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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Von der Vermehrung
und es denen Göttlichen Absichten zuwieder läuf-
fet, daß der Erdboden leer bleibe, der zum Auffent-
halt vernünftiger Geschöpfe bestimmet ist: so glau-
be berechtiget zu seyn, die (§. 1.) gemachte Anmer-
ckung, und die daher geleitete Vermehrung als et-
was allgemeines anzunehmen.

Durch die vieljährigen Listen unserer Lande
fällt also Riccioli [c] Meynung weg, die er aus der
Vergleichung der Gebohrnen und Gestorbenen in
Bononien und Florentz, in etlichen Jahren, herge-
nommen. Er glaubt, daß die Zahl der Menschen
in Städten und auf dem Lande gleich groß bleibe,
wenn nicht Krieg, Hunger und Pest dazu kommen.
Der bekandte Bayle [d] hat eben die Meynung,
und glaubt, man werde ihm gar leicht zugestehen,
daß wenigstens innerhalb 20. Jahren eben so viel
sterben als gebohren werden, und daß zum Ex. in
Franckreich oder auch in Engelland anjetzo nicht so
viel Menschen sind als im vorigen Jahrhundert, da
man sich hingegen vor Alters von der überflüßigen
Menge durch Colonien entledigen müssen. Daß in
20. Jahren so viel sterben als gebohren werden,
ist wieder die Erfahrung. Daß Franckreich da-
mahls nicht so volckreich gewesen als ehedem, kan
vom Krieg und Pest herkommen. Jedoch dünckt
mich, daß man von dem Uberfluß in denen älte-
sten Zeiten sich einen rechten Begriff machen müsse.
Der König Ambigatus schickte 2 ansehnliche Colo-
nien aus Franckreich, weil er sich nicht getrauete

mit
[c] Geographia reform. l. 12. append. Coroll. 2. p. 634. ed.
Bonon.
[d] Oeuvres Vol. 1. p. 207. oder in Nouvelles de la rep. des
lettres 1685. Janv. art.
8.

Von der Vermehrung
und es denen Goͤttlichen Abſichten zuwieder laͤuf-
fet, daß der Erdboden leer bleibe, der zum Auffent-
halt vernuͤnftiger Geſchoͤpfe beſtimmet iſt: ſo glau-
be berechtiget zu ſeyn, die (§. 1.) gemachte Anmer-
ckung, und die daher geleitete Vermehrung als et-
was allgemeines anzunehmen.

Durch die vieljaͤhrigen Liſten unſerer Lande
faͤllt alſo Riccioli [c] Meynung weg, die er aus der
Vergleichung der Gebohrnen und Geſtorbenen in
Bononien und Florentz, in etlichen Jahren, herge-
nommen. Er glaubt, daß die Zahl der Menſchen
in Staͤdten und auf dem Lande gleich groß bleibe,
wenn nicht Krieg, Hunger und Peſt dazu kommen.
Der bekandte Bayle [d] hat eben die Meynung,
und glaubt, man werde ihm gar leicht zugeſtehen,
daß wenigſtens innerhalb 20. Jahren eben ſo viel
ſterben als gebohren werden, und daß zum Ex. in
Franckreich oder auch in Engelland anjetzo nicht ſo
viel Menſchen ſind als im vorigen Jahrhundert, da
man ſich hingegen vor Alters von der uͤberfluͤßigen
Menge durch Colonien entledigen muͤſſen. Daß in
20. Jahren ſo viel ſterben als gebohren werden,
iſt wieder die Erfahrung. Daß Franckreich da-
mahls nicht ſo volckreich geweſen als ehedem, kan
vom Krieg und Peſt herkommen. Jedoch duͤnckt
mich, daß man von dem Uberfluß in denen aͤlte-
ſten Zeiten ſich einen rechten Begriff machen muͤſſe.
Der Koͤnig Ambigatus ſchickte 2 anſehnliche Colo-
nien aus Franckreich, weil er ſich nicht getrauete

mit
[c] Geographia reform. l. 12. append. Coroll. 2. p. 634. ed.
Bonon.
[d] Oeuvres Vol. 1. p. 207. oder in Nouvelles de la rep. des
lettres 1685. Janv. art.
8.
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[4/0050] Von der Vermehrung und es denen Goͤttlichen Abſichten zuwieder laͤuf- fet, daß der Erdboden leer bleibe, der zum Auffent- halt vernuͤnftiger Geſchoͤpfe beſtimmet iſt: ſo glau- be berechtiget zu ſeyn, die (§. 1.) gemachte Anmer- ckung, und die daher geleitete Vermehrung als et- was allgemeines anzunehmen. Durch die vieljaͤhrigen Liſten unſerer Lande faͤllt alſo Riccioli [c] Meynung weg, die er aus der Vergleichung der Gebohrnen und Geſtorbenen in Bononien und Florentz, in etlichen Jahren, herge- nommen. Er glaubt, daß die Zahl der Menſchen in Staͤdten und auf dem Lande gleich groß bleibe, wenn nicht Krieg, Hunger und Peſt dazu kommen. Der bekandte Bayle [d] hat eben die Meynung, und glaubt, man werde ihm gar leicht zugeſtehen, daß wenigſtens innerhalb 20. Jahren eben ſo viel ſterben als gebohren werden, und daß zum Ex. in Franckreich oder auch in Engelland anjetzo nicht ſo viel Menſchen ſind als im vorigen Jahrhundert, da man ſich hingegen vor Alters von der uͤberfluͤßigen Menge durch Colonien entledigen muͤſſen. Daß in 20. Jahren ſo viel ſterben als gebohren werden, iſt wieder die Erfahrung. Daß Franckreich da- mahls nicht ſo volckreich geweſen als ehedem, kan vom Krieg und Peſt herkommen. Jedoch duͤnckt mich, daß man von dem Uberfluß in denen aͤlte- ſten Zeiten ſich einen rechten Begriff machen muͤſſe. Der Koͤnig Ambigatus ſchickte 2 anſehnliche Colo- nien aus Franckreich, weil er ſich nicht getrauete mit [c] Geographia reform. l. 12. append. Coroll. 2. p. 634. ed. Bonon. [d] Oeuvres Vol. 1. p. 207. oder in Nouvelles de la rep. des lettres 1685. Janv. art. 8.

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/50>, abgerufen am 25.04.2024.