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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
vorherbeschriebenen, und eben so auf der nördlichen
Seite wieder herunter.

Jm Herunterreiten bemerkte ich eine Stelle die-
ses Berges, von der ich fürs künftige Unglück befürch-
te, wofern man ihm nicht vorbeugt. Bis hieher sind
die Berge feste und wohl zusammenhangende Felsen,
die nur an dem Fuß mit Erde bedeckt sind; hier aber
ist ein beträchtlicher Strich hoch mit natürlichem
Schutt überdeckt. Jch verstehe unter diesem Aus-
drucke ein Erdreich, das größtentheils aus kleinern
und größern abgerundeten Steinen besteht, wie man
sie an den Ufern und in den Betten der Flüsse findet,
mit leimiger Erde vermengt, die diesem Schutt eini-
ge Festigkeit giebt. Unter diesem Schutt ist ohne
Zweifel wieder der harte Felsen. Man siehet aber,
daß da, wo der Berg am steilsten ist, hie und da gros-
se Massen dieses Schuttes schon etwas gesunken, oder
an dem Berge etwas herunter geklitscht sind, wodurch
große Ritzen in diesem Erdreiche entstanden sind. Bey
lange anhaltendem Regen dringet das von der Höhe ab-
laufende Wasser durch diese Ritzen ein, und macht die
darein gemengte Erde weich, da es denn gar leicht ge-
schehen kann, daß sie sich von dem unten liegenden
Felsen ablöset und den Berg herunter stürzt. Eben
dieses würde bey einer geringen Erschütterung dieses
Berges erfolgen. Nun geht die Straße gerade unter
einem schon etwas gesunkenen, einige Morgen großen
Stück solches Erdreichs weg; bald aber wendet sie sich,
so daß man nochmals, und hernach wegen der vielen
Zikzake etwas tiefer wohl noch fünf- oder sechsmal
unter eben demselben Stück Lande vorbeyreiten muß;
daher die Gefahr, von einem einstürzenden Erd-

reich

von Nizza nach Deutſchland.
vorherbeſchriebenen, und eben ſo auf der noͤrdlichen
Seite wieder herunter.

Jm Herunterreiten bemerkte ich eine Stelle die-
ſes Berges, von der ich fuͤrs kuͤnftige Ungluͤck befuͤrch-
te, wofern man ihm nicht vorbeugt. Bis hieher ſind
die Berge feſte und wohl zuſammenhangende Felſen,
die nur an dem Fuß mit Erde bedeckt ſind; hier aber
iſt ein betraͤchtlicher Strich hoch mit natuͤrlichem
Schutt uͤberdeckt. Jch verſtehe unter dieſem Aus-
drucke ein Erdreich, das groͤßtentheils aus kleinern
und groͤßern abgerundeten Steinen beſteht, wie man
ſie an den Ufern und in den Betten der Fluͤſſe findet,
mit leimiger Erde vermengt, die dieſem Schutt eini-
ge Feſtigkeit giebt. Unter dieſem Schutt iſt ohne
Zweifel wieder der harte Felſen. Man ſiehet aber,
daß da, wo der Berg am ſteilſten iſt, hie und da groſ-
ſe Maſſen dieſes Schuttes ſchon etwas geſunken, oder
an dem Berge etwas herunter geklitſcht ſind, wodurch
große Ritzen in dieſem Erdreiche entſtanden ſind. Bey
lange anhaltendem Regen dringet das von der Hoͤhe ab-
laufende Waſſer durch dieſe Ritzen ein, und macht die
darein gemengte Erde weich, da es denn gar leicht ge-
ſchehen kann, daß ſie ſich von dem unten liegenden
Felſen abloͤſet und den Berg herunter ſtuͤrzt. Eben
dieſes wuͤrde bey einer geringen Erſchuͤtterung dieſes
Berges erfolgen. Nun geht die Straße gerade unter
einem ſchon etwas geſunkenen, einige Morgen großen
Stuͤck ſolches Erdreichs weg; bald aber wendet ſie ſich,
ſo daß man nochmals, und hernach wegen der vielen
Zikzake etwas tiefer wohl noch fuͤnf- oder ſechsmal
unter eben demſelben Stuͤck Lande vorbeyreiten muß;
daher die Gefahr, von einem einſtuͤrzenden Erd-

reich
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[269/0289] von Nizza nach Deutſchland. vorherbeſchriebenen, und eben ſo auf der noͤrdlichen Seite wieder herunter. Jm Herunterreiten bemerkte ich eine Stelle die- ſes Berges, von der ich fuͤrs kuͤnftige Ungluͤck befuͤrch- te, wofern man ihm nicht vorbeugt. Bis hieher ſind die Berge feſte und wohl zuſammenhangende Felſen, die nur an dem Fuß mit Erde bedeckt ſind; hier aber iſt ein betraͤchtlicher Strich hoch mit natuͤrlichem Schutt uͤberdeckt. Jch verſtehe unter dieſem Aus- drucke ein Erdreich, das groͤßtentheils aus kleinern und groͤßern abgerundeten Steinen beſteht, wie man ſie an den Ufern und in den Betten der Fluͤſſe findet, mit leimiger Erde vermengt, die dieſem Schutt eini- ge Feſtigkeit giebt. Unter dieſem Schutt iſt ohne Zweifel wieder der harte Felſen. Man ſiehet aber, daß da, wo der Berg am ſteilſten iſt, hie und da groſ- ſe Maſſen dieſes Schuttes ſchon etwas geſunken, oder an dem Berge etwas herunter geklitſcht ſind, wodurch große Ritzen in dieſem Erdreiche entſtanden ſind. Bey lange anhaltendem Regen dringet das von der Hoͤhe ab- laufende Waſſer durch dieſe Ritzen ein, und macht die darein gemengte Erde weich, da es denn gar leicht ge- ſchehen kann, daß ſie ſich von dem unten liegenden Felſen abloͤſet und den Berg herunter ſtuͤrzt. Eben dieſes wuͤrde bey einer geringen Erſchuͤtterung dieſes Berges erfolgen. Nun geht die Straße gerade unter einem ſchon etwas geſunkenen, einige Morgen großen Stuͤck ſolches Erdreichs weg; bald aber wendet ſie ſich, ſo daß man nochmals, und hernach wegen der vielen Zikzake etwas tiefer wohl noch fuͤnf- oder ſechsmal unter eben demſelben Stuͤck Lande vorbeyreiten muß; daher die Gefahr, von einem einſtuͤrzenden Erd- reich

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/289>, abgerufen am 25.11.2024.