Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905der Präfektur entlegenen Arondissementshauptort. In korrekten Ausdrücken aber mit Worten, die zwischen den Zeilen zu lesen erlaubten, entschuldigte er sich, daß er den vergangenen Abend nicht kommen konnte; die Wahlen stehen vor der Tür. Man hatte ihn in aller Eile fortgesendet. Er würde mehrere Tage abwesend sein. Und er drückte seine Verzweiflung, seine Ungeduld in Worten aus, welche sich auf den Kummer beziehen konnten, daß er von seiner Frau fern bleiben mußte, die er so sehr liebte, die sein Leben bedeutete. Stella beruhigte sich, aber sie erkannte, welche leere Fernands Abwesenheit in ihrer Tagesbeschäftigung verursachte. Gewöhnt daran, sich fast täglich zu sehen ... , gewöhnt viele Stunden bei ihr oder auswärts mit ihm zu verbringen, sich gegenseitig mit ihren unbefriedigten Wünschen aufzuregen, ihre Blicke in einander zu versenken, ihre Hände zu drücken, gemeinsam die Spiele zu spielen, die für sie nur Interesse hatten, wenn sie zufällig oder verabredet zusammen waren, suchte sie jetzt nach einem Mittel um die Stunden zu verkürzen, diese Leere die ihr unermeßlich schien, auszufüllen, ohne es zu finden. der Präfektur entlegenen Arondissementshauptort. In korrekten Ausdrücken aber mit Worten, die zwischen den Zeilen zu lesen erlaubten, entschuldigte er sich, daß er den vergangenen Abend nicht kommen konnte; die Wahlen stehen vor der Tür. Man hatte ihn in aller Eile fortgesendet. Er würde mehrere Tage abwesend sein. Und er drückte seine Verzweiflung, seine Ungeduld in Worten aus, welche sich auf den Kummer beziehen konnten, daß er von seiner Frau fern bleiben mußte, die er so sehr liebte, die sein Leben bedeutete. Stella beruhigte sich, aber sie erkannte, welche leere Fernands Abwesenheit in ihrer Tagesbeschäftigung verursachte. Gewöhnt daran, sich fast täglich zu sehen … , gewöhnt viele Stunden bei ihr oder auswärts mit ihm zu verbringen, sich gegenseitig mit ihren unbefriedigten Wünschen aufzuregen, ihre Blicke in einander zu versenken, ihre Hände zu drücken, gemeinsam die Spiele zu spielen, die für sie nur Interesse hatten, wenn sie zufällig oder verabredet zusammen waren, suchte sie jetzt nach einem Mittel um die Stunden zu verkürzen, diese Leere die ihr unermeßlich schien, auszufüllen, ohne es zu finden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0251" n="250"/> der Präfektur entlegenen Arondissementshauptort. In korrekten Ausdrücken aber mit Worten, die zwischen den Zeilen zu lesen erlaubten, entschuldigte er sich, daß er den vergangenen Abend nicht kommen konnte; die Wahlen stehen vor der Tür. Man hatte ihn in aller Eile fortgesendet. Er würde mehrere Tage abwesend sein. Und er drückte seine Verzweiflung, seine Ungeduld in Worten aus, welche sich auf den Kummer beziehen konnten, daß er von seiner Frau fern bleiben mußte, die er so sehr liebte, die sein Leben bedeutete.</p> <p>Stella beruhigte sich, aber sie erkannte, welche leere Fernands Abwesenheit in ihrer Tagesbeschäftigung verursachte.</p> <p>Gewöhnt daran, sich fast täglich zu sehen … , gewöhnt viele Stunden bei ihr oder auswärts mit ihm zu verbringen, sich gegenseitig mit ihren unbefriedigten Wünschen aufzuregen, ihre Blicke in einander zu versenken, ihre Hände zu drücken, gemeinsam die Spiele zu spielen, die für sie nur Interesse hatten, wenn sie zufällig oder verabredet zusammen waren, suchte sie jetzt nach einem Mittel um die Stunden zu verkürzen, diese Leere die ihr unermeßlich schien, auszufüllen, ohne es zu <choice><sic>fiinden</sic><corr>finden</corr></choice>.</p> </div> </body> </text> </TEI> [250/0251]
der Präfektur entlegenen Arondissementshauptort. In korrekten Ausdrücken aber mit Worten, die zwischen den Zeilen zu lesen erlaubten, entschuldigte er sich, daß er den vergangenen Abend nicht kommen konnte; die Wahlen stehen vor der Tür. Man hatte ihn in aller Eile fortgesendet. Er würde mehrere Tage abwesend sein. Und er drückte seine Verzweiflung, seine Ungeduld in Worten aus, welche sich auf den Kummer beziehen konnten, daß er von seiner Frau fern bleiben mußte, die er so sehr liebte, die sein Leben bedeutete.
Stella beruhigte sich, aber sie erkannte, welche leere Fernands Abwesenheit in ihrer Tagesbeschäftigung verursachte.
Gewöhnt daran, sich fast täglich zu sehen … , gewöhnt viele Stunden bei ihr oder auswärts mit ihm zu verbringen, sich gegenseitig mit ihren unbefriedigten Wünschen aufzuregen, ihre Blicke in einander zu versenken, ihre Hände zu drücken, gemeinsam die Spiele zu spielen, die für sie nur Interesse hatten, wenn sie zufällig oder verabredet zusammen waren, suchte sie jetzt nach einem Mittel um die Stunden zu verkürzen, diese Leere die ihr unermeßlich schien, auszufüllen, ohne es zu finden.
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