Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905"Ja, er hatte die Güte, ihr zu erlauben - sich für ihn aufzuopfern." "Nicht nur allein für ihn, auch für ihre Eltern. Sie unterstützte sie alle durch ihre Arbeit. Denken Sie nur, Miß war kaum fünfzehn Jahre alt, als ihr Vater infolge seiner Erkrankung ihrer Stütze bedürftig ward. Sie kam von Amerika zurück, wohin sie einer ihrer reichen Verwandten mitgenommen hatte und suchte hier Stunden zu geben. Alles vergaß sie, ihre Schönheit, ihre Jugend, den Verlobten, den sie sich in Amerika erwählt und den sie liebte, und arbeitete freudig, einfach für ihre Angehörigen. Ihr Bruder war nicht im stande sein Brot zu verdienen, sie behielt ihn bei sich und pflegte sein einziges Talent, das Orgelspiel, damit er einmal Organist in der Kathedrale werden könne. Aber als sie sich altern fühlte! - Ich allein kenne die Leere dieser leidenschaftlichen Seele, die so großen Durst nach Liebe hatte. Oh um den glühenden Aufruhr der bezähmten, aber nicht ertöteten Sinne! Die grausam schlaflosen Nächte, die Zuckungen der Natur, die rücksichtslos ihr Ziel erreichen will. Zu spät! - Sie war alt und arm: das Leben hatte ihr nichts mehr zu bieten. In der Religion fand sie Kraft für die Zukunft, die deutlich und klar „Ja, er hatte die Güte, ihr zu erlauben – sich für ihn aufzuopfern.“ „Nicht nur allein für ihn, auch für ihre Eltern. Sie unterstützte sie alle durch ihre Arbeit. Denken Sie nur, Miß war kaum fünfzehn Jahre alt, als ihr Vater infolge seiner Erkrankung ihrer Stütze bedürftig ward. Sie kam von Amerika zurück, wohin sie einer ihrer reichen Verwandten mitgenommen hatte und suchte hier Stunden zu geben. Alles vergaß sie, ihre Schönheit, ihre Jugend, den Verlobten, den sie sich in Amerika erwählt und den sie liebte, und arbeitete freudig, einfach für ihre Angehörigen. Ihr Bruder war nicht im stande sein Brot zu verdienen, sie behielt ihn bei sich und pflegte sein einziges Talent, das Orgelspiel, damit er einmal Organist in der Kathedrale werden könne. Aber als sie sich altern fühlte! – Ich allein kenne die Leere dieser leidenschaftlichen Seele, die so großen Durst nach Liebe hatte. Oh um den glühenden Aufruhr der bezähmten, aber nicht ertöteten Sinne! Die grausam schlaflosen Nächte, die Zuckungen der Natur, die rücksichtslos ihr Ziel erreichen will. Zu spät! – Sie war alt und arm: das Leben hatte ihr nichts mehr zu bieten. In der Religion fand sie Kraft für die Zukunft, die deutlich und klar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0030" n="29"/> <p>„Ja, er hatte die Güte, ihr zu erlauben – sich für ihn aufzuopfern.“</p> <p>„Nicht nur allein für ihn, auch für ihre Eltern. Sie unterstützte sie alle durch ihre Arbeit. Denken Sie nur, Miß war kaum fünfzehn Jahre alt, als ihr Vater infolge seiner Erkrankung ihrer Stütze bedürftig ward. Sie kam von Amerika zurück, wohin sie einer ihrer reichen Verwandten mitgenommen hatte und suchte hier Stunden zu geben. Alles vergaß sie, ihre Schönheit, ihre Jugend, den Verlobten, den sie sich in Amerika erwählt und den sie liebte, und arbeitete freudig, einfach für ihre Angehörigen. Ihr Bruder war nicht im stande sein Brot zu verdienen, sie behielt ihn bei sich und pflegte sein einziges Talent, das Orgelspiel, damit er einmal Organist in der Kathedrale werden könne. Aber als sie sich altern fühlte! – Ich allein kenne die Leere dieser leidenschaftlichen Seele, die so großen Durst nach Liebe hatte. Oh um den glühenden Aufruhr der bezähmten, aber nicht ertöteten Sinne! Die grausam schlaflosen Nächte, die Zuckungen der Natur, die rücksichtslos ihr Ziel erreichen will. Zu spät! – Sie war alt und arm: das Leben hatte ihr nichts mehr zu bieten. In der Religion fand sie Kraft für die Zukunft, die deutlich und klar </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0030]
„Ja, er hatte die Güte, ihr zu erlauben – sich für ihn aufzuopfern.“
„Nicht nur allein für ihn, auch für ihre Eltern. Sie unterstützte sie alle durch ihre Arbeit. Denken Sie nur, Miß war kaum fünfzehn Jahre alt, als ihr Vater infolge seiner Erkrankung ihrer Stütze bedürftig ward. Sie kam von Amerika zurück, wohin sie einer ihrer reichen Verwandten mitgenommen hatte und suchte hier Stunden zu geben. Alles vergaß sie, ihre Schönheit, ihre Jugend, den Verlobten, den sie sich in Amerika erwählt und den sie liebte, und arbeitete freudig, einfach für ihre Angehörigen. Ihr Bruder war nicht im stande sein Brot zu verdienen, sie behielt ihn bei sich und pflegte sein einziges Talent, das Orgelspiel, damit er einmal Organist in der Kathedrale werden könne. Aber als sie sich altern fühlte! – Ich allein kenne die Leere dieser leidenschaftlichen Seele, die so großen Durst nach Liebe hatte. Oh um den glühenden Aufruhr der bezähmten, aber nicht ertöteten Sinne! Die grausam schlaflosen Nächte, die Zuckungen der Natur, die rücksichtslos ihr Ziel erreichen will. Zu spät! – Sie war alt und arm: das Leben hatte ihr nichts mehr zu bieten. In der Religion fand sie Kraft für die Zukunft, die deutlich und klar
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