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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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und ihrer Verhältniß.
Kind bewiesen werden, weil es durch den geringsten
Stoß oder Fall, sonderlich auf dem Kopf, kan
dumm und unempfindlich, oder auf andere Weise
elend gemacht werden? Doch ich kan von dieser
Materie noch nicht abkommen, denn es scheinet mir
gar zu unnatürlich, daß eine Frau, die ein Kind, so
ein Theil von ihr selbst, neun Monath ernähret hat,
nicht ein Verlangen haben solte fernere Nahrung
selbigem zu geben, nach dem es an das Tages Licht
gebracht, und sich vor ihren Augen befindet, ja wenn
es sie durch sein Geschrey um derselben Beystand und
Beobachtung der mütterlichen Pflicht anflehet.
Nehmen sich nicht die wildesten Thiere ihrer Jun-
gen mit aller möglichsten Sorge an und warten ih-
rer mit Vergnügen? Wie kann die eine Mutter
heissen, die ihr kleines Kind nicht ernähren will?
Die Erde heißt eine Mutter aller Dinge, nicht weil
sie selbige hervor bringt, sondern weil sie das was
sie hervor bringt, erhält und ernähret. Die Erzeu-
gung eines Kindes ist ein Erfolg der Begierden,
aber die Sorge für dasselbe ist ein Beweiß-
thum der Tugend
und der Wahl. Ich weiß
wohl daß es einige Fälle gibt, da eine Mutter ihr
Kind nicht säugen kan, und da man aus 2 Ubeln
das geringste wehlen muß: aber selbige sind so sehr
wenig, daß ich sicher glaube, daß unter tausend
kaum einer zum würcklichen Einwurf kan gebraucht
werden. So aber, wenn eine Frau nur weiß, daß
der Mann einen Thaler übrig hat, sucht sie mit
Hülffe ihrer Frau Gevatterin gar bald dem guten
Mann weiß zu machen, daß eine Amme nöthig sey,
und sie wissen ihn durch eine vorgegebene Indispost-
tion der Mutter zu betrügen. Auf die Weise wird

die

und ihrer Verhaͤltniß.
Kind bewieſen werden, weil es durch den geringſten
Stoß oder Fall, ſonderlich auf dem Kopf, kan
dumm und unempfindlich, oder auf andere Weiſe
elend gemacht werden? Doch ich kan von dieſer
Materie noch nicht abkommen, denn es ſcheinet mir
gar zu unnatuͤrlich, daß eine Frau, die ein Kind, ſo
ein Theil von ihr ſelbſt, neun Monath ernaͤhret hat,
nicht ein Verlangen haben ſolte fernere Nahrung
ſelbigem zu geben, nach dem es an das Tages Licht
gebracht, und ſich vor ihren Augen befindet, ja wenn
es ſie durch ſein Geſchrey um derſelben Beyſtand und
Beobachtung der muͤtterlichen Pflicht anflehet.
Nehmen ſich nicht die wildeſten Thiere ihrer Jun-
gen mit aller moͤglichſten Sorge an und warten ih-
rer mit Vergnuͤgen? Wie kann die eine Mutter
heiſſen, die ihr kleines Kind nicht ernaͤhren will?
Die Erde heißt eine Mutter aller Dinge, nicht weil
ſie ſelbige hervor bringt, ſondern weil ſie das was
ſie hervor bringt, erhaͤlt und ernaͤhret. Die Erzeu-
gung eines Kindes iſt ein Erfolg der Begierden,
aber die Sorge fuͤr daſſelbe iſt ein Beweiß-
thum der Tugend
und der Wahl. Ich weiß
wohl daß es einige Faͤlle gibt, da eine Mutter ihr
Kind nicht ſaͤugen kan, und da man aus 2 Ubeln
das geringſte wehlen muß: aber ſelbige ſind ſo ſehr
wenig, daß ich ſicher glaube, daß unter tauſend
kaum einer zum wuͤrcklichen Einwurf kan gebraucht
werden. So aber, wenn eine Frau nur weiß, daß
der Mann einen Thaler uͤbrig hat, ſucht ſie mit
Huͤlffe ihrer Frau Gevatterin gar bald dem guten
Mann weiß zu machen, daß eine Amme noͤthig ſey,
und ſie wiſſen ihn durch eine vorgegebene Indiſpoſt-
tion der Mutter zu betruͤgen. Auf die Weiſe wird

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[287/0335] und ihrer Verhaͤltniß. Kind bewieſen werden, weil es durch den geringſten Stoß oder Fall, ſonderlich auf dem Kopf, kan dumm und unempfindlich, oder auf andere Weiſe elend gemacht werden? Doch ich kan von dieſer Materie noch nicht abkommen, denn es ſcheinet mir gar zu unnatuͤrlich, daß eine Frau, die ein Kind, ſo ein Theil von ihr ſelbſt, neun Monath ernaͤhret hat, nicht ein Verlangen haben ſolte fernere Nahrung ſelbigem zu geben, nach dem es an das Tages Licht gebracht, und ſich vor ihren Augen befindet, ja wenn es ſie durch ſein Geſchrey um derſelben Beyſtand und Beobachtung der muͤtterlichen Pflicht anflehet. Nehmen ſich nicht die wildeſten Thiere ihrer Jun- gen mit aller moͤglichſten Sorge an und warten ih- rer mit Vergnuͤgen? Wie kann die eine Mutter heiſſen, die ihr kleines Kind nicht ernaͤhren will? Die Erde heißt eine Mutter aller Dinge, nicht weil ſie ſelbige hervor bringt, ſondern weil ſie das was ſie hervor bringt, erhaͤlt und ernaͤhret. Die Erzeu- gung eines Kindes iſt ein Erfolg der Begierden, aber die Sorge fuͤr daſſelbe iſt ein Beweiß- thum der Tugend und der Wahl. Ich weiß wohl daß es einige Faͤlle gibt, da eine Mutter ihr Kind nicht ſaͤugen kan, und da man aus 2 Ubeln das geringſte wehlen muß: aber ſelbige ſind ſo ſehr wenig, daß ich ſicher glaube, daß unter tauſend kaum einer zum wuͤrcklichen Einwurf kan gebraucht werden. So aber, wenn eine Frau nur weiß, daß der Mann einen Thaler uͤbrig hat, ſucht ſie mit Huͤlffe ihrer Frau Gevatterin gar bald dem guten Mann weiß zu machen, daß eine Amme noͤthig ſey, und ſie wiſſen ihn durch eine vorgegebene Indiſpoſt- tion der Mutter zu betruͤgen. Auf die Weiſe wird die

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/335>, abgerufen am 24.11.2024.