Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Gebrauch der Todten-Listen

Wien gezogen. Ich will etwas zur Probe anfüh-
ren, wie er seine Sache bewiesen. Das alte Rom
hatte nach dem Lipsio 50 tausend Schritt im Um-
fang, das jetzige nur 22 tausend, nach dem Frölichio
aber, der nach dem Lipsio geschrieben, hat es nur
20 tausend. Also ist Wien grösser als Rom. Con-
stantinopel ist nach dem Lipsio so groß als Rom,
folglich kleiner als Wien. Venedig hat nur 8000
Schritt, also ist Wien grösser als alle Städte Ita-
liens. Paris hat nach dem Nicolosio, Magino,
und Frölichio 500 tausend Einwohner, Wien aber
hat sechse. Dis ist daher zu schliessen, weil allein
in der Vorstadt zu St. Ulrich vor nicht langer Zeit
45 tausend Seelen sind gezehlet worden. So macht
er es in Vergleichung mit Lissabon, Goa, Cairo,
dem alten Persepolis und Tauris. Das eintzige
alte Babylon bleibt übrig, dem er den Vorzug in
der Grösse zugestehen muß, weil es nach dem Kir-
chero in turri Babel l. 2. Sect. 2. 365 Stadia oder
45615 Schritte, und dabey hohe und kosibahre Ge-
bäude gehabt so wie Wien. Allein er hilft sich auf
die Weise. Wien hat unter dem Kayser Ferdi-
nando II. nur 80 tausend Einwohner gehabt, jetzt
aber 600 tausend, fast 8 mahl mehr. Wenn es
sich nun in denen folgenden 70 Jahren eben so starck
noch vermehret, so würden nach deren Ablauf 3 Mil-
lionen und 900 tausend Einwohner sich befinden.
Weil es nun nicht mehr, als es jetzo hat, beherber-
gen kan, so muß es auch in Proportion derselben
erweitert werden, folglich muß es nach 70 Jahren
71/2 mahl grösser seyn, und also 136395 Schritte im
Umfange haben, und daher grösser werden als Ba-
bylon. Das heißt Wiens Ehre und Vorzüge be-

wiesen.

Gebrauch der Todten-Liſten

Wien gezogen. Ich will etwas zur Probe anfuͤh-
ren, wie er ſeine Sache bewieſen. Das alte Rom
hatte nach dem Lipſio 50 tauſend Schritt im Um-
fang, das jetzige nur 22 tauſend, nach dem Froͤlichio
aber, der nach dem Lipſio geſchrieben, hat es nur
20 tauſend. Alſo iſt Wien groͤſſer als Rom. Con-
ſtantinopel iſt nach dem Lipſio ſo groß als Rom,
folglich kleiner als Wien. Venedig hat nur 8000
Schritt, alſo iſt Wien groͤſſer als alle Staͤdte Ita-
liens. Paris hat nach dem Nicoloſio, Magino,
und Frölichio 500 tauſend Einwohner, Wien aber
hat ſechſe. Dis iſt daher zu ſchlieſſen, weil allein
in der Vorſtadt zu St. Ulrich vor nicht langer Zeit
45 tauſend Seelen ſind gezehlet worden. So macht
er es in Vergleichung mit Liſſabon, Goa, Cairo,
dem alten Perſepolis und Tauris. Das eintzige
alte Babylon bleibt uͤbrig, dem er den Vorzug in
der Groͤſſe zugeſtehen muß, weil es nach dem Kir-
chero in turri Babel l. 2. Sect. 2. 365 Stadia oder
45615 Schritte, und dabey hohe und koſibahre Ge-
baͤude gehabt ſo wie Wien. Allein er hilft ſich auf
die Weiſe. Wien hat unter dem Kayſer Ferdi-
nando II. nur 80 tauſend Einwohner gehabt, jetzt
aber 600 tauſend, faſt 8 mahl mehr. Wenn es
ſich nun in denen folgenden 70 Jahren eben ſo ſtarck
noch vermehret, ſo wuͤrden nach deren Ablauf 3 Mil-
lionen und 900 tauſend Einwohner ſich befinden.
Weil es nun nicht mehr, als es jetzo hat, beherber-
gen kan, ſo muß es auch in Proportion derſelben
erweitert werden, folglich muß es nach 70 Jahren
7½ mahl groͤſſer ſeyn, und alſo 136395 Schritte im
Umfange haben, und daher groͤſſer werden als Ba-
bylon. Das heißt Wiens Ehre und Vorzuͤge be-

wieſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0374" n="326"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gebrauch der Todten-Li&#x017F;ten</hi></fw><lb/>
Wien gezogen. Ich will etwas zur Probe anfu&#x0364;h-<lb/>
ren, wie er &#x017F;eine Sache bewie&#x017F;en. Das alte Rom<lb/>
hatte nach dem Lip&#x017F;io 50 tau&#x017F;end Schritt im Um-<lb/>
fang, das jetzige nur 22 tau&#x017F;end, nach dem Fro&#x0364;lichio<lb/>
aber, der nach dem Lip&#x017F;io ge&#x017F;chrieben, hat es nur<lb/>
20 tau&#x017F;end. Al&#x017F;o i&#x017F;t Wien gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als Rom. Con-<lb/>
&#x017F;tantinopel i&#x017F;t nach dem Lip&#x017F;io &#x017F;o groß als Rom,<lb/>
folglich kleiner als Wien. Venedig hat nur 8000<lb/>
Schritt, al&#x017F;o i&#x017F;t Wien gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als alle Sta&#x0364;dte Ita-<lb/>
liens. Paris hat nach dem <hi rendition="#aq">Nicolo&#x017F;io, Magino,</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Frölichio</hi> 500 tau&#x017F;end Einwohner, Wien aber<lb/>
hat &#x017F;ech&#x017F;e. Dis i&#x017F;t daher zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, weil allein<lb/>
in der Vor&#x017F;tadt zu St. Ulrich vor nicht langer Zeit<lb/>
45 tau&#x017F;end Seelen &#x017F;ind gezehlet worden. So macht<lb/>
er es in Vergleichung mit Li&#x017F;&#x017F;abon, Goa, Cairo,<lb/>
dem alten Per&#x017F;epolis und Tauris. Das eintzige<lb/>
alte Babylon bleibt u&#x0364;brig, dem er den Vorzug in<lb/>
der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zuge&#x017F;tehen muß, weil es nach dem <hi rendition="#aq">Kir-<lb/>
chero in turri Babel l. 2. Sect.</hi> 2. 365 Stadia oder<lb/>
45615 Schritte, und dabey hohe und ko&#x017F;ibahre Ge-<lb/>
ba&#x0364;ude gehabt &#x017F;o wie Wien. Allein er hilft &#x017F;ich auf<lb/>
die Wei&#x017F;e. Wien hat unter dem Kay&#x017F;er Ferdi-<lb/>
nando <hi rendition="#aq">II.</hi> nur 80 tau&#x017F;end Einwohner gehabt, jetzt<lb/>
aber 600 tau&#x017F;end, fa&#x017F;t 8 mahl mehr. Wenn es<lb/>
&#x017F;ich nun in denen folgenden 70 Jahren eben &#x017F;o &#x017F;tarck<lb/>
noch vermehret, &#x017F;o wu&#x0364;rden nach deren Ablauf 3 Mil-<lb/>
lionen und 900 tau&#x017F;end Einwohner &#x017F;ich befinden.<lb/>
Weil es nun nicht mehr, als es jetzo hat, beherber-<lb/>
gen kan, &#x017F;o muß es auch in Proportion der&#x017F;elben<lb/>
erweitert werden, folglich muß es nach 70 Jahren<lb/>
7½ mahl gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn, und al&#x017F;o 136395 Schritte im<lb/>
Umfange haben, und daher gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er werden als Ba-<lb/>
bylon. Das heißt Wiens Ehre und Vorzu&#x0364;ge be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie&#x017F;en.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[326/0374] Gebrauch der Todten-Liſten Wien gezogen. Ich will etwas zur Probe anfuͤh- ren, wie er ſeine Sache bewieſen. Das alte Rom hatte nach dem Lipſio 50 tauſend Schritt im Um- fang, das jetzige nur 22 tauſend, nach dem Froͤlichio aber, der nach dem Lipſio geſchrieben, hat es nur 20 tauſend. Alſo iſt Wien groͤſſer als Rom. Con- ſtantinopel iſt nach dem Lipſio ſo groß als Rom, folglich kleiner als Wien. Venedig hat nur 8000 Schritt, alſo iſt Wien groͤſſer als alle Staͤdte Ita- liens. Paris hat nach dem Nicoloſio, Magino, und Frölichio 500 tauſend Einwohner, Wien aber hat ſechſe. Dis iſt daher zu ſchlieſſen, weil allein in der Vorſtadt zu St. Ulrich vor nicht langer Zeit 45 tauſend Seelen ſind gezehlet worden. So macht er es in Vergleichung mit Liſſabon, Goa, Cairo, dem alten Perſepolis und Tauris. Das eintzige alte Babylon bleibt uͤbrig, dem er den Vorzug in der Groͤſſe zugeſtehen muß, weil es nach dem Kir- chero in turri Babel l. 2. Sect. 2. 365 Stadia oder 45615 Schritte, und dabey hohe und koſibahre Ge- baͤude gehabt ſo wie Wien. Allein er hilft ſich auf die Weiſe. Wien hat unter dem Kayſer Ferdi- nando II. nur 80 tauſend Einwohner gehabt, jetzt aber 600 tauſend, faſt 8 mahl mehr. Wenn es ſich nun in denen folgenden 70 Jahren eben ſo ſtarck noch vermehret, ſo wuͤrden nach deren Ablauf 3 Mil- lionen und 900 tauſend Einwohner ſich befinden. Weil es nun nicht mehr, als es jetzo hat, beherber- gen kan, ſo muß es auch in Proportion derſelben erweitert werden, folglich muß es nach 70 Jahren 7½ mahl groͤſſer ſeyn, und alſo 136395 Schritte im Umfange haben, und daher groͤſſer werden als Ba- bylon. Das heißt Wiens Ehre und Vorzuͤge be- wieſen.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/374
Zitationshilfe:	Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/374>, abgerufen am 18.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.