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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
lebt, weil täglich eine Menge desselben in Schläuchen
von Bocksfellen auf Eseln nach der Stadt gebracht
wird. An verschiedenen Orten der Stadt und auf
allen Wegen vor derselben stehen die Aufkäufer des
Oels, um jede Ladung zu kosten, und was ihnen an-
steht, zu kaufen. Dieses Oel ist natürlicher Weise
hellgelb. Das was nach Norden, besonders nach
Dänemark bestimmt ist, wird in offenen Gefäßen an
der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe so
klar als Wasser; aber es verliert in der Güte.

Seide.

Das zweyte Landesgut, was ganz ausgeführt
wird, ist die Seide. Sie wird aber hier nicht häu-
fig gezogen; und es schien mir, daß die Einwohner
in diesem Punkte zu nachläßig seyen. Es ist in der
That seltsam und widersinnig, daß das rauhe Land an
den Bergen mit der äußersten Sparsamkeit zu den
Olivenbäumen genutzt, das gute und fettere Land der
Ebenen aber nur nachläßig zur Maulbeerbaumpflanzung
gebraucht wird. Vielleicht liegt der Grund davon in
der allgemeinen Trägheit der Menschen, sich durch Ein-
führung neuer Arbeit neues Nachdenken und neue Sor-
gen zu machen. Denn die Cultur der Olivenbäume ist oh-
ne Zweifel hier uralt, und schon zu den Zeiten der ehe-
mals hier wohnenden Griechen, wenigstens der Rö-
mer, eingeführt gewesen. Aber der Seidenbau ist
hier in neuern Zeiten aufgekommen. Den hier ein-
gezogenen zuverläßigsten Nachrichten zufolge, wird
jährlich etwa für 150000 Lire rohe Seide aus Nizza
ausgeführt.

Limonen und
Pommeran-
zen.

Von den hier wachsenden Limonen und Pommeran-
zen wird auch bey weitem der größte Theil aus dem Lan-
de geschickt. Die Wichtigkeit dieses Artikels kann man

aus

Tagebuch von einer nach Nizza
lebt, weil taͤglich eine Menge deſſelben in Schlaͤuchen
von Bocksfellen auf Eſeln nach der Stadt gebracht
wird. An verſchiedenen Orten der Stadt und auf
allen Wegen vor derſelben ſtehen die Aufkaͤufer des
Oels, um jede Ladung zu koſten, und was ihnen an-
ſteht, zu kaufen. Dieſes Oel iſt natuͤrlicher Weiſe
hellgelb. Das was nach Norden, beſonders nach
Daͤnemark beſtimmt iſt, wird in offenen Gefaͤßen an
der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe ſo
klar als Waſſer; aber es verliert in der Guͤte.

Seide.

Das zweyte Landesgut, was ganz ausgefuͤhrt
wird, iſt die Seide. Sie wird aber hier nicht haͤu-
fig gezogen; und es ſchien mir, daß die Einwohner
in dieſem Punkte zu nachlaͤßig ſeyen. Es iſt in der
That ſeltſam und widerſinnig, daß das rauhe Land an
den Bergen mit der aͤußerſten Sparſamkeit zu den
Olivenbaͤumen genutzt, das gute und fettere Land der
Ebenen aber nur nachlaͤßig zur Maulbeerbaumpflanzung
gebraucht wird. Vielleicht liegt der Grund davon in
der allgemeinen Traͤgheit der Menſchen, ſich durch Ein-
fuͤhrung neuer Arbeit neues Nachdenken und neue Sor-
gen zu machen. Denn die Cultur der Olivenbaͤume iſt oh-
ne Zweifel hier uralt, und ſchon zu den Zeiten der ehe-
mals hier wohnenden Griechen, wenigſtens der Roͤ-
mer, eingefuͤhrt geweſen. Aber der Seidenbau iſt
hier in neuern Zeiten aufgekommen. Den hier ein-
gezogenen zuverlaͤßigſten Nachrichten zufolge, wird
jaͤhrlich etwa fuͤr 150000 Lire rohe Seide aus Nizza
ausgefuͤhrt.

Limonen und
Pommeran-
zen.

Von den hier wachſenden Limonen und Pommeran-
zen wird auch bey weitem der groͤßte Theil aus dem Lan-
de geſchickt. Die Wichtigkeit dieſes Artikels kann man

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[214/0234] Tagebuch von einer nach Nizza lebt, weil taͤglich eine Menge deſſelben in Schlaͤuchen von Bocksfellen auf Eſeln nach der Stadt gebracht wird. An verſchiedenen Orten der Stadt und auf allen Wegen vor derſelben ſtehen die Aufkaͤufer des Oels, um jede Ladung zu koſten, und was ihnen an- ſteht, zu kaufen. Dieſes Oel iſt natuͤrlicher Weiſe hellgelb. Das was nach Norden, beſonders nach Daͤnemark beſtimmt iſt, wird in offenen Gefaͤßen an der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe ſo klar als Waſſer; aber es verliert in der Guͤte. Das zweyte Landesgut, was ganz ausgefuͤhrt wird, iſt die Seide. Sie wird aber hier nicht haͤu- fig gezogen; und es ſchien mir, daß die Einwohner in dieſem Punkte zu nachlaͤßig ſeyen. Es iſt in der That ſeltſam und widerſinnig, daß das rauhe Land an den Bergen mit der aͤußerſten Sparſamkeit zu den Olivenbaͤumen genutzt, das gute und fettere Land der Ebenen aber nur nachlaͤßig zur Maulbeerbaumpflanzung gebraucht wird. Vielleicht liegt der Grund davon in der allgemeinen Traͤgheit der Menſchen, ſich durch Ein- fuͤhrung neuer Arbeit neues Nachdenken und neue Sor- gen zu machen. Denn die Cultur der Olivenbaͤume iſt oh- ne Zweifel hier uralt, und ſchon zu den Zeiten der ehe- mals hier wohnenden Griechen, wenigſtens der Roͤ- mer, eingefuͤhrt geweſen. Aber der Seidenbau iſt hier in neuern Zeiten aufgekommen. Den hier ein- gezogenen zuverlaͤßigſten Nachrichten zufolge, wird jaͤhrlich etwa fuͤr 150000 Lire rohe Seide aus Nizza ausgefuͤhrt. Von den hier wachſenden Limonen und Pommeran- zen wird auch bey weitem der groͤßte Theil aus dem Lan- de geſchickt. Die Wichtigkeit dieſes Artikels kann man aus

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/234>, abgerufen am 22.11.2024.