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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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des Schweizerlandes.
mit unserm Leibe nicht so starck coherirt, als das Wasser, weil die-
selbe uns vielweniger kalt vorkommt, als das Wasser, welches einen
gleichen Grad der Kälte hat.

Jch habe so wol hier an dem Pilatus-Berg, als auf der RigiVon der
Steile der
Bergen.

und andern Bergen gefunden, daß die Observation des jüngern Hrn.
Scheuchzers nicht allezeit eintrifft, daß die Berge gegen Norden
nicht so steil stehen, als gegen Mittag. S. Philosoph. Trans. n. 406.

Auf dem ersten Gipfel des Pilatus-Bergs, welcher zimlich hö-Allgemeine
Beschaffen-
heit der
Kräuter auf
dem Pilatus-
Berg.

her ist als die oberste Spitze der Rigi, gibt es noch zimlich hohes
Gras und safftige Pflanzen, auch einen sehr weichen wässerichten Torff-
Grund. Die Ursach davon ist ohne Zweifel diese, weil die Höhe
des Berges von der Nord-Seite gegen der Mittag-Seite etwas ab-
hangend ist, daß die rauhe Nord-Winde dieselbe nicht leicht bestrei-
chen können. Eben dieses ist auch von der Höhe der Tannen zu be-
mercken. An der Mittag- und Abend-Seite des Berges wachsen
in einer Höhe, die grösser ist als die gantze Höhe des Rigi-Bergs,
noch zimlich hohe Tann- und Foren-Bäume, da die Rigi obenher
überall kahl ist. Uberhaupt ist zu bemercken, daß der Pilatus-Berg
viel fruchtbarer und zahmer ist, als andre Berge von solcher Höhe
und Grösse zu seyn pflegen.

Wenn man von den obersten Gipfeln des Bergs wieder West-
Nord gegen das Eigenthal hinunter geht, so hat man auf der lincken
Seite ein Thal, durch welches man hinunter in das Unterwalder-
Land geht. Gehet man etliche hundert Schritte von dem Anfang
des Wegs nach Unterwalden gegen Abend fort, so kommt man inPilatus-
See.

ein kleines Tann-Wäldlein, in welchem der sogenannte Pilatus-See
liegt, der heut zu Tage fast überall trocken ist, wenn es lange nicht
geregnet hat. Wie berühmt dieser See bey den Seribenten ist, so
haben wir doch denselben kaum erfragen können, da von 5. oder 6.
Sennen, die wir gefraget, ein einiger war, der nur wußte, daß ein
See (wiewohl diese Pfütze, welche, wie man uns gesagt, nicht über
3. Schuhe tieff ist, diesen Namen nicht verdienet) hier ist. Weil es
schon zimlich späth war, so giengen wir diesen See vorbey, und stie-
gen durch den ziemlich gähen Berg, der hier ohne ordentliche Wege
ist, gegen Alpnach hinab, einem Flecken im Unterwalder-Land,
an einem Busen des Lucerner-Sees gelegen. Nachdem man ein
paar Stunden hinunter gestiegen, hat man eine vortrefliche Aussicht
über das schöne Unterwalder-Land. Wir stiegen zu Alpnach in ein

Schiff,
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des Schweizerlandes.
mit unſerm Leibe nicht ſo ſtarck coherirt, als das Waſſer, weil die-
ſelbe uns vielweniger kalt vorkommt, als das Waſſer, welches einen
gleichen Grad der Kaͤlte hat.

Jch habe ſo wol hier an dem Pilatus-Berg, als auf der RigiVon der
Steile der
Bergen.

und andern Bergen gefunden, daß die Obſervation des juͤngern Hrn.
Scheuchzers nicht allezeit eintrifft, daß die Berge gegen Norden
nicht ſo ſteil ſtehen, als gegen Mittag. S. Philoſoph. Tranſ. n. 406.

Auf dem erſten Gipfel des Pilatus-Bergs, welcher zimlich hoͤ-Allgemeine
Beſchaffen-
heit der
Kraͤuter auf
dem Pilatus-
Berg.

her iſt als die oberſte Spitze der Rigi, gibt es noch zimlich hohes
Gras und ſafftige Pflanzen, auch einen ſehr weichen waͤſſerichten Torff-
Grund. Die Urſach davon iſt ohne Zweifel dieſe, weil die Hoͤhe
des Berges von der Nord-Seite gegen der Mittag-Seite etwas ab-
hangend iſt, daß die rauhe Nord-Winde dieſelbe nicht leicht beſtrei-
chen koͤnnen. Eben dieſes iſt auch von der Hoͤhe der Tannen zu be-
mercken. An der Mittag- und Abend-Seite des Berges wachſen
in einer Hoͤhe, die groͤſſer iſt als die gantze Hoͤhe des Rigi-Bergs,
noch zimlich hohe Tann- und Foren-Baͤume, da die Rigi obenher
uͤberall kahl iſt. Uberhaupt iſt zu bemercken, daß der Pilatus-Berg
viel fruchtbarer und zahmer iſt, als andre Berge von ſolcher Hoͤhe
und Groͤſſe zu ſeyn pflegen.

