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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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des Menschlichen Geschlechts.
§. 12.

Von der Hungers-Noth habe nicht Ursache
vieles zu erinnern, weil von selbst erhellet, wie groß
der Schade seyn müste, wenn ein allgemeiner Miß-
wachs entstehen solte. Es ist eine besondere Gna-
de, daß dergleichen selten kommt. Mehrentheils
pflegt der Hunger den Krieg oder auch die Pest [x]
zu begleiten, und deren Schaden zu vergrössern.
Die Hungers-Noth in Franckreich gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts, ist merckwürdig, theils wegen
ihrer Ursach, indem nach dem Bericht einiger Fran-
tzosen, die ich selbst darüber gesprochen, ein sehr star-
cker und giftiger Reif das Geträyde befallen, da es
angefangen Körner zu setzen, wodurch es zusammen
geklebet, daß es nicht weiter treiben können; theils ist
sie merckwürdig wegen ihrer Würckung, weil sie
nach dem vorangeführten Briefe an 2. Millionen
Menschen soll hingerissen haben. Das so volck-
reiche China, wo die Pest, so wie in andern Theilen
von Ost-Indien, fast unbekandt, hat durch Hunger
einige mahl sehr viel erlitten. Im Jahr 1504. kam
es so weit, daß die Väter die Kinder gefressen. Du
Halde sagt, daß China seines Uberflusses und
Fruchtbarkeit ohnerachtet, dennoch auf gewisse Wei-
se arm zu nennen, weil das Land kaum hinreiche,
seine Einwohner zu ernähren, daher denn bey einen
Mißwachs so viele Leute in Gefahr stehen, [y] um-

zukom-
[x] Kundmanni Rar. nat. & artis l. c. Die Pest war in
denen Jahren 1706-11. in Pohlen, Litthauen, Liefland, Curland
etc. desto erschröcklicher, weil an vielen Orten zugleich Krieg
und Hungers Noth war.
[y] Du Halde Description de la Chine. Tom. 1. p. 74. p. 516.
Tom. 2. p. 145. edit. de Paris.
C 5
des Menſchlichen Geſchlechts.
§. 12.

Von der Hungers-Noth habe nicht Urſache
vieles zu erinnern, weil von ſelbſt erhellet, wie groß
der Schade ſeyn muͤſte, wenn ein allgemeiner Miß-
wachs entſtehen ſolte. Es iſt eine beſondere Gna-
de, daß dergleichen ſelten kommt. Mehrentheils
pflegt der Hunger den Krieg oder auch die Peſt [x]
zu begleiten, und deren Schaden zu vergroͤſſern.
Die Hungers-Noth in Franckreich gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts, iſt merckwuͤrdig, theils wegen
ihrer Urſach, indem nach dem Bericht einiger Fran-
tzoſen, die ich ſelbſt daruͤber geſprochen, ein ſehr ſtar-
cker und giftiger Reif das Getraͤyde befallen, da es
angefangen Koͤrner zu ſetzen, wodurch es zuſammen
geklebet, daß es nicht weiter treiben koͤnnen; theils iſt
ſie merckwuͤrdig wegen ihrer Wuͤrckung, weil ſie
nach dem vorangefuͤhrten Briefe an 2. Millionen
Menſchen ſoll hingeriſſen haben. Das ſo volck-
reiche China, wo die Peſt, ſo wie in andern Theilen
von Oſt-Indien, faſt unbekandt, hat durch Hunger
einige mahl ſehr viel erlitten. Im Jahr 1504. kam
es ſo weit, daß die Vaͤter die Kinder gefreſſen. Du
Halde ſagt, daß China ſeines Uberfluſſes und
Fruchtbarkeit ohnerachtet, dennoch auf gewiſſe Wei-
ſe arm zu nennen, weil das Land kaum hinreiche,
ſeine Einwohner zu ernaͤhren, daher denn bey einen
Mißwachs ſo viele Leute in Gefahr ſtehen, [y] um-

zukom-
[x] Kundmanni Rar. nat. & artis l. c. Die Peſt war in
denen Jahren 1706-11. in Pohlen, Litthauen, Liefland, Curland
ꝛc. deſto erſchroͤcklicher, weil an vielen Orten zugleich Krieg
und Hungers Noth war.
[y] Du Halde Deſcription de la Chine. Tom. 1. p. 74. p. 516.
Tom. 2. p. 145. edit. de Paris.
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[41/0087] des Menſchlichen Geſchlechts. §. 12. Von der Hungers-Noth habe nicht Urſache vieles zu erinnern, weil von ſelbſt erhellet, wie groß der Schade ſeyn muͤſte, wenn ein allgemeiner Miß- wachs entſtehen ſolte. Es iſt eine beſondere Gna- de, daß dergleichen ſelten kommt. Mehrentheils pflegt der Hunger den Krieg oder auch die Peſt [x] zu begleiten, und deren Schaden zu vergroͤſſern. Die Hungers-Noth in Franckreich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, iſt merckwuͤrdig, theils wegen ihrer Urſach, indem nach dem Bericht einiger Fran- tzoſen, die ich ſelbſt daruͤber geſprochen, ein ſehr ſtar- cker und giftiger Reif das Getraͤyde befallen, da es angefangen Koͤrner zu ſetzen, wodurch es zuſammen geklebet, daß es nicht weiter treiben koͤnnen; theils iſt ſie merckwuͤrdig wegen ihrer Wuͤrckung, weil ſie nach dem vorangefuͤhrten Briefe an 2. Millionen Menſchen ſoll hingeriſſen haben. Das ſo volck- reiche China, wo die Peſt, ſo wie in andern Theilen von Oſt-Indien, faſt unbekandt, hat durch Hunger einige mahl ſehr viel erlitten. Im Jahr 1504. kam es ſo weit, daß die Vaͤter die Kinder gefreſſen. Du Halde ſagt, daß China ſeines Uberfluſſes und Fruchtbarkeit ohnerachtet, dennoch auf gewiſſe Wei- ſe arm zu nennen, weil das Land kaum hinreiche, ſeine Einwohner zu ernaͤhren, daher denn bey einen Mißwachs ſo viele Leute in Gefahr ſtehen, [y] um- zukom- [x] Kundmanni Rar. nat. & artis l. c. Die Peſt war in denen Jahren 1706-11. in Pohlen, Litthauen, Liefland, Curland ꝛc. deſto erſchroͤcklicher, weil an vielen Orten zugleich Krieg und Hungers Noth war. [y] Du Halde Deſcription de la Chine. Tom. 1. p. 74. p. 516. Tom. 2. p. 145. edit. de Paris. C 5

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/87>, abgerufen am 27.11.2024.