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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Eine junge Frau und ein junges Mädchen traten lächelnd ein, sie schienen es gewohnt zu sein, derlei Zänkereien hinter der geschlossenen Türe des Fräulein Elise Deaken zu hören.

"Bon jour, Miß, wieder ein Streit mit Ihrer sweatmaid?" fragte das junge Mädchen, Stella Ellissen, indem sie eine Ledermappe mit Heften und Büchern auf den Tisch und ihren Hut auf den Divan warf - aber auch schon vor dem Spiegel stand, um ihre zerzausten Haare zu ordnen - die Arme erhoben, die Brauen gerunzelt, den Mund gespitzt, denn ihre blonden Löckchen waren rebellisch geworden.

Frau von Ellissen und der "englische Professor", wie man Fräulein Deaken in vertrautem Kreise nannte, drückten sich mit freundlichem Blicke die Hand.

"Haben wir auch gearbeitet?" fragte die Miß in zweifelndem Tone.

"Ein wenig... Entsetzlich, diese Gedichte von Tennyson... Ich möchte lieber übersetzen."

"Was denn, kleine Närrin?"

"Etwas von Swinbure - oder lieber gar nichts, wenn ich aufrichtig sein soll."

"Aber, aber, sei doch vernünftig. Man muß lernen, um etwas zu wissen."

Eine junge Frau und ein junges Mädchen traten lächelnd ein, sie schienen es gewohnt zu sein, derlei Zänkereien hinter der geschlossenen Türe des Fräulein Elise Deaken zu hören.

Bon jour, Miß, wieder ein Streit mit Ihrer sweatmaid?“ fragte das junge Mädchen, Stella Ellissen, indem sie eine Ledermappe mit Heften und Büchern auf den Tisch und ihren Hut auf den Divan warf – aber auch schon vor dem Spiegel stand, um ihre zerzausten Haare zu ordnen – die Arme erhoben, die Brauen gerunzelt, den Mund gespitzt, denn ihre blonden Löckchen waren rebellisch geworden.

Frau von Ellissen und der „englische Professor“, wie man Fräulein Deaken in vertrautem Kreise nannte, drückten sich mit freundlichem Blicke die Hand.

„Haben wir auch gearbeitet?“ fragte die Miß in zweifelndem Tone.

„Ein wenig… Entsetzlich, diese Gedichte von Tennyson… Ich möchte lieber übersetzen.“

„Was denn, kleine Närrin?“

„Etwas von Swinbure – oder lieber gar nichts, wenn ich aufrichtig sein soll.“

„Aber, aber, sei doch vernünftig. Man muß lernen, um etwas zu wissen.“

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[3/0004] Eine junge Frau und ein junges Mädchen traten lächelnd ein, sie schienen es gewohnt zu sein, derlei Zänkereien hinter der geschlossenen Türe des Fräulein Elise Deaken zu hören. „Bon jour, Miß, wieder ein Streit mit Ihrer sweatmaid?“ fragte das junge Mädchen, Stella Ellissen, indem sie eine Ledermappe mit Heften und Büchern auf den Tisch und ihren Hut auf den Divan warf – aber auch schon vor dem Spiegel stand, um ihre zerzausten Haare zu ordnen – die Arme erhoben, die Brauen gerunzelt, den Mund gespitzt, denn ihre blonden Löckchen waren rebellisch geworden. Frau von Ellissen und der „englische Professor“, wie man Fräulein Deaken in vertrautem Kreise nannte, drückten sich mit freundlichem Blicke die Hand. „Haben wir auch gearbeitet?“ fragte die Miß in zweifelndem Tone. „Ein wenig… Entsetzlich, diese Gedichte von Tennyson… Ich möchte lieber übersetzen.“ „Was denn, kleine Närrin?“ „Etwas von Swinbure – oder lieber gar nichts, wenn ich aufrichtig sein soll.“ „Aber, aber, sei doch vernünftig. Man muß lernen, um etwas zu wissen.“

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/4>, abgerufen am 24.04.2024.