Wenn man von den oberſten Gipfeln des Bergs wieder Weſt-
Nord gegen das Eigenthal hinunter geht, ſo hat man auf der lincken
Seite ein Thal, durch welches man hinunter in das Unterwalder-
Land geht. Gehet man etliche hundert Schritte von dem Anfang
des Wegs nach Unterwalden gegen Abend fort, ſo kommt man inPilatus-
See.

ein kleines Tann-Waͤldlein, in welchem der ſogenannte Pilatus-See
liegt, der heut zu Tage faſt uͤberall trocken iſt, wenn es lange nicht
geregnet hat. Wie beruͤhmt dieſer See bey den Seribenten iſt, ſo
haben wir doch denſelben kaum erfragen koͤnnen, da von 5. oder 6.
Sennen, die wir gefraget, ein einiger war, der nur wußte, daß ein
See (wiewohl dieſe Pfuͤtze, welche, wie man uns geſagt, nicht uͤber
3. Schuhe tieff iſt, dieſen Namen nicht verdienet) hier iſt. Weil es
ſchon zimlich ſpaͤth war, ſo giengen wir dieſen See vorbey, und ſtie-
gen durch den ziemlich gaͤhen Berg, der hier ohne ordentliche Wege
iſt, gegen Alpnach hinab, einem Flecken im Unterwalder-Land,
an einem Buſen des Lucerner-Sees gelegen. Nachdem man ein
paar Stunden hinunter geſtiegen, hat man eine vortrefliche Ausſicht
uͤber das ſchoͤne Unterwalder-Land. Wir ſtiegen zu Alpnach in ein

Schiff,
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[43/0049] des Schweizerlandes. mit unſerm Leibe nicht ſo ſtarck coherirt, als das Waſſer, weil die- ſelbe uns vielweniger kalt vorkommt, als das Waſſer, welches einen gleichen Grad der Kaͤlte hat. Jch habe ſo wol hier an dem Pilatus-Berg, als auf der Rigi und andern Bergen gefunden, daß die Obſervation des juͤngern Hrn. Scheuchzers nicht allezeit eintrifft, daß die Berge gegen Norden nicht ſo ſteil ſtehen, als gegen Mittag. S. Philoſoph. Tranſ. n. 406. Von der Steile der Bergen. Auf dem erſten Gipfel des Pilatus-Bergs, welcher zimlich hoͤ- her iſt als die oberſte Spitze der Rigi, gibt es noch zimlich hohes Gras und ſafftige Pflanzen, auch einen ſehr weichen waͤſſerichten Torff- Grund. Die Urſach davon iſt ohne Zweifel dieſe, weil die Hoͤhe des Berges von der Nord-Seite gegen der Mittag-Seite etwas ab- hangend iſt, daß die rauhe Nord-Winde dieſelbe nicht leicht beſtrei- chen koͤnnen. Eben dieſes iſt auch von der Hoͤhe der Tannen zu be- mercken. An der Mittag- und Abend-Seite des Berges wachſen in einer Hoͤhe, die groͤſſer iſt als die gantze Hoͤhe des Rigi-Bergs, noch zimlich hohe Tann- und Foren-Baͤume, da die Rigi obenher uͤberall kahl iſt. Uberhaupt iſt zu bemercken, daß der Pilatus-Berg viel fruchtbarer und zahmer iſt, als andre Berge von ſolcher Hoͤhe und Groͤſſe zu ſeyn pflegen. Allgemeine Beſchaffen- heit der Kraͤuter auf dem Pilatus- Berg. Wenn man von den oberſten Gipfeln des Bergs wieder Weſt- Nord gegen das Eigenthal hinunter geht, ſo hat man auf der lincken Seite ein Thal, durch welches man hinunter in das Unterwalder- Land geht. Gehet man etliche hundert Schritte von dem Anfang des Wegs nach Unterwalden gegen Abend fort, ſo kommt man in ein kleines Tann-Waͤldlein, in welchem der ſogenannte Pilatus-See liegt, der heut zu Tage faſt uͤberall trocken iſt, wenn es lange nicht geregnet hat. Wie beruͤhmt dieſer See bey den Seribenten iſt, ſo haben wir doch denſelben kaum erfragen koͤnnen, da von 5. oder 6. Sennen, die wir gefraget, ein einiger war, der nur wußte, daß ein See (wiewohl dieſe Pfuͤtze, welche, wie man uns geſagt, nicht uͤber 3. Schuhe tieff iſt, dieſen Namen nicht verdienet) hier iſt. Weil es ſchon zimlich ſpaͤth war, ſo giengen wir dieſen See vorbey, und ſtie- gen durch den ziemlich gaͤhen Berg, der hier ohne ordentliche Wege iſt, gegen Alpnach hinab, einem Flecken im Unterwalder-Land, an einem Buſen des Lucerner-Sees gelegen. Nachdem man ein paar Stunden hinunter geſtiegen, hat man eine vortrefliche Ausſicht uͤber das ſchoͤne Unterwalder-Land. Wir ſtiegen zu Alpnach in ein Schiff, Pilatus- See. F 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/49>, abgerufen am 29.03.2024.