por stieg, so daß die Wurzeln beyder Bäume noch- wendig mußten durcheinander geschlungen seyn.
Altorf.
Altorf ist, wie bekannt, der Hauptort des Can- tons Uri, wo die Regierung ihren Sitz hat: ein schöner Ort, ohne Mauern, der aber wirklich viel gu- te und große öffentliche und Privatgebäude hat, und sehr schön gelegen ist. Man wundert sich doch, in ei- nem sehr eingeschränkten Thale außer zwey großen Dörfern noch einen solchen Hauptort zu sehen, der Spuren von Reichthum zeiget. Dieser kann nun freylich nicht von den dortigen Landesgütern herkom- men, die nicht einmal hinreichend seyn können, die beyden Dörfer dieses Thales mit hinlänglichen Lebens- mitteln zu versorgen. Handlung ist auch sehr wenig, und von Fabriken gar nichts da. Was also an Reich- thum da ist, muß in fremden Kriegsdiensten erworbe- nes Vermögen seyn. Die vornehmen Familien ha- ben immer jemanden aus ihrem Mittel in französischen, spanischen, päbstlichen und andern Diensten. Die zu Hause an der Regierung sitzen, leben meistentheils von Pensionen des französischen Hofes. Diese wer- den bezahlt, damit der Hof immer nicht nur die aus diesem Lande im Sold habenden Völker beständig er- gänzen könne, sondern überhaupt vermittelst des Ein- flusses, den die Vornehmen haben, bey dem ganzen helvetischen Staatskörper willkührlichen Einfluß behal- te. Und eben so hält es der französische Hof auch mit den übrigen katholischen Cantonen. Dieses macht, daß vermittelst einer jährlichen Summe von etwa 40000 Louisd'or, der König von Frankreich von den katholischen Orten erhält, was er in seiner Verbin- dung mit den Eidgenossen zu erhalten wünscht.
Aber
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
por ſtieg, ſo daß die Wurzeln beyder Baͤume noch- wendig mußten durcheinander geſchlungen ſeyn.
Altorf.
Altorf iſt, wie bekannt, der Hauptort des Can- tons Uri, wo die Regierung ihren Sitz hat: ein ſchoͤner Ort, ohne Mauern, der aber wirklich viel gu- te und große oͤffentliche und Privatgebaͤude hat, und ſehr ſchoͤn gelegen iſt. Man wundert ſich doch, in ei- nem ſehr eingeſchraͤnkten Thale außer zwey großen Doͤrfern noch einen ſolchen Hauptort zu ſehen, der Spuren von Reichthum zeiget. Dieſer kann nun freylich nicht von den dortigen Landesguͤtern herkom- men, die nicht einmal hinreichend ſeyn koͤnnen, die beyden Doͤrfer dieſes Thales mit hinlaͤnglichen Lebens- mitteln zu verſorgen. Handlung iſt auch ſehr wenig, und von Fabriken gar nichts da. Was alſo an Reich- thum da iſt, muß in fremden Kriegsdienſten erworbe- nes Vermoͤgen ſeyn. Die vornehmen Familien ha- ben immer jemanden aus ihrem Mittel in franzoͤſiſchen, ſpaniſchen, paͤbſtlichen und andern Dienſten. Die zu Hauſe an der Regierung ſitzen, leben meiſtentheils von Penſionen des franzoͤſiſchen Hofes. Dieſe wer- den bezahlt, damit der Hof immer nicht nur die aus dieſem Lande im Sold habenden Voͤlker beſtaͤndig er- gaͤnzen koͤnne, ſondern uͤberhaupt vermittelſt des Ein- fluſſes, den die Vornehmen haben, bey dem ganzen helvetiſchen Staatskoͤrper willkuͤhrlichen Einfluß behal- te. Und eben ſo haͤlt es der franzoͤſiſche Hof auch mit den uͤbrigen katholiſchen Cantonen. Dieſes macht, daß vermittelſt einer jaͤhrlichen Summe von etwa 40000 Louisd'or, der Koͤnig von Frankreich von den katholiſchen Orten erhaͤlt, was er in ſeiner Verbin- dung mit den Eidgenoſſen zu erhalten wuͤnſcht.
Aber
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
por ſtieg, ſo daß die Wurzeln beyder Baͤume noch-
wendig mußten durcheinander geſchlungen ſeyn.
Altorf iſt, wie bekannt, der Hauptort des Can-
tons Uri, wo die Regierung ihren Sitz hat: ein
ſchoͤner Ort, ohne Mauern, der aber wirklich viel gu-
te und große oͤffentliche und Privatgebaͤude hat, und
ſehr ſchoͤn gelegen iſt. Man wundert ſich doch, in ei-
nem ſehr eingeſchraͤnkten Thale außer zwey großen
Doͤrfern noch einen ſolchen Hauptort zu ſehen, der
Spuren von Reichthum zeiget. Dieſer kann nun
freylich nicht von den dortigen Landesguͤtern herkom-
men, die nicht einmal hinreichend ſeyn koͤnnen, die
beyden Doͤrfer dieſes Thales mit hinlaͤnglichen Lebens-
mitteln zu verſorgen. Handlung iſt auch ſehr wenig,
und von Fabriken gar nichts da. Was alſo an Reich-
thum da iſt, muß in fremden Kriegsdienſten erworbe-
nes Vermoͤgen ſeyn. Die vornehmen Familien ha-
ben immer jemanden aus ihrem Mittel in franzoͤſiſchen,
ſpaniſchen, paͤbſtlichen und andern Dienſten. Die
zu Hauſe an der Regierung ſitzen, leben meiſtentheils
von Penſionen des franzoͤſiſchen Hofes. Dieſe wer-
den bezahlt, damit der Hof immer nicht nur die aus
dieſem Lande im Sold habenden Voͤlker beſtaͤndig er-
gaͤnzen koͤnne, ſondern uͤberhaupt vermittelſt des Ein-
fluſſes, den die Vornehmen haben, bey dem ganzen
helvetiſchen Staatskoͤrper willkuͤhrlichen Einfluß behal-
te. Und eben ſo haͤlt es der franzoͤſiſche Hof auch mit
den uͤbrigen katholiſchen Cantonen. Dieſes macht,
daß vermittelſt einer jaͤhrlichen Summe von etwa
40000 Louisd'or, der Koͤnig von Frankreich von den
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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