Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. gab er seinen Beyfall, verordnete mir vorerst auchweiter nichts, als ein gelinde abführendes Mittel und einen täglichen Genuß der besten Weintrauben aus den Weinbergen von la Vaud, oder dem sogenann- ten Ryffthal, die unter die besten Weintrauben in Europa gehören. Nach wenig Tagen verlor sich das schleichende Fieber, und ich befand mich die ganze Zeit über in Lausanne ziemlich wohl. Hr. Tissot besuch- te mich täglich, ohne weiter etwas zu verordnen; und bey meiner Abreise gab er mir eine schriftliche Anwei- sung, wie ich mich in den etwa zu erwartenden Fällen zu verhalten habe: alles mit so viel Freundschaft, und mit solcher Entfernung von Eigennutz, daß er mich für immer sich verbindlich gemacht hat. Dieser würdige Mann scheinet anfänglich, ehe Da ich mir vorgenommen hatte, einige Zeit hier Lausanne liegt, wie ich schon gesagt habe, anBeschrei- her-
gethanen Reiſe. gab er ſeinen Beyfall, verordnete mir vorerſt auchweiter nichts, als ein gelinde abfuͤhrendes Mittel und einen taͤglichen Genuß der beſten Weintrauben aus den Weinbergen von la Vaud, oder dem ſogenann- ten Ryffthal, die unter die beſten Weintrauben in Europa gehoͤren. Nach wenig Tagen verlor ſich das ſchleichende Fieber, und ich befand mich die ganze Zeit uͤber in Lauſanne ziemlich wohl. Hr. Tiſſot beſuch- te mich taͤglich, ohne weiter etwas zu verordnen; und bey meiner Abreiſe gab er mir eine ſchriftliche Anwei- ſung, wie ich mich in den etwa zu erwartenden Faͤllen zu verhalten habe: alles mit ſo viel Freundſchaft, und mit ſolcher Entfernung von Eigennutz, daß er mich fuͤr immer ſich verbindlich gemacht hat. Dieſer wuͤrdige Mann ſcheinet anfaͤnglich, ehe Da ich mir vorgenommen hatte, einige Zeit hier Lauſanne liegt, wie ich ſchon geſagt habe, anBeſchrei- her-
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gethanen Reiſe.
gab er ſeinen Beyfall, verordnete mir vorerſt auch
weiter nichts, als ein gelinde abfuͤhrendes Mittel und
einen taͤglichen Genuß der beſten Weintrauben aus
den Weinbergen von la Vaud, oder dem ſogenann-
ten Ryffthal, die unter die beſten Weintrauben in
Europa gehoͤren. Nach wenig Tagen verlor ſich das
ſchleichende Fieber, und ich befand mich die ganze Zeit
uͤber in Lauſanne ziemlich wohl. Hr. Tiſſot beſuch-
te mich taͤglich, ohne weiter etwas zu verordnen; und
bey meiner Abreiſe gab er mir eine ſchriftliche Anwei-
ſung, wie ich mich in den etwa zu erwartenden Faͤllen
zu verhalten habe: alles mit ſo viel Freundſchaft,
und mit ſolcher Entfernung von Eigennutz, daß er
mich fuͤr immer ſich verbindlich gemacht hat.
Dieſer wuͤrdige Mann ſcheinet anfaͤnglich, ehe
man naͤher mit ihm bekannt wird, in ſeinem Weſen
etwas kalt und gleichguͤltig. Aber jeden Tag wird er
waͤrmer und intereſſanter, ſo daß die Freundſchaft und
Hochachtung fuͤr ihn immer zunimmt, je laͤnger man
mit ihm umgeht.
Da ich mir vorgenommen hatte, einige Zeit hier
zu bleiben, und meine eigene Nahrungsart hier zu be-
folgen, ſo miethete ich mir ein paar Zimmer in einem
angenehmen Landhauſe, ganz nahe an der Stadt, und
nahm eine Koͤchinn an, um da voͤllig nach meiner Art
leben zu koͤnnen.
Lauſanne liegt, wie ich ſchon geſagt habe, an
dem Abhange eines Berges, der ſich von da laͤngſt dem
See hinauf bis nach Vevay erſtrecket, gleich unter-
halb Lauſanne aber gegen die ſogenannte Cote in ei-
ne Ebene auslaͤuft. Von der Stadt aus geht der
Fuß des Berges noch etwa eine halbe Stunde weit
her-
Beſchrei-
bung der
Stadt Lau-
ſanne und der
umliegenden
Gegend.
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