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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Sie hätte beinahe geweint bei den innigen Liebkosungen, die er ihr zu Teil werden ließ. Dieser Abend wurde sehr stimmungsvoll. Ihre Melancholie harmonierte mit Freds sehr trauriger Seele.

"Wenn sie ernst würde ... dachte er ... so könnte sie wie Mira werden ... o wie schön das wäre ... Ich glaube, das würde mir Kraft geben zu arbeiten ..."

Er arbeitete wohl, doch es schien ihm, daß sie ihm nie zuhörte, wenn sie auch scheinbar aufmerksam war ...

Er spielte Violine.

Dann fragte er:

"Gefällt dir das, Liebste?"

"Reizend" antwortete sie, "aber sorge dich nicht um mich ... gehe ... spiele ... arbeite."

Dann fing sie wieder an zu träumen. Und Fred fühlte, wie die Flügeln seines Genius sich schlossen, erlahmten. Es war ihm nicht möglich, seine Frau zu sich zu ziehen, mit fortzureißen, aber er wollte noch bei ihr bleiben, und so stieg er wieder zur Alltäglichkeit des Lebens herab ... zu kraftlos, um stolz und schmerzerfüllt in der einsamen Welt allein zu stehen.

Am nächsten Tag brachte die erste Post Stella einen Brief von Fernand, datiert aus einem vom Sitz

Sie hätte beinahe geweint bei den innigen Liebkosungen, die er ihr zu Teil werden ließ. Dieser Abend wurde sehr stimmungsvoll. Ihre Melancholie harmonierte mit Freds sehr trauriger Seele.

„Wenn sie ernst würde … dachte er … so könnte sie wie Mira werden … o wie schön das wäre … Ich glaube, das würde mir Kraft geben zu arbeiten …“

Er arbeitete wohl, doch es schien ihm, daß sie ihm nie zuhörte, wenn sie auch scheinbar aufmerksam war …

Er spielte Violine.

Dann fragte er:

„Gefällt dir das, Liebste?“

„Reizend“ antwortete sie, „aber sorge dich nicht um mich … gehe … spiele … arbeite.“

Dann fing sie wieder an zu träumen. Und Fred fühlte, wie die Flügeln seines Genius sich schlossen, erlahmten. Es war ihm nicht möglich, seine Frau zu sich zu ziehen, mit fortzureißen, aber er wollte noch bei ihr bleiben, und so stieg er wieder zur Alltäglichkeit des Lebens herab … zu kraftlos, um stolz und schmerzerfüllt in der einsamen Welt allein zu stehen.

Am nächsten Tag brachte die erste Post Stella einen Brief von Fernand, datiert aus einem vom Sitz

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[249/0250] Sie hätte beinahe geweint bei den innigen Liebkosungen, die er ihr zu Teil werden ließ. Dieser Abend wurde sehr stimmungsvoll. Ihre Melancholie harmonierte mit Freds sehr trauriger Seele. „Wenn sie ernst würde … dachte er … so könnte sie wie Mira werden … o wie schön das wäre … Ich glaube, das würde mir Kraft geben zu arbeiten …“ Er arbeitete wohl, doch es schien ihm, daß sie ihm nie zuhörte, wenn sie auch scheinbar aufmerksam war … Er spielte Violine. Dann fragte er: „Gefällt dir das, Liebste?“ „Reizend“ antwortete sie, „aber sorge dich nicht um mich … gehe … spiele … arbeite.“ Dann fing sie wieder an zu träumen. Und Fred fühlte, wie die Flügeln seines Genius sich schlossen, erlahmten. Es war ihm nicht möglich, seine Frau zu sich zu ziehen, mit fortzureißen, aber er wollte noch bei ihr bleiben, und so stieg er wieder zur Alltäglichkeit des Lebens herab … zu kraftlos, um stolz und schmerzerfüllt in der einsamen Welt allein zu stehen. Am nächsten Tag brachte die erste Post Stella einen Brief von Fernand, datiert aus einem vom Sitz

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/250>, abgerufen am 18.05.2024.