unverheiratheten Mädchen daran unterscheiden, daß jene seidene Kleider tragen. Diesen Staat muß jeder junge Bauer seiner Braut schaffen, und der wird für ein so unumgänglich nothwendiges Stück zum Heira- then gehalten, als das Bette in Deutschland.
Die weibliche Kleidung besteht aus einem engen Brustleibchen, auf der Brust mit Bändern ausgeziert und mit Blumensträußen besteckt, insgemein von ge- streiftem Taffet und einem ziemlich langen seidnen Rock oder Jupe, mit einer Schürze, beyde ohne andre Ver- zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder gestreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz ist sehr artig. Die durchgehends pechschwarzen Haare werden in ei- nen Zopf zusammengebunden; dieser wird mit einem weissen, rothen oder grünen Bande dergestalt umwun- den, daß die Haare zwischen zwey Umgängen des Bandes bloß bleiben; daraus entstehen also bunte schwarz und weisse, oder schwarz und rothe u. s. f. Zö- pfe, die so um die Schläfe und Stirne herumgeführt werden, daß sie eine Krone um den Kopf herum bil- den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei- ne Volk beyderley Geschlechts trägt, wenn es sich nicht putzen will, die Haare in einem grünen Netze, wel- ches statt der Mütze dienet, und ganz lose den Kopf bedeckt. Dieses Haarnetz ist eine sehr alte, und wo ich mich recht besinne, schon bey den alten Griechen ge- bräuchliche Tracht, die gegenwärtig überall längst der diesseitigen Küste des mittelländischen Meeres im Ge- brauch ist. Der Engländer Twiß gedenkt derselben in seiner Reise durch Portugal und Spanien. Die Portugiesen nennen dies Haarnetz Redecilla.
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gethanen Reiſe.
unverheiratheten Maͤdchen daran unterſcheiden, daß jene ſeidene Kleider tragen. Dieſen Staat muß jeder junge Bauer ſeiner Braut ſchaffen, und der wird fuͤr ein ſo unumgaͤnglich nothwendiges Stuͤck zum Heira- then gehalten, als das Bette in Deutſchland.
Die weibliche Kleidung beſteht aus einem engen Bruſtleibchen, auf der Bruſt mit Baͤndern ausgeziert und mit Blumenſtraͤußen beſteckt, insgemein von ge- ſtreiftem Taffet und einem ziemlich langen ſeidnen Rock oder Jupe, mit einer Schuͤrze, beyde ohne andre Ver- zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder geſtreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz iſt ſehr artig. Die durchgehends pechſchwarzen Haare werden in ei- nen Zopf zuſammengebunden; dieſer wird mit einem weiſſen, rothen oder gruͤnen Bande dergeſtalt umwun- den, daß die Haare zwiſchen zwey Umgaͤngen des Bandes bloß bleiben; daraus entſtehen alſo bunte ſchwarz und weiſſe, oder ſchwarz und rothe u. ſ. f. Zoͤ- pfe, die ſo um die Schlaͤfe und Stirne herumgefuͤhrt werden, daß ſie eine Krone um den Kopf herum bil- den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei- ne Volk beyderley Geſchlechts traͤgt, wenn es ſich nicht putzen will, die Haare in einem gruͤnen Netze, wel- ches ſtatt der Muͤtze dienet, und ganz loſe den Kopf bedeckt. Dieſes Haarnetz iſt eine ſehr alte, und wo ich mich recht beſinne, ſchon bey den alten Griechen ge- braͤuchliche Tracht, die gegenwaͤrtig uͤberall laͤngſt der dieſſeitigen Kuͤſte des mittellaͤndiſchen Meeres im Ge- brauch iſt. Der Englaͤnder Twiß gedenkt derſelben in ſeiner Reiſe durch Portugal und Spanien. Die Portugieſen nennen dies Haarnetz Redecilla.
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gethanen Reiſe.
unverheiratheten Maͤdchen daran unterſcheiden, daß
jene ſeidene Kleider tragen. Dieſen Staat muß jeder
junge Bauer ſeiner Braut ſchaffen, und der wird fuͤr
ein ſo unumgaͤnglich nothwendiges Stuͤck zum Heira-
then gehalten, als das Bette in Deutſchland.
Die weibliche Kleidung beſteht aus einem engen
Bruſtleibchen, auf der Bruſt mit Baͤndern ausgeziert
und mit Blumenſtraͤußen beſteckt, insgemein von ge-
ſtreiftem Taffet und einem ziemlich langen ſeidnen Rock
oder Jupe, mit einer Schuͤrze, beyde ohne andre Ver-
zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben
dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder
geſtreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz iſt ſehr artig.
Die durchgehends pechſchwarzen Haare werden in ei-
nen Zopf zuſammengebunden; dieſer wird mit einem
weiſſen, rothen oder gruͤnen Bande dergeſtalt umwun-
den, daß die Haare zwiſchen zwey Umgaͤngen des
Bandes bloß bleiben; daraus entſtehen alſo bunte
ſchwarz und weiſſe, oder ſchwarz und rothe u. ſ. f. Zoͤ-
pfe, die ſo um die Schlaͤfe und Stirne herumgefuͤhrt
werden, daß ſie eine Krone um den Kopf herum bil-
den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei-
ne Volk beyderley Geſchlechts traͤgt, wenn es ſich nicht
putzen will, die Haare in einem gruͤnen Netze, wel-
ches ſtatt der Muͤtze dienet, und ganz loſe den Kopf
bedeckt. Dieſes Haarnetz iſt eine ſehr alte, und wo
ich mich recht beſinne, ſchon bey den alten Griechen ge-
braͤuchliche Tracht, die gegenwaͤrtig uͤberall laͤngſt der
dieſſeitigen Kuͤſte des mittellaͤndiſchen Meeres im Ge-
brauch iſt. Der Englaͤnder Twiß gedenkt derſelben
in ſeiner Reiſe durch Portugal und Spanien. Die
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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