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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
zunächst um dasselbe liegende Quartier der Stadt wirk-
lich schön. Das Schloß liegt in dem Garten, an
welchen ein sehr schöner Wald stößt, durch den viele
ihrer Länge halber fast unabsehbare Alleen durchge-
hauen sind, die alle von der Mitte des Schlosses, als
ihrem Mittelpunkt, ausgehen. Das Schloß ist groß,
und sonst wohl gebaut; doch hat es die sonderbare An-
lage, daß die von dem Hauptgebäude längst dem Vor-
hof herauslaufenden Seitenflügel nicht in rechten, son-
dern stumpfen Winkeln an dasselbe stoßen. Ob dieses
ein Einfall des Baumeisters gewesen, dem Gebäude
dadurch ein perspectivisches Ansehen zu geben, oder
ob es daher kommt, daß man alte Fundamente hat
nutzen wollen, habe ich nicht erfahren.

Rastadt.

Von hieraus bis Rastadt ist der Boden sandig
und von geringer Fruchtbarkeit. Jch blieb die Nacht
in Rastadt, kam aber nicht aus dem Gasthofe, wo
ich abgetreten war. Es schien mir aber, daß der
Ort seit 13 Jahren, binnen welcher Zeit ich ihn nicht
gesehen, stark abgenommen habe. Es ist auch ganz
natürlich, da die ehemalige Herrschaft, die auf dem
wirklich prächtig angelegten Schloß ihre Residenz hat-
te, ausgestorben ist.

Den 7 September. Von Rastadt über Offen-
burg nach Kenzing.

Diesen Tag hatte ich große Hitze auszustehen.
Mein Thermometer stieg Nachmittags im Schatten
und in freyer Luft beynahe auf 88 Fahrenheitische
Grade. Jch hatte deswegen auch keine Lust, mich
nach irgend etwas umzusehen. Jn Offenburg spei-

sete

Tagebuch von einer nach Nizza
zunaͤchſt um daſſelbe liegende Quartier der Stadt wirk-
lich ſchoͤn. Das Schloß liegt in dem Garten, an
welchen ein ſehr ſchoͤner Wald ſtoͤßt, durch den viele
ihrer Laͤnge halber faſt unabſehbare Alleen durchge-
hauen ſind, die alle von der Mitte des Schloſſes, als
ihrem Mittelpunkt, ausgehen. Das Schloß iſt groß,
und ſonſt wohl gebaut; doch hat es die ſonderbare An-
lage, daß die von dem Hauptgebaͤude laͤngſt dem Vor-
hof herauslaufenden Seitenfluͤgel nicht in rechten, ſon-
dern ſtumpfen Winkeln an daſſelbe ſtoßen. Ob dieſes
ein Einfall des Baumeiſters geweſen, dem Gebaͤude
dadurch ein perſpectiviſches Anſehen zu geben, oder
ob es daher kommt, daß man alte Fundamente hat
nutzen wollen, habe ich nicht erfahren.

Raſtadt.

Von hieraus bis Raſtadt iſt der Boden ſandig
und von geringer Fruchtbarkeit. Jch blieb die Nacht
in Raſtadt, kam aber nicht aus dem Gaſthofe, wo
ich abgetreten war. Es ſchien mir aber, daß der
Ort ſeit 13 Jahren, binnen welcher Zeit ich ihn nicht
geſehen, ſtark abgenommen habe. Es iſt auch ganz
natuͤrlich, da die ehemalige Herrſchaft, die auf dem
wirklich praͤchtig angelegten Schloß ihre Reſidenz hat-
te, ausgeſtorben iſt.

Den 7 September. Von Raſtadt uͤber Offen-
burg nach Kenzing.

Dieſen Tag hatte ich große Hitze auszuſtehen.
Mein Thermometer ſtieg Nachmittags im Schatten
und in freyer Luft beynahe auf 88 Fahrenheitiſche
Grade. Jch hatte deswegen auch keine Luſt, mich
nach irgend etwas umzuſehen. Jn Offenburg ſpei-

ſete
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[26/0044] Tagebuch von einer nach Nizza zunaͤchſt um daſſelbe liegende Quartier der Stadt wirk- lich ſchoͤn. Das Schloß liegt in dem Garten, an welchen ein ſehr ſchoͤner Wald ſtoͤßt, durch den viele ihrer Laͤnge halber faſt unabſehbare Alleen durchge- hauen ſind, die alle von der Mitte des Schloſſes, als ihrem Mittelpunkt, ausgehen. Das Schloß iſt groß, und ſonſt wohl gebaut; doch hat es die ſonderbare An- lage, daß die von dem Hauptgebaͤude laͤngſt dem Vor- hof herauslaufenden Seitenfluͤgel nicht in rechten, ſon- dern ſtumpfen Winkeln an daſſelbe ſtoßen. Ob dieſes ein Einfall des Baumeiſters geweſen, dem Gebaͤude dadurch ein perſpectiviſches Anſehen zu geben, oder ob es daher kommt, daß man alte Fundamente hat nutzen wollen, habe ich nicht erfahren. Von hieraus bis Raſtadt iſt der Boden ſandig und von geringer Fruchtbarkeit. Jch blieb die Nacht in Raſtadt, kam aber nicht aus dem Gaſthofe, wo ich abgetreten war. Es ſchien mir aber, daß der Ort ſeit 13 Jahren, binnen welcher Zeit ich ihn nicht geſehen, ſtark abgenommen habe. Es iſt auch ganz natuͤrlich, da die ehemalige Herrſchaft, die auf dem wirklich praͤchtig angelegten Schloß ihre Reſidenz hat- te, ausgeſtorben iſt. Den 7 September. Von Raſtadt uͤber Offen- burg nach Kenzing. Dieſen Tag hatte ich große Hitze auszuſtehen. Mein Thermometer ſtieg Nachmittags im Schatten und in freyer Luft beynahe auf 88 Fahrenheitiſche Grade. Jch hatte deswegen auch keine Luſt, mich nach irgend etwas umzuſehen. Jn Offenburg ſpei- ſete

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/44>, abgerufen am 19.04.2024.