Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
gethanen Reise.

Zu jeder Schicht sind Steine von einerley Größe
und Figur ausgesucht, und so eingemauert, daß sie
alle sich nach der rechten oder linken Seite neigen,
nämlich abwechselnd, eine Schicht rechts, die andre
links. Zwischen zwey solchen Schichten liegt allemal
eine Schicht dünner flachliegender Steine, und so wird
die Mauer durch ihre ganze Höhe fortgesetzt. Die
Häuser sind von außen nicht mit Kalk beworfen, außer
einer etwa zwey Fuß breiten Bande, die zwischen dem
untern und ersten Stock durch die ganze Faßade geht,
auf welcher Bande die vorher erwähnte Aufschrift
steht.

Die eigentlichen Bauerhäuser auf dieser ganzen
Straße sind alle massiv von Feldsteinen erbaut, aber
sehr klein und ärmlich. Sie haben keine Nebenge-
bäude, weder Scheunen noch Ställe, auch keine
Misthöfe. Man sieht ein so einzeln auf dem Felde
stehendes Haus von weitem für einen bis nahe an die
Erde abgetragenen alten Wachtthurm an, dergleichen
man in den nördlichen Provinzen Deutschlands oft an-
trifft. Scheunen haben diese Leute nicht nöthig, weil
sie kein Heu zu verwahren haben, und ihr weniges Ge-
traide gleich auf dem Felde, oder auf einem ebenen
Platze neben dem Hause austreten lassen. Das Korn
wird ins Haus getragen, und das Stroh um einen
Pfahl kegelförmig neben dem Hause aufgesetzt. Ein
oder zwey kleine Esel, auch allenfalls eine Kuh, wel-
ches den ganzen Viehstand eines solchen Bauern aus-
macht, werden leicht im Hause oder in einem kleinen
angebauten Verschlag untergebracht; und so wird der
weitläuftige deutsche Bauerhof hier in eine kleine stei-
nerne Hütte verwandelt.

Sonst
gethanen Reiſe.

Zu jeder Schicht ſind Steine von einerley Groͤße
und Figur ausgeſucht, und ſo eingemauert, daß ſie
alle ſich nach der rechten oder linken Seite neigen,
naͤmlich abwechſelnd, eine Schicht rechts, die andre
links. Zwiſchen zwey ſolchen Schichten liegt allemal
eine Schicht duͤnner flachliegender Steine, und ſo wird
die Mauer durch ihre ganze Hoͤhe fortgeſetzt. Die
Haͤuſer ſind von außen nicht mit Kalk beworfen, außer
einer etwa zwey Fuß breiten Bande, die zwiſchen dem
untern und erſten Stock durch die ganze Faßade geht,
auf welcher Bande die vorher erwaͤhnte Aufſchrift
ſteht.

Die eigentlichen Bauerhaͤuſer auf dieſer ganzen
Straße ſind alle maſſiv von Feldſteinen erbaut, aber
ſehr klein und aͤrmlich. Sie haben keine Nebenge-
baͤude, weder Scheunen noch Staͤlle, auch keine
Miſthoͤfe. Man ſieht ein ſo einzeln auf dem Felde
ſtehendes Haus von weitem fuͤr einen bis nahe an die
Erde abgetragenen alten Wachtthurm an, dergleichen
man in den noͤrdlichen Provinzen Deutſchlands oft an-
trifft. Scheunen haben dieſe Leute nicht noͤthig, weil
ſie kein Heu zu verwahren haben, und ihr weniges Ge-
traide gleich auf dem Felde, oder auf einem ebenen
Platze neben dem Hauſe austreten laſſen. Das Korn
wird ins Haus getragen, und das Stroh um einen
Pfahl kegelfoͤrmig neben dem Hauſe aufgeſetzt. Ein
oder zwey kleine Eſel, auch allenfalls eine Kuh, wel-
ches den ganzen Viehſtand eines ſolchen Bauern aus-
macht, werden leicht im Hauſe oder in einem kleinen
angebauten Verſchlag untergebracht; und ſo wird der
weitlaͤuftige deutſche Bauerhof hier in eine kleine ſtei-
nerne Huͤtte verwandelt.

Sonſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <pb facs="#f0111" n="91"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
          <p>Zu jeder Schicht &#x017F;ind Steine von einerley Gro&#x0364;ße<lb/>
und Figur ausge&#x017F;ucht, und &#x017F;o eingemauert, daß &#x017F;ie<lb/>
alle &#x017F;ich nach der rechten oder linken Seite neigen,<lb/>
na&#x0364;mlich abwech&#x017F;elnd, eine Schicht rechts, die andre<lb/>
links. Zwi&#x017F;chen zwey &#x017F;olchen Schichten liegt allemal<lb/>
eine Schicht du&#x0364;nner flachliegender Steine, und &#x017F;o wird<lb/>
die Mauer durch ihre ganze Ho&#x0364;he fortge&#x017F;etzt. Die<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;er &#x017F;ind von außen nicht mit Kalk beworfen, außer<lb/>
einer etwa zwey Fuß breiten Bande, die zwi&#x017F;chen dem<lb/>
untern und er&#x017F;ten Stock durch die ganze Faßade geht,<lb/>
auf welcher Bande die vorher erwa&#x0364;hnte Auf&#x017F;chrift<lb/>
&#x017F;teht.</p><lb/>
          <p>Die eigentlichen Bauerha&#x0364;u&#x017F;er auf die&#x017F;er ganzen<lb/>
Straße &#x017F;ind alle ma&#x017F;&#x017F;iv von Feld&#x017F;teinen erbaut, aber<lb/>
&#x017F;ehr klein und a&#x0364;rmlich. Sie haben keine Nebenge-<lb/>
ba&#x0364;ude, weder Scheunen noch Sta&#x0364;lle, auch keine<lb/>
Mi&#x017F;tho&#x0364;fe. Man &#x017F;ieht ein &#x017F;o einzeln auf dem Felde<lb/>
&#x017F;tehendes Haus von weitem fu&#x0364;r einen bis nahe an die<lb/>
Erde abgetragenen alten Wachtthurm an, dergleichen<lb/>
man in den no&#x0364;rdlichen Provinzen Deut&#x017F;chlands oft an-<lb/>
trifft. Scheunen haben die&#x017F;e Leute nicht no&#x0364;thig, weil<lb/>
&#x017F;ie kein Heu zu verwahren haben, und ihr weniges Ge-<lb/>
traide gleich auf dem Felde, oder auf einem ebenen<lb/>
Platze neben dem Hau&#x017F;e austreten la&#x017F;&#x017F;en. Das Korn<lb/>
wird ins Haus getragen, und das Stroh um einen<lb/>
Pfahl kegelfo&#x0364;rmig neben dem Hau&#x017F;e aufge&#x017F;etzt. Ein<lb/>
oder zwey kleine E&#x017F;el, auch allenfalls eine Kuh, wel-<lb/>
ches den ganzen Vieh&#x017F;tand eines &#x017F;olchen Bauern aus-<lb/>
macht, werden leicht im Hau&#x017F;e oder in einem kleinen<lb/>
angebauten Ver&#x017F;chlag untergebracht; und &#x017F;o wird der<lb/>
weitla&#x0364;uftige deut&#x017F;che Bauerhof hier in eine kleine &#x017F;tei-<lb/>
nerne Hu&#x0364;tte verwandelt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Son&#x017F;t</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0111] gethanen Reiſe. Zu jeder Schicht ſind Steine von einerley Groͤße und Figur ausgeſucht, und ſo eingemauert, daß ſie alle ſich nach der rechten oder linken Seite neigen, naͤmlich abwechſelnd, eine Schicht rechts, die andre links. Zwiſchen zwey ſolchen Schichten liegt allemal eine Schicht duͤnner flachliegender Steine, und ſo wird die Mauer durch ihre ganze Hoͤhe fortgeſetzt. Die Haͤuſer ſind von außen nicht mit Kalk beworfen, außer einer etwa zwey Fuß breiten Bande, die zwiſchen dem untern und erſten Stock durch die ganze Faßade geht, auf welcher Bande die vorher erwaͤhnte Aufſchrift ſteht. Die eigentlichen Bauerhaͤuſer auf dieſer ganzen Straße ſind alle maſſiv von Feldſteinen erbaut, aber ſehr klein und aͤrmlich. Sie haben keine Nebenge- baͤude, weder Scheunen noch Staͤlle, auch keine Miſthoͤfe. Man ſieht ein ſo einzeln auf dem Felde ſtehendes Haus von weitem fuͤr einen bis nahe an die Erde abgetragenen alten Wachtthurm an, dergleichen man in den noͤrdlichen Provinzen Deutſchlands oft an- trifft. Scheunen haben dieſe Leute nicht noͤthig, weil ſie kein Heu zu verwahren haben, und ihr weniges Ge- traide gleich auf dem Felde, oder auf einem ebenen Platze neben dem Hauſe austreten laſſen. Das Korn wird ins Haus getragen, und das Stroh um einen Pfahl kegelfoͤrmig neben dem Hauſe aufgeſetzt. Ein oder zwey kleine Eſel, auch allenfalls eine Kuh, wel- ches den ganzen Viehſtand eines ſolchen Bauern aus- macht, werden leicht im Hauſe oder in einem kleinen angebauten Verſchlag untergebracht; und ſo wird der weitlaͤuftige deutſche Bauerhof hier in eine kleine ſtei- nerne Huͤtte verwandelt. Sonſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/111
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/111>, abgerufen am 24.11.2024.