Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905eine immer dichter werdende Menge. Wie berauscht von der Musik, klatschen die Weiber in bis Hände, verlangen jedes Lied, jede Opernarie noch einmal, singen den Refrain aus vollem Halse mit, kurz: sie verlangen ihren Teil am Tumult und an der Freude und brechen in begeisterte Hochrufe aus, wie beim Einzuge eines volkstümlichen Monarchen. Plötzlich wird alles dunkel, alles zerstreut sich; das blumen- und laternengeschmückte Schiff, die Gondeln und die Menge. Paläste, Kirchen, Kanäle versinken wieder in die Dunkelheit, schlafen oder träumen, das Wasser spiegelt nur Mond und Sterne wieder. In der erstorbenen Stadt widerstehen nur die Leidenden und die Liebenden der ansteckenden Betäubung dieser Stille, dieses Friedens. Fred seufzte und dachte bei sich: "Ich soll dich also nie vergessen, Mira! Hier bin ich. Sind wir nun weit genug voneinander?" Und es fielen ihm die grausamen Worte ein, die sie einst zu ihm gesagt hatte: "Bringen Sie doch einmal eine dreißigjährige Frau auf die Bühne und in meinem Zustand der Leidenschaft: die ganze Kritik wird sich dagegen erheben und es abgeschmackt finden. Unsere berühmtesten eine immer dichter werdende Menge. Wie berauscht von der Musik, klatschen die Weiber in bis Hände, verlangen jedes Lied, jede Opernarie noch einmal, singen den Refrain aus vollem Halse mit, kurz: sie verlangen ihren Teil am Tumult und an der Freude und brechen in begeisterte Hochrufe aus, wie beim Einzuge eines volkstümlichen Monarchen. Plötzlich wird alles dunkel, alles zerstreut sich; das blumen- und laternengeschmückte Schiff, die Gondeln und die Menge. Paläste, Kirchen, Kanäle versinken wieder in die Dunkelheit, schlafen oder träumen, das Wasser spiegelt nur Mond und Sterne wieder. In der erstorbenen Stadt widerstehen nur die Leidenden und die Liebenden der ansteckenden Betäubung dieser Stille, dieses Friedens. Fred seufzte und dachte bei sich: „Ich soll dich also nie vergessen, Mira! Hier bin ich. Sind wir nun weit genug voneinander?“ Und es fielen ihm die grausamen Worte ein, die sie einst zu ihm gesagt hatte: „Bringen Sie doch einmal eine dreißigjährige Frau auf die Bühne und in meinem Zustand der Leidenschaft: die ganze Kritik wird sich dagegen erheben und es abgeschmackt finden. Unsere berühmtesten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="133"/> eine immer dichter werdende Menge. Wie berauscht von der Musik, klatschen die Weiber in bis Hände, verlangen jedes Lied, jede Opernarie noch einmal, singen den Refrain aus vollem Halse mit, kurz: sie verlangen ihren Teil am Tumult und an der Freude und brechen in begeisterte Hochrufe aus, wie beim Einzuge eines volkstümlichen Monarchen.</p> <p>Plötzlich wird alles dunkel, alles zerstreut sich; das blumen- und laternengeschmückte Schiff, die Gondeln und die Menge. Paläste, Kirchen, Kanäle versinken wieder in die Dunkelheit, schlafen oder träumen, das Wasser spiegelt nur Mond und Sterne wieder.</p> <p>In der erstorbenen Stadt widerstehen nur die Leidenden und die Liebenden der ansteckenden Betäubung dieser Stille, dieses Friedens.</p> <p>Fred seufzte und dachte bei sich: „Ich soll dich also nie vergessen, Mira! Hier bin ich. Sind wir nun weit genug voneinander?“ Und es fielen ihm die grausamen Worte ein, die sie einst zu ihm gesagt hatte:</p> <p>„Bringen Sie doch einmal eine dreißigjährige Frau auf die Bühne und in meinem Zustand der Leidenschaft: die ganze Kritik wird sich dagegen erheben und es abgeschmackt finden. Unsere berühmtesten </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0134]
eine immer dichter werdende Menge. Wie berauscht von der Musik, klatschen die Weiber in bis Hände, verlangen jedes Lied, jede Opernarie noch einmal, singen den Refrain aus vollem Halse mit, kurz: sie verlangen ihren Teil am Tumult und an der Freude und brechen in begeisterte Hochrufe aus, wie beim Einzuge eines volkstümlichen Monarchen.
Plötzlich wird alles dunkel, alles zerstreut sich; das blumen- und laternengeschmückte Schiff, die Gondeln und die Menge. Paläste, Kirchen, Kanäle versinken wieder in die Dunkelheit, schlafen oder träumen, das Wasser spiegelt nur Mond und Sterne wieder.
In der erstorbenen Stadt widerstehen nur die Leidenden und die Liebenden der ansteckenden Betäubung dieser Stille, dieses Friedens.
Fred seufzte und dachte bei sich: „Ich soll dich also nie vergessen, Mira! Hier bin ich. Sind wir nun weit genug voneinander?“ Und es fielen ihm die grausamen Worte ein, die sie einst zu ihm gesagt hatte:
„Bringen Sie doch einmal eine dreißigjährige Frau auf die Bühne und in meinem Zustand der Leidenschaft: die ganze Kritik wird sich dagegen erheben und es abgeschmackt finden. Unsere berühmtesten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |