Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

"Stella," seufzte Frau von Elissen, "Du machst mir Kummer!"

"Aber süßes, schönes Stiefmütterchen, sprich doch nicht so. Du weißt genau, daß ich nur etwas übermütig bin! Mit solchen Flausen gibt man aber dem Geist der Kinder eine falsche Richtung. Geh', du wirst dich ändern, und ich werde dich bekehren."

"Wozu wirst du mich bekehren?"

"Ich werde dich die Grundsätze von der Freiheit des Weibes lehren!"

"Wenn du keine anderen Argumente hast ..."

"Oh! ich habe auch noch andere."

"Stella," rief die Miß. "Ihre Aufgaben, arbeiten Sie doch!"

"Auf allerhöchsten Befehl, nicht wahr? So tust du meinem Geschmack, meinen Bestrebungen, Gewalt an. Du unterwirfst mich einer Erziehungsmethode, die meinem innersten Fühlen widerstrebt. Und du meinst, ich soll mich dagegen nicht auflehnen?"

"Wenn Sie mit Ihrer Auflehnung fertig sind, Stella," sagte die Miß mit sanfter Stimme aber entschiedenen Tones, "werden Sie einsehen, daß ich meine Zeit verliere. Und diese Zeit ist kostbar, ich lebe von meiner Arbeit. Es ist viel besser, an seine

„Stella,“ seufzte Frau von Elissen, „Du machst mir Kummer!“

„Aber süßes, schönes Stiefmütterchen, sprich doch nicht so. Du weißt genau, daß ich nur etwas übermütig bin! Mit solchen Flausen gibt man aber dem Geist der Kinder eine falsche Richtung. Geh’, du wirst dich ändern, und ich werde dich bekehren.“

„Wozu wirst du mich bekehren?“

„Ich werde dich die Grundsätze von der Freiheit des Weibes lehren!“

„Wenn du keine anderen Argumente hast …“

„Oh! ich habe auch noch andere.“

„Stella,“ rief die Miß. „Ihre Aufgaben, arbeiten Sie doch!“

„Auf allerhöchsten Befehl, nicht wahr? So tust du meinem Geschmack, meinen Bestrebungen, Gewalt an. Du unterwirfst mich einer Erziehungsmethode, die meinem innersten Fühlen widerstrebt. Und du meinst, ich soll mich dagegen nicht auflehnen?“

„Wenn Sie mit Ihrer Auflehnung fertig sind, Stella,“ sagte die Miß mit sanfter Stimme aber entschiedenen Tones, „werden Sie einsehen, daß ich meine Zeit verliere. Und diese Zeit ist kostbar, ich lebe von meiner Arbeit. Es ist viel besser, an seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="10"/>
        <p>&#x201E;Stella,&#x201C; seufzte Frau von Elissen, &#x201E;Du machst mir Kummer!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber süßes, schönes Stiefmütterchen, sprich doch nicht so. Du weißt genau, daß ich nur etwas übermütig bin! Mit solchen Flausen gibt man aber dem Geist der Kinder eine falsche Richtung. Geh&#x2019;, du wirst dich ändern, und ich werde dich bekehren.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Wozu wirst du mich bekehren?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich werde dich die Grundsätze von der Freiheit des Weibes lehren!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Wenn du keine anderen Argumente hast &#x2026;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Oh! ich habe auch noch andere.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Stella,&#x201C; rief die Miß. &#x201E;Ihre Aufgaben, arbeiten Sie doch!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Auf allerhöchsten Befehl, nicht wahr? So tust du meinem Geschmack, meinen Bestrebungen, Gewalt an. Du unterwirfst mich einer Erziehungsmethode, die meinem innersten Fühlen widerstrebt. Und du meinst, ich soll mich dagegen nicht auflehnen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Wenn Sie mit Ihrer Auflehnung fertig sind, Stella,&#x201C; sagte die Miß mit sanfter Stimme aber entschiedenen Tones, &#x201E;werden Sie einsehen, daß ich meine Zeit verliere. Und diese Zeit ist kostbar, ich lebe von meiner Arbeit. Es ist viel besser, an seine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0011] „Stella,“ seufzte Frau von Elissen, „Du machst mir Kummer!“ „Aber süßes, schönes Stiefmütterchen, sprich doch nicht so. Du weißt genau, daß ich nur etwas übermütig bin! Mit solchen Flausen gibt man aber dem Geist der Kinder eine falsche Richtung. Geh’, du wirst dich ändern, und ich werde dich bekehren.“ „Wozu wirst du mich bekehren?“ „Ich werde dich die Grundsätze von der Freiheit des Weibes lehren!“ „Wenn du keine anderen Argumente hast …“ „Oh! ich habe auch noch andere.“ „Stella,“ rief die Miß. „Ihre Aufgaben, arbeiten Sie doch!“ „Auf allerhöchsten Befehl, nicht wahr? So tust du meinem Geschmack, meinen Bestrebungen, Gewalt an. Du unterwirfst mich einer Erziehungsmethode, die meinem innersten Fühlen widerstrebt. Und du meinst, ich soll mich dagegen nicht auflehnen?“ „Wenn Sie mit Ihrer Auflehnung fertig sind, Stella,“ sagte die Miß mit sanfter Stimme aber entschiedenen Tones, „werden Sie einsehen, daß ich meine Zeit verliere. Und diese Zeit ist kostbar, ich lebe von meiner Arbeit. Es ist viel besser, an seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/11
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/11>, abgerufen am 28.03.2024.