reich verschüttet zu werden, eine ziemliche Zeit lang dauret.
Außer dieser Gefahr ist das Herunterreiten an die- ser nördlichen Seite des Berges sehr beschwerlich, weil der Weg steil, und überdem mit vielen losliegenden Steinen angefüllt ist.
Sobald man ganz herunter ist, kommt man in ein kleines elendes Städtchen Breiglio, das zwischen vier oder fünf hier zusammenstoßenden hohen Bergen, wie in einem Sodbrunnen versenkt ist. Neben dem Städtchen fließt ein ziemlich wasserreicher schneller Strom, die Roja, vorbey, der sich bey Ventimi- glia ins Meer ergießt. Man glaubt hier in dieser Wüste am Ende der Welt, oder wenigstens der be- lebten Natur zu seyn. Jst man aber durch das Städtchen durch, und wieder am rechten Ufer der Roja, so befindet man sich in einem sehr schmalen, gerade von Süden nach Norden laufenden höchst ein- samen und stillen Thale, wo man schönes Gras und einige gut gewachsene Bäume antrifft. Rechter Hand des Weges aber, jenseit des Stroms, hat man eine steile sehr hohe Felsenwand. Am hintern Ende dieses etwa eine Viertelstunde langen Thales liegt der Giandola.Ort, La Giandola genennt, in einer wahren Wild- niß. Er besteht nur aus zwey Häusern, die Gast- höfe für die Durchreisenden sind. Man richtet die Reise so ein, daß man immer auf den Mittag oder zum Nachtlager hieher kommt, weil man da eine ziemlich gute Mahlzeit, und besonders fürtreffliche Forellen haben kann.
Dicht an dem einen Hause, darin ich abgetreten war, fließt ein wilder Bach, der von Abend her aus
einem
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
reich verſchuͤttet zu werden, eine ziemliche Zeit lang dauret.
Außer dieſer Gefahr iſt das Herunterreiten an die- ſer noͤrdlichen Seite des Berges ſehr beſchwerlich, weil der Weg ſteil, und uͤberdem mit vielen losliegenden Steinen angefuͤllt iſt.
Sobald man ganz herunter iſt, kommt man in ein kleines elendes Staͤdtchen Breiglio, das zwiſchen vier oder fuͤnf hier zuſammenſtoßenden hohen Bergen, wie in einem Sodbrunnen verſenkt iſt. Neben dem Staͤdtchen fließt ein ziemlich waſſerreicher ſchneller Strom, die Roja, vorbey, der ſich bey Ventimi- glia ins Meer ergießt. Man glaubt hier in dieſer Wuͤſte am Ende der Welt, oder wenigſtens der be- lebten Natur zu ſeyn. Jſt man aber durch das Staͤdtchen durch, und wieder am rechten Ufer der Roja, ſo befindet man ſich in einem ſehr ſchmalen, gerade von Suͤden nach Norden laufenden hoͤchſt ein- ſamen und ſtillen Thale, wo man ſchoͤnes Gras und einige gut gewachſene Baͤume antrifft. Rechter Hand des Weges aber, jenſeit des Stroms, hat man eine ſteile ſehr hohe Felſenwand. Am hintern Ende dieſes etwa eine Viertelſtunde langen Thales liegt der Giandola.Ort, La Giandola genennt, in einer wahren Wild- niß. Er beſteht nur aus zwey Haͤuſern, die Gaſt- hoͤfe fuͤr die Durchreiſenden ſind. Man richtet die Reiſe ſo ein, daß man immer auf den Mittag oder zum Nachtlager hieher kommt, weil man da eine ziemlich gute Mahlzeit, und beſonders fuͤrtreffliche Forellen haben kann.
Dicht an dem einen Hauſe, darin ich abgetreten war, fließt ein wilder Bach, der von Abend her aus
einem
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Tagebuch von der Ruͤckreiſe
reich verſchuͤttet zu werden, eine ziemliche Zeit lang
dauret.
Außer dieſer Gefahr iſt das Herunterreiten an die-
ſer noͤrdlichen Seite des Berges ſehr beſchwerlich, weil
der Weg ſteil, und uͤberdem mit vielen losliegenden
Steinen angefuͤllt iſt.
Sobald man ganz herunter iſt, kommt man in
ein kleines elendes Staͤdtchen Breiglio, das zwiſchen
vier oder fuͤnf hier zuſammenſtoßenden hohen Bergen,
wie in einem Sodbrunnen verſenkt iſt. Neben dem
Staͤdtchen fließt ein ziemlich waſſerreicher ſchneller
Strom, die Roja, vorbey, der ſich bey Ventimi-
glia ins Meer ergießt. Man glaubt hier in dieſer
Wuͤſte am Ende der Welt, oder wenigſtens der be-
lebten Natur zu ſeyn. Jſt man aber durch das
Staͤdtchen durch, und wieder am rechten Ufer der
Roja, ſo befindet man ſich in einem ſehr ſchmalen,
gerade von Suͤden nach Norden laufenden hoͤchſt ein-
ſamen und ſtillen Thale, wo man ſchoͤnes Gras und
einige gut gewachſene Baͤume antrifft. Rechter
Hand des Weges aber, jenſeit des Stroms, hat man
eine ſteile ſehr hohe Felſenwand. Am hintern Ende
dieſes etwa eine Viertelſtunde langen Thales liegt der
Ort, La Giandola genennt, in einer wahren Wild-
niß. Er beſteht nur aus zwey Haͤuſern, die Gaſt-
hoͤfe fuͤr die Durchreiſenden ſind. Man richtet die
Reiſe ſo ein, daß man immer auf den Mittag oder
zum Nachtlager hieher kommt, weil man da eine
ziemlich gute Mahlzeit, und beſonders fuͤrtreffliche
Forellen haben kann.
Giandola.
Dicht an dem einen Hauſe, darin ich abgetreten
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/290>, abgerufen am 25.11.2024.
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