stimme unter den tiefern gekommen ſeyn, und wol
gar nicht mehr haben ſingen koͤnnen. Damit er
alſo auf einer Hoͤhe bliebe, die ſeiner Stimme an-
gemeſſen iſt, mußte die Stimme, deren Anfang
hier mit Punkten angezeiget iſt, um eine Octave
hoͤher genommen, das iſt, ſie muͤßte in den Con-
trapunkt der Octave verſetzt werden.
Wer ſich die Muͤhe geben will, die Ouvertuͤren
eines Haͤndels, die Duette und Choͤre eines Grauns
anzuſehen, der wird finden, daß die Kuͤnſte des
Contrapunkts uͤberall darin angebracht ſind. Durch
die mannigfaltige Harmonie, die bey einerley Toͤnen
vermittelſt der contrapunktiſchen Verſetzungen erhal-
ten wird, bekommen die Arbeiten ſolcher Meiſter,
eine immer abwechſelnde Schoͤnheit, die niemand,
der in dieſen Kuͤnſten unerfahren iſt, erreichen
kann.
Dieſer doppelte Contrapunkt erfodert, auſſer der
genauen Kenntniß der harmoniſchen Regeln, eine
groſſe Fertigkeit in der Ausuͤbung derſelben. Man
muß ſchon, indem eine Hauptſtimme geſetzt wird,
auf einen Blik jede Veraͤnderung uͤberſehen koͤnnen,
die durch die Umkehrung jeden einzeln Ton, ſowol
fuͤr ſich, als in der Verbindung mit andern betref-
fen wird.
Es iſt bereits erinnert worden, welche Contra-
punkte die brauchbarſten ſeyen. Die andern Arten
ſind deswegen nicht ganz unnuͤtze; denn ſie koͤnnen
bisweilen den, der ſie recht verſteht, aus harmo-
niſchen Verlegenheiten ziehen. Aber ſie blos darum
zu ſetzen, weil ſie ſchweer ſind, und z. B. eine lange
Stelle in dem Contrapunkt der Undecime zu brin-
gen, und noch auſſerdem Nachahmungen in gera-
der, verkehrter und ruͤckgaͤngiger Bewegung zu ma-
chen, ſind Dinge, die man den muſikaliſchen Pe-
danten uͤberlaſſen muß.
Wer ſich von der beſondern Beſchaffenheit aller
Arten Contrapunkte unterrichten will, der kann eine
ziemlich vollſtaͤndige Anweiſung in Marpurgs Ab-
handlung von der Fuge, finden.
Copey.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Ein Werk das in allen ſeinen Theilen nach einem
andern Werk der zeichnenden Kuͤnſte verfertiget
worden. Das urſpruͤngliche Werk, nach welchem
die Copey gemacht wird, heißt das Original. Der
Kuͤnſtler, welcher ein Original verfertiget, arbei-
tet nach einem Bild, das ſeine Phantaſie entwor-
fen hat, oder das er in der Natur vor ſich ſiehet.
Bey der Darſtellung und Bearbeitung deſſelben muß
er beſtaͤndig nachdenken, wie er ſeinem Werk das
Leben und den Geiſt geben koͤnne, den das Urbild
in ſeiner Phantaſie oder in der Natur hat. Seine
Arbeit iſt eine beſtaͤndige Erfindung, inſonderheit,
wenn das Werk ein Gemaͤhld, oder ein nach dem
Gemaͤhlde verfertigter Kupferſtich iſt. Denn da
in dieſen Werken nicht die Sache ſelbſt, die man vor
ſich hat, wie in der Bildhauerkunſt, ſondern etwas
ganz anders, naͤmlich ein bloſſer Schein deſſelben
darzuſtellen iſt, ſo gehoͤrt zu jedem Strich des Pin-
ſels oder des Grabſtichels Erfindung. Der Mah-
ler ſieht Farben vor ſich, und muß andre Farben
erfinden, die ihnen aͤhnlich ſind; er bemerkt ein all-
gemeines Licht, welches auf einmal den Gegenſtand
in der Natur ſo erleuchtet, daß einige Theile hell,
andre dunkel ſind, in ſeinem Werk muß er auf eine
jede Stelle das Helle und Dunkle beſonders den
Farben einverleiben; er ſieht alles erhoben und
koͤrperlich, und er muß im Flachen das Koͤrperliche
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/242>, abgerufen am 19.04.2024.
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