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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
Den 6 May. Reise von Savigliano nach Turin.
Zwanzig piemontesische Meilen.
Von Savi-
gliano nach
Turin.

Das Land scheinet immer schöner und reicher zu
werden, je näher man gegen Turin kommt. We-
nige Meilen von Savigliano kommt man durch Ra-
conigi,
wo der Prinz von Carignan ein großes Land-
haus mit einem prächtigen Garten hat. Außen um
den Garten, besonders an der Straße, die von Turin
hieher führet, sind die fürtrefflichsten weissen Pappeln
gepflanzt, die ich jemals gesehen habe. Sie thun
eine bewunderungswürdige Wirkung auf das Auge.
Da sie etwas dicht an einander gepflanzt sind, (etwa
acht Fuß aus einander,) völlig gerade und gleichhoch,
gräulich weisse Stämme und hohe dicht gewachsene
Kronen haben, glaubte ich mich in einem mit natürli-
chen Säulen umgebenen Portico zu befinden. Die
Stämme sind in der That so gerade, so glatt, und
von solchem Verhältniß der Dicke gegen die Höhe,
und so auseinander, daß man sie für Säulen halten
kann. Da, wo etliche Reihen solcher Bäume neben
einander stehen, bildet man sich ein, in dem doppel-
ten Peristylio eines alten griechischen Tempels zu seyn.
Niemals habe ich in Gärten oder Lustwäldern etwas
gesehen, das einen so feyerlichen Eindruck auf mich
gemacht hätte, als diese herrlichen Alleen von Pap-
peln.

Auf den Mittag kam ich nach Carignan, einen
nicht großen, aber ebenfalls ganz angenehmen Ort.
Je näher man gegen Turin kommt, je mehr findet
man überall angepflanzte schöne Bäume, und nahe
an dieser Hauptstadt denkt man in einem unermeßli-
chen Lustgarten zu seyn. Die vielen aus verschiedenen

Ge-
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Den 6 May. Reiſe von Savigliano nach Turin.
Zwanzig piemonteſiſche Meilen.
Von Savi-
gliano nach
Turin.

Das Land ſcheinet immer ſchoͤner und reicher zu
werden, je naͤher man gegen Turin kommt. We-
nige Meilen von Savigliano kommt man durch Ra-
conigi,
wo der Prinz von Carignan ein großes Land-
haus mit einem praͤchtigen Garten hat. Außen um
den Garten, beſonders an der Straße, die von Turin
hieher fuͤhret, ſind die fuͤrtrefflichſten weiſſen Pappeln
gepflanzt, die ich jemals geſehen habe. Sie thun
eine bewunderungswuͤrdige Wirkung auf das Auge.
Da ſie etwas dicht an einander gepflanzt ſind, (etwa
acht Fuß aus einander,) voͤllig gerade und gleichhoch,
graͤulich weiſſe Staͤmme und hohe dicht gewachſene
Kronen haben, glaubte ich mich in einem mit natuͤrli-
chen Saͤulen umgebenen Portico zu befinden. Die
Staͤmme ſind in der That ſo gerade, ſo glatt, und
von ſolchem Verhaͤltniß der Dicke gegen die Hoͤhe,
und ſo auseinander, daß man ſie fuͤr Saͤulen halten
kann. Da, wo etliche Reihen ſolcher Baͤume neben
einander ſtehen, bildet man ſich ein, in dem doppel-
ten Periſtylio eines alten griechiſchen Tempels zu ſeyn.
Niemals habe ich in Gaͤrten oder Luſtwaͤldern etwas
geſehen, das einen ſo feyerlichen Eindruck auf mich
gemacht haͤtte, als dieſe herrlichen Alleen von Pap-
peln.

Auf den Mittag kam ich nach Carignan, einen
nicht großen, aber ebenfalls ganz angenehmen Ort.
Je naͤher man gegen Turin kommt, je mehr findet
man uͤberall angepflanzte ſchoͤne Baͤume, und nahe
an dieſer Hauptſtadt denkt man in einem unermeßli-
chen Luſtgarten zu ſeyn. Die vielen aus verſchiedenen

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[290/0310] Tagebuch von der Ruͤckreiſe Den 6 May. Reiſe von Savigliano nach Turin. Zwanzig piemonteſiſche Meilen. Das Land ſcheinet immer ſchoͤner und reicher zu werden, je naͤher man gegen Turin kommt. We- nige Meilen von Savigliano kommt man durch Ra- conigi, wo der Prinz von Carignan ein großes Land- haus mit einem praͤchtigen Garten hat. Außen um den Garten, beſonders an der Straße, die von Turin hieher fuͤhret, ſind die fuͤrtrefflichſten weiſſen Pappeln gepflanzt, die ich jemals geſehen habe. Sie thun eine bewunderungswuͤrdige Wirkung auf das Auge. Da ſie etwas dicht an einander gepflanzt ſind, (etwa acht Fuß aus einander,) voͤllig gerade und gleichhoch, graͤulich weiſſe Staͤmme und hohe dicht gewachſene Kronen haben, glaubte ich mich in einem mit natuͤrli- chen Saͤulen umgebenen Portico zu befinden. Die Staͤmme ſind in der That ſo gerade, ſo glatt, und von ſolchem Verhaͤltniß der Dicke gegen die Hoͤhe, und ſo auseinander, daß man ſie fuͤr Saͤulen halten kann. Da, wo etliche Reihen ſolcher Baͤume neben einander ſtehen, bildet man ſich ein, in dem doppel- ten Periſtylio eines alten griechiſchen Tempels zu ſeyn. Niemals habe ich in Gaͤrten oder Luſtwaͤldern etwas geſehen, das einen ſo feyerlichen Eindruck auf mich gemacht haͤtte, als dieſe herrlichen Alleen von Pap- peln. Auf den Mittag kam ich nach Carignan, einen nicht großen, aber ebenfalls ganz angenehmen Ort. Je naͤher man gegen Turin kommt, je mehr findet man uͤberall angepflanzte ſchoͤne Baͤume, und nahe an dieſer Hauptſtadt denkt man in einem unermeßli- chen Luſtgarten zu ſeyn. Die vielen aus verſchiedenen Ge-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/310>, abgerufen am 24.11.2024.