ner 114, einer 115, einer 120 und einer 125 Jahre erreichet. Ich könte gar leicht mehr dergleichen Macrobios aus denen alten und neuern Zeiten an- führen, wenn es mein Zweck verstattete.
Deren Anzahl aber ist schon etwas grösser, die hundert Jahre überleben und kommen überall jähr- lich dergleichen vor. In der Londner Summe (p. 212.) waren 86, in der Wiener 13 hundert- jährige und drüber. Unter denen 56341 im Jahr 1718 in unsern Landen gestorbenen waren 32 über hundert Jahr. Also kämen in Wien unter hun- dert tausend 96, in unsern Landen 56, und in Lon- don nur 32 hundertjährige und drüber. Oder in Wien war einer unter tausend, bey uns einer unter 18 hundert und in London unter 3100 nur einer, der hundert und mehr Jahr alt geworden. Lässet sich aber aus so wenigen Exempeln wohl schliessen, daß Wien bequehmer sey ein so hohes Alter zu er- reichen als London? ich mag es nicht thun, zumahl da in Wien viel Clöster, die dazu vornemlich ge- schickt sind, daß man darinn Versuche von dem möglichen Alter eines Menschen anstellen kan. Die meisten kommen in ihrer Jugend zum Closter-Leben, ehe sie angefangen durch Unmäßigkeit ihre Kräfte zu schwächen. Wenn sie nun so keusch und züch- tig leben als sie sollen, und sich nicht durch einen Lutrin oder andere Kleinigkeiten lassen in Affecten setzen, so müssen sie es höher bringen können als andere.
Unterdessen bleibt ein hundertjähriger dennoch eine respectable Seltenheit, weil wenigstens nur un- ter tausend einer dieses mehrentheils höchst be- schwehrliche Glück hat, daß er diesen hohen Gip-
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Von Verhaͤltniß der Sterbenden
ner 114, einer 115, einer 120 und einer 125 Jahre erreichet. Ich koͤnte gar leicht mehr dergleichen Macrobios aus denen alten und neuern Zeiten an- fuͤhren, wenn es mein Zweck verſtattete.
Deren Anzahl aber iſt ſchon etwas groͤſſer, die hundert Jahre uͤberleben und kommen uͤberall jaͤhr- lich dergleichen vor. In der Londner Summe (p. 212.) waren 86, in der Wiener 13 hundert- jaͤhrige und druͤber. Unter denen 56341 im Jahr 1718 in unſern Landen geſtorbenen waren 32 uͤber hundert Jahr. Alſo kaͤmen in Wien unter hun- dert tauſend 96, in unſern Landen 56, und in Lon- don nur 32 hundertjaͤhrige und druͤber. Oder in Wien war einer unter tauſend, bey uns einer unter 18 hundert und in London unter 3100 nur einer, der hundert und mehr Jahr alt geworden. Laͤſſet ſich aber aus ſo wenigen Exempeln wohl ſchlieſſen, daß Wien bequehmer ſey ein ſo hohes Alter zu er- reichen als London? ich mag es nicht thun, zumahl da in Wien viel Cloͤſter, die dazu vornemlich ge- ſchickt ſind, daß man darinn Verſuche von dem moͤglichen Alter eines Menſchen anſtellen kan. Die meiſten kommen in ihrer Jugend zum Cloſter-Leben, ehe ſie angefangen durch Unmaͤßigkeit ihre Kraͤfte zu ſchwaͤchen. Wenn ſie nun ſo keuſch und zuͤch- tig leben als ſie ſollen, und ſich nicht durch einen Lutrin oder andere Kleinigkeiten laſſen in Affecten ſetzen, ſo muͤſſen ſie es hoͤher bringen koͤnnen als andere.
Unterdeſſen bleibt ein hundertjaͤhriger dennoch eine reſpectable Seltenheit, weil wenigſtens nur un- ter tauſend einer dieſes mehrentheils hoͤchſt be- ſchwehrliche Gluͤck hat, daß er dieſen hohen Gip-
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Von Verhaͤltniß der Sterbenden
ner 114, einer 115, einer 120 und einer 125 Jahre
erreichet. Ich koͤnte gar leicht mehr dergleichen
Macrobios aus denen alten und neuern Zeiten an-
fuͤhren, wenn es mein Zweck verſtattete.
Deren Anzahl aber iſt ſchon etwas groͤſſer, die
hundert Jahre uͤberleben und kommen uͤberall jaͤhr-
lich dergleichen vor. In der Londner Summe
(p. 212.) waren 86, in der Wiener 13 hundert-
jaͤhrige und druͤber. Unter denen 56341 im Jahr
1718 in unſern Landen geſtorbenen waren 32 uͤber
hundert Jahr. Alſo kaͤmen in Wien unter hun-
dert tauſend 96, in unſern Landen 56, und in Lon-
don nur 32 hundertjaͤhrige und druͤber. Oder in
Wien war einer unter tauſend, bey uns einer unter
18 hundert und in London unter 3100 nur einer,
der hundert und mehr Jahr alt geworden. Laͤſſet
ſich aber aus ſo wenigen Exempeln wohl ſchlieſſen,
daß Wien bequehmer ſey ein ſo hohes Alter zu er-
reichen als London? ich mag es nicht thun, zumahl
da in Wien viel Cloͤſter, die dazu vornemlich ge-
ſchickt ſind, daß man darinn Verſuche von dem
moͤglichen Alter eines Menſchen anſtellen kan. Die
meiſten kommen in ihrer Jugend zum Cloſter-Leben,
ehe ſie angefangen durch Unmaͤßigkeit ihre Kraͤfte
zu ſchwaͤchen. Wenn ſie nun ſo keuſch und zuͤch-
tig leben als ſie ſollen, und ſich nicht durch einen
Lutrin oder andere Kleinigkeiten laſſen in Affecten
ſetzen, ſo muͤſſen ſie es hoͤher bringen koͤnnen als
andere.
Unterdeſſen bleibt ein hundertjaͤhriger dennoch
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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/262>, abgerufen am 23.11.2024.
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