Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza bedeckt sind, daß man sich in Acht nehmen muß, nichtdarauf zu treten, weil man gar leicht ausglitschen und fallen kann. Jch glaube auch, daß dieses dem hiesi- gen Volke oft geschieht, und daß es schweren Scha- den davon nimmt. Wenigstens habe ich an keinem Orte eine solche Menge hinkender Menschen wie hier angetroffen, und ich schreibe es dem Ausglitschen über diese in den Wegen liegende Steine zu. Eine an- dre Unbequemlichkeit kommt von dem hiesigen Boden her, der meist aus fettem Thon besteht, und daher bey Regenwetter sehr schlüpfrig wird. Das Gestein der hiesigen Berge ist zwar mannich- So schön aber die Winter in dieser Gegend sind, mei-
Tagebuch von einer nach Nizza bedeckt ſind, daß man ſich in Acht nehmen muß, nichtdarauf zu treten, weil man gar leicht ausglitſchen und fallen kann. Jch glaube auch, daß dieſes dem hieſi- gen Volke oft geſchieht, und daß es ſchweren Scha- den davon nimmt. Wenigſtens habe ich an keinem Orte eine ſolche Menge hinkender Menſchen wie hier angetroffen, und ich ſchreibe es dem Ausglitſchen uͤber dieſe in den Wegen liegende Steine zu. Eine an- dre Unbequemlichkeit kommt von dem hieſigen Boden her, der meiſt aus fettem Thon beſteht, und daher bey Regenwetter ſehr ſchluͤpfrig wird. Das Geſtein der hieſigen Berge iſt zwar mannich- So ſchoͤn aber die Winter in dieſer Gegend ſind, mei-
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Tagebuch von einer nach Nizza
bedeckt ſind, daß man ſich in Acht nehmen muß, nicht
darauf zu treten, weil man gar leicht ausglitſchen und
fallen kann. Jch glaube auch, daß dieſes dem hieſi-
gen Volke oft geſchieht, und daß es ſchweren Scha-
den davon nimmt. Wenigſtens habe ich an keinem
Orte eine ſolche Menge hinkender Menſchen wie hier
angetroffen, und ich ſchreibe es dem Ausglitſchen uͤber
dieſe in den Wegen liegende Steine zu. Eine an-
dre Unbequemlichkeit kommt von dem hieſigen Boden
her, der meiſt aus fettem Thon beſteht, und daher
bey Regenwetter ſehr ſchluͤpfrig wird.
Das Geſtein der hieſigen Berge iſt zwar mannich-
faltig, doch groͤßtentheils Kalk und Gips, die hier
beyde von ausnehmender Guͤte ſind. Der ganze Berg,
den die Einwohner Cimié nennen, worauf die Stadt
Cemenetion geſtanden hat, iſt ein einziger Klumpen
von Gipsſtein. Hier und da ſind auch Adern von
Marmor und von weiſſem Kieſel. Daß uͤbrigens die-
ſe Berge durchgehends ſehr duͤrre, und die Waſſer-
quellen daran etwas ſeltenes ſeyn, habe ich bereits
erinnert.
So ſchoͤn aber die Winter in dieſer Gegend ſind,
ſo unangenehm iſt der Fruͤhling, wegen der großen
Unbeſtaͤndigkeit des Wetters. Man iſt ſelten zwey
Stunden lang ſicher, ſchoͤnes Wetter zu behalten.
Oft folget auf das herrlichſte Wetter ploͤtzlich Wind
und Regen; und eben ſo ſchnell legen ſich auch Wind
und Regen wieder, um dem lieblichſten Wetter Platz
zu machen. Ueberhaupt aber wuͤrde ich den Fruͤhling
in den gemaͤßigten Gegenden von Deutſchland dem
hieſigen weit vorziehen. Deswegen reiſen auch die
mei-
